Bundesverdienstkreuz der 1. Klasse für Albrecht Dümling

Eine Würdigung

von Johannes Vesper

Foto © Maurizio Gambarini
„Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen…“
(William Shakespeare, Hamlet, Schluß)
 
Bundesverdienstkreuz der 1. Klasse
für Albrecht Dümling
 
von Johannes Vesper
 
Der Musikwissenschaftler, Musikkritiker und Journalist Dr. Albrecht Dümling wurde jetzt für seine Forschungen und Publikationen zu den in der NS-Zeit verfolgten und häufig vergessenen Musikerinnen und Musikern mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt. In den → Musenblättern wurde mehrfach über ihn berichtet. Getrieben von wissenschaftlicher Arbeit und journalistischer Neugier schrieb er Bücher und Musikkritiken für die FAZ wie für den Berliner Tagesspiegel. Das Wechselspiel zwischen Musik und Politik interessiert ihn seit Jahrzehnten. So publizierte er 1985 das große Werk: „Laßt Euch nicht verführen - Brecht und die Musik (Kindler, 736 Seiten). Er kannte den jüdischen Komponisten George Dreyfus, der aus politischen Gründen vor den Nazis nach Australien floh. Bei Aufenthalten in Australien stieß er immer wieder auf Spuren geflohener Musiker und veröffentlichte 2011 das Werk „Die verschwundenen Musiker - Jüdische Flüchtlinge in Australien“. In Wuppertal unvergessen sind das Konzert am 22.04.2011 in der Citykirche anläßlich der Vorstellung dieses Buches und gemeinsame Kammermusik über Jahre, von Wanderungen im Siegerland ganz zu schweigen.
 
Aus Wuppertal-Wichlinghausen stammend studierte Dümling nach dem Abitur am Wuppertaler Carl-Duisberg-Gymnasium Musikwissenschaft, Publizistik, Germanistik, Kirchen- und Schulmusik in Essen, Wien und Berlin und wurde mit seiner Arbeit über Lied und Lyrik bei Stefan George und Arnold Schönberg bei dem großen Carl Dahlhaus promoviert. Seit 1968 lebt er in Berlin. Zusammen mit Peter Girth, dem früheren Intendanten der Berliner Philharmoniker, stellte er 1988 die kritische Rekonstruktion der Ausstellung „Entartete Musik“ zusammen, in der 50 Jahre nach der Originalausstellung bei den Reichsmusiktagen auch in Düsseldorf das ganze Elend nationalsozialistischer „Kultur“ und Ausgrenzung aufgearbeitet wurde. Mit dabei war 1938 Richard Strauss: Er dirigierte eigene Werke und wurde im Gespräch mit Goebbels fotografiert. Gleichzeitig wurden Musiker wie Ernst Krenek, Arnold Schönberg, Hanns Eisler, Kurt Weill und andere mehr vom NS-Regime verfolgt, aus den Konzertprogrammen vertrieben, noch andere kamen im KZ um (z. B. Gideon Klein, Erwin Schulhoff). Seitdem reist die Ausstellung um die Welt bis nach Los Angeles und Tel Aviv. 2007 wurde sie überarbeitet. Es entstanden englische und spanische Fassungen. Insgesamt wurde sie in mehr als 70 Städten gezeigt. Dank Albrecht Dümling und seinen Aktivitäten nimmt die Welt heute Deutschland anders war als zu Zeiten des NS-Funktionärs Dr. Hans Severus Ziegler, der die Originalausstellung 1938 organisiert hatte und nach dem Kriege noch bis 1962 als Lehrer auf Wangerooge wirkte.
 
Weitere Publikationen Dümlings entfalten ihre Wirkung in diesem Sinne: Wie der Musikverlag Schott zwischen „Anpassungsdruck und Selbstbehauptung“ einerseits von Wehrmachtsliedern und staatskonformen Märschen profitierte, andererseits aber auch jüdische Komponisten unterstützt hat, behandelte er in dem gleichnamigen Band. Zum hundertsten Geburtstag von Gideon Klein gab er den Symposiumsband „Torso eines Lebens – Der Komponist und Pianist Gideon Klein (1919-1945)“ heraus. Seit 1990 engagierte er sich für den Verein „musica reanimata“, der sich für NS-verfolgte Komponisten einsetzt und ihre Werke in das öffentliche Musikleben zurückholen will. Er sagte der Welt über die verfemten Künstler, was sie noch nicht wußte. Daß heute jüdische Komponisten wie Gideon Klein, Erwin Schulhoff oder Hans Krása wieder im Programm von Konzerthäusern auftauchen, ist maßgeblich dem Einsatz, der Kompetenz und auch der Hartnäckigkeit Dümlings zu verdanken. Sein Engagement für die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft (gegründet 1994) zielt in die gleiche Richtung. In der Laudatio zur Ordensverleihung bemerkte der Berliner Staatssekretär Dr. Torsten Wöhlert, daß Albrecht Dümling mit seinen Publikationen, Radiosendungen, seinen Büchern und seiner Forschung zu Aussöhnung, Annäherung und Verständigung beigetragen hat und ihm die Bundesrepublik Deutschland dafür zu großem Dank verpflichtet ist. Recht hat er.
 
„Wenn Musik die Nahrung der Liebe ist, spielt weiter; gebt mir im Übermaß davon ...
(William Shakespeare, Was ihr wollt 1. Akt, 1. Szene)