Aktfotografie

von Erwin Grosche

Foto © Klaus Schwartze

Aktfotografie
 
Herr Wildgraber war aufgebracht. „Es ist erstaunlich“, sagte er, „wie viele Frauen sich auf die Aktfotografie einlassen. Ich habe mal eine nackte Frau fotografiert, um meine Heimorgel besser präsentieren zu können. Das war nicht einfach, zumal ich wollte, daß man auch die Tasten erkennen konnte. Die Aktfotografie ist eine preisgünstige Angelegenheit, gerade wenn auf aufwendige Requisiten verzichtet wird. Ich würde als Aktmodell darauf achten, daß kein Obst im Studio plaziert wird. Ich habe schon Fruchtschalen gesehen, die im Zusammenhang mit einer nackten Frau unpassend wirkten. Wenn ich eine nackte Frau wäre, würde ich als Location verlassene Fabrikanlagen meiden. Aktmodelle, die frieren und sich einsam fühlen senden falsche Signale aus. Ich kenne Aktmodelle, die lassen sich anmalen, damit sie aussehen wie der Hintergrund, vor dem sie fotografiert werden. Das ist oft so perfekt gemacht, daß man manch nackte Frau nur erkennen kann, wenn man schon mal eine Frau nackt gesehen hat. Ich habe auch schon einen Hintergrund nach einer nackten Frau abgesucht, da stand überhaupt niemand. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich habe schon viel zu viel erzählt.“ Herr Wildgraber schaute sich um. Sein Bus kam.
 
 
© Erwin Grosche