Ein alter Kauz...
Vor 100 Jahren starb der Humorist, Maler und Dichter Wilhelm Busch. Die Bücher über ihn und sein Leben, die Werkausgaben und Biographien sind Legion. Zeit, sich einmal auf eine etwas andere Art mit dem Menschen und Künstler Wilhelm Busch auseinanderzusetzen. Gudrun Schury hat das getan und ein ganz erstaunliches Werk liegt nun schon seit 2007 auf dem Tisch: "Ich wollt, ich wär ein Eskimo" - eine Biographie aus anderem Blickwinkel. Wo bisher Hans Balzer das Bild der Busch-Rezeption bestimmte, wirft Gudrun Schury neue Schlaglichter. Wilhelm Busch war ein Querkopf - das unterstreicht seine Biographin bereits in der elegant einleitenden "Promenade", mit der sie in die sechzehn Bilder und neun weiteren überleitenden Promenaden einführt, in denen sie das Leben des unterschätzten oder sollte man sagen: falsch eingeschätzten zeichnenden und malenden Dichters aufzeichnet. Das Selbstportrait, welches den Schutzumschlag des Buches ziert, läßt daran keinen Zweifel, schon wenn man den Band zur Hand nimmt. In seinen 75 Lebensjahren war Wilhelm Busch zum knorrigen Hagestolz geworden, glücklos den Damen zugeneigt, dem Tabak und dem Alkohol durchaus zugetan - was sich deutlich in seinem Werk niederschlägt. "Nicht weniger als 22 Trunkenheitsepisoden listet die historisch-kritische Ausgabe der Bildergeschichten auf...". Es gibt viel Interessantes und Neues in Gudrun Schurys Buch, sehr originell ist die Beschäftigung im letzten, 16. Kapitel mit Verletzung und Tod in seinen Geschichten. Da hat er besonders viel Phantasie und Kreativität an den Tag gelegt. Das Kapitel schließt denn auch logisch mit Buschs eigenem, friedlichem Ende am 8. Januar 1908 und mit seiner eigenen, unbewußten Grabschrift, einem Gedicht, das er zu seinem 75. Geburtstag geschrieben hatte: Mein Lebenslauf ist bald erzählt, In stiller Ewigkeit verloren Schlief ich, und nichts hat mir gefehlt, Bis daß ich sichtbar ward geboren. Was aber nun? - Auf schwachen Krücken, Ein leichtes Bündel auf dem Rücken, Bin ich getrost dahingeholpert, Bin über manchen Stein gestolpert, Mitunter grad, mitunter krumm, Und schließlich mußt' ich mich verschnaufen. Bedenklich rieb ich meine Glatze Und sah mich in der Gegend um. 0 weh! Ich war im Kreis gelaufen, Stand wiederum am alten Platze, Und vor mir dehnt sich lang und breit, Wie ehedem, die Ewigkeit. Rund tausend Gemälde und zweitausend Zeichnungen hat er abseits seiner berühmten Zeichengeschichten hinterlassen, seine Gedichte haben nie ganz die Popularität seiner Bildergeschichten wie "Max und Moritz", "Die fromme Helene", "Plisch und Plum" oder "Hans Huckebein, der Unglücksrabe" erreicht. Doch gehört die Lyrik ebenso zu seinem Werk wie das Bild. Berühmt wurde vor allem die Sammlung "Zu guter Letzt", eine Auswahl von 100 aus 180 altersweisen Gedichten, die Busch seinem Verleger Bassermann 1903 anbot, 30 Jahre nach "Kritik des Herzens". Alle Aspekte des Werks und Lebens Buschs, die Zeichengeschichten, die sie sorgfältig und humorvoll analysiert, wie die Lyrik, deren Lebensnähe sie nachweist, die wirklich beachtliche Malerei und besonders aber seine Lebensgeschichte hat Gudrun Schury sensibel untersucht. Wir lernen schnell: Sein Werk war sein Leben, spiegelte und karikierte es, siehe Spalte rechts "Dem Krökelorden" → Gudrun Schury erzählt lebendig, mit wem Busch befreundet war (sein Freundeskreis war trotz seines Rückzugs in die Provinz enorm!), was er las, aß und trank - sie hilft besser als andere zuvor, den Mann und Künstler kennenzulernen. Einige seltene Fotografien runden das Bild. Ein umfangreicher Apparat im Anhang des Buches bringt eine humoristische Selbstbetrachtung Buschs als Antwort auf eine Biographie Eduard Daelens in der Frankfurter Zeitung Ende 1886, eine Chronik seines Lebens und Schaffens, einen akkuraten Nachweis der benutzten Zitate, ein Personenregister, ein Werkregister, ein Literatur- und ein Abbildungsverzeichnis. Gudrun Schury hat gründlich, sorgfältig und mit viel Liebe gearbeitet. Das Ergebnis ist eine trotz aller wissenschaftlichen Akkuratesse unterhaltsame Wilhelm Busch-Biographie, die nicht nach Lektüre und Rezension weggelegt, sondern Schulterschluß mit Buschs Werken nehmen wird. Eine seiner letzten Äußerungen im kalten Winter 1908 war: "Derweil wir wandeln, geht all das Gute, das wir nicht gethan und all das Liebe, was wir nicht gedurft, ganz heimlich leise mit uns mit, bis daß die Zeit für dieses Mal vorbei. Es weht der Wind; das Schneegestöber hüllt mit Wald und Feld und Garten ein. Ich wollt, ich wär ein Eskimo...". So mit Informationen ausgestattet nehmen wir sie noch einmal mit tieferen Gedanken und neuem Vergnügen zur Hand: "Allotria", "Aus früher Zeit", "Der heilige Antonius von Padua", "Der hastige Rausch", "Der Virtuos", "Die Entführung aus dem Serail", "Schnurrdiburrr", "Dideldum", "Tobias Knopp", "Die Kirmes", die "Schöpfungsgeschichte" und all die bereits oben genannten. Sehr zu empfehlen. |
Gudrun Schury
Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch
Biographie © 2008 Aufbau-Verlag
412 Seiten, gebunden, Lesebändchen, ill. Vorsatzpapiere,
einige s/w-Illustrationen im Text, 16 Seiten Farbillustrationen in der Buchmitte ISBN 978-3-351-02653-0
24,95 € *) / 47,60 Sfr
Weitere Informationen unter: www.aufbau-verlagsgruppe.de Dem Krökelorden
Ein alter Kauz, im hohlen Baum
Vertieft in seinen Tagestraum,
Doch aufgewacht durch lautes Pochen
Von Meister Specht und durch die Lieder
Der Vöglein, ist hervorgekrochen
Und spricht also:
Ihr Waldesbrüder!
Die Welt, das läßt sich nicht bestreiten,
Hat ihre angenehmen Seiten;
Sie liefert Körner, Käfer, Mäuse
Zum Wohlgeschmack in jeder Weise
Und geht auch wohl so bald nicht unter.
Ich grüße euch; bleibt nur hübsch munter
Und macht euch möglichst viel Pläsier.
Doch ich, der alt und kalt geworden,
Ich passe nicht in euren Orden;
Mir ziemt die Ruhe. Gönnt sie mir.
Und als der Kauz also gesprochen,
Ist er zurück ins Loch gekrochen.
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