Hochzeitsspiele

von Erwin Grosche

Foto © Uwe Nölke

Hochzeitsspiele
 
(Ein Mann trägt eine Streichholzschachtel auf der Nase)
 
Ich hätte mich niemals auf dieses Streichholzschachtelspiel einlassen sollen. Und wenn Frau Merseburger nicht endlich merkt, daß sie an der Reihe ist, mir diese Streichholzschachtel von der Nase zu nehmen, darın habe ich morgen Ringe unter den Augen und auf der Nase auch.
     Dieses Spiel ist doch überhaupt noch nicht richtig entwickelt und fordert mich weit unter meinen geistigen Fähigkeiten.
     Nun? Wie wäre es denn mal mit uns, Frau Merseburger? Nun lacht sie wieder, das Ganze kann sich nur noch um Stunden hinauszögern.
     Diese Hochzeiten werden auch immer trister und trister. Ich meine, früher ist wenigstens noch der Pfarrer zu einer Hochzeit erschienen, aber heutzutage hat er ja immer Angst, daß ihm irgendein Betrunkener wieder Sahne über die Soutane schüttet, aber ich bitte Sie, was ist denn eine Hochzeit ohne einen Pfarrer, dem man nichtmal Sahne über die Soutane schütten kann? Trister und trister…
     Wo ist überhaupt die Braut? Nicht, daß ich sie küssen will, das haben wir längst hinter uns, weiß der Bräutigam gar nicht - aber sie erzählt immer so herrlich schmutzige Witze, wenn sie besoffen ist.
     Oh, da hinten steht sie an der Säule und kotzt...
     Nun, was ist, Frau Merseburger, wollen Sie nicht die Streichholzschachtel von meiner Nase übernehmen? Die anderen wollen doch auch noch mal an die Reihe kommen. Nein, Frau Merseburger, das ist nicht meine Nase, das ist schon die Streichholzschachtel. Sehr komisch, Frau Merseburger. Sehr komisch. Jetzt lacht sie wieder...
 Der Bräutigam hat es gewagt, den ganzen Hochzeitsabend mit einem Zuckerwürfelzaubertrick einzuweihen. Der ganze Zauber besteht darin, daß man einen Zuckerwürfel in Asche dreht und ihn dann anzündet, und dann brennt er. Ich meine, wo ist denn da die Illusion, die Macht der Magie, das große Geheimnis der Zauberei, wenn man einen Zuckerwürfel in Asche dreht und anzündet, und dann brennt er. Also, wegen mir muß ein Zuckerwürfel nicht bremıen, wegen mir kann er noch durchaus zum Zuckern genommen werden. Aber diese Hochzeiten werden halt immer trister und trister...
     So, Frau Merseburger, jetzt strengen Sie sich mal ein wenig an. Sie stecken doch sonst Ilıre Nase auch überall rein, dann kann Ihnen dieses Spiel doch nicht schwer fallen. Was? Frau Merseburger, es kitzelt? Natürlich habe ich auch ein wenig Feuer...
     Auf welches Witzniveau ich mich herabbegeben muß.
(Die Streichholzschachtel fällt bei dem Versuch, übernommen zu werden, auf den Boden.)
     Oh nein!
     Was haben Sie getan, Frau Merseburger?
     Jetzt geht das ganze Spiel wieder von vorne los.
     Jetzt lacht sie wieder. Beim nächsten Mal werde ich das beliebte Telephonbuchzerreißspiel vorschlagen. Ein Telephonbuch in Wasser aufgeweicht und auf der Heizung getrocknet, kann man leichthändig zerreißen. Danach werde ich mir eine Geheimnummer zulegen und bin für die ganze Bagage nicht mehr zu erreichen.
     Was?
Eine Polonaise? Gern.
Kommen Sie, Frau Merseburger, eine Polonaise.
Da müssen Sie einfach vor mir herlaufen das können Sie doch bestimmt. . ..
 
Also diese Hochzeiten
trister und trister und trister
 
(Der Mann reiht sich in eine Polonaise ein)
 

Aus: „Vom großen G und kleinen Glück“
Igel Verlag Literatur 1991