Eine bessere Welt ist nicht in Sicht

„The world to come“ von Mona Fastvold

von Renate Wagner

The World to come
USA - 2020

Regie: Mona Fastvold
Mit: Katherine Waterston, Vanessa Kirby, Casey Affleck, Christopher Abbott u.a.
 
Männliche Homosexualität ist schon seit langem ein breit aufgestelltes Thema auf der Filmleinwand, die lesbischen Schicksale ziehen nun erst nach – oft in Filmen, die von Frauen gestaltet werden. Denkt man allerdings an die letzten Beispiele dieser Art, kommt der gegenwärtige Film „The World to Come“ der norwegischen Regisseurin Mona Fastvold nicht allzu gut weg.
Das „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (Céline Sciamma / 2019), „Ammonite“ (2020, wird bei uns hoffentlich noch anlaufen, hier führte mit Francis Lee ein Mann Regie) oder „Kiss Me Kosher“ (2020 / Shirel Peleg) haben der trübseligen amerikanischen Geschichte nicht nur Temperament, sondern auch Überzeugungskraft in der Gestaltung voraus.
Dabei wäre die Voraussetzung für eine Geschichte, in der zwei Frauen in einer Männergesellschaft einander gewissermaßen „tröstend“ finden (und auseinander gerissen werden), durchaus überzeugend.
 
Man wird 1856 in ein ländliches Amerika versetzt, einsame Höfe, wo die dort lebenden Farmer versuchen, mehr oder minder von der Hand in den Mund zu leben. Harte Arbeit, nichts sonst.
Die Nicht-Heldin Abigail hat sich als junges Mädchen auch einst ein aufregenderes Leben vorgestellt – jetzt hat es sich auf „farming“ reduziert. Auch hat sie ihre einzige Tochter im Kindesalter an die Diphtherie verloren, ist in Depressionen gestürzt und zeigt sich nicht aufgeschlossen für die Wünsche ihres an sich schweigsamen und mürrischen Gatten, ein anderes Kind zu bekommen.
Wir erfahren all das von Abigail selbst, die das in mühselig schleppendem Tonfall, der sich nie ändert, den ganzen Film hindurch erzählt. Es handelt sich um ihre Aufzeichnungen in einem Buch, das der Gatte sie anlegen ließ, um die Fakten der Farm festzuhalten. Für sie wird es nach und nach ein Tagebuch – und die Müdigkeit ihrer Figur überträgt sich auf alles, auf die Bilder (anfangs Winter, trüb, halbdunkel, düster, später nur wenig freundlicher bei besserem Wetter) und vor allem auf die Stimmung des Films. Zweifellos hat die Regisseurin dies als „künstlerisches“ Mittel gewählt, um das ausweglose Frauenelend so richtig plastisch zu machen. Der Kinobesucher hat allerdings Mühe, nicht dabei einzuschlafen.
Immerhin taucht dann Tallie auf, die neue Nachbarin, eine schöne Frau mit etwas mehr Lebendigkeit, aber nur etwas: Auch sie ist eine unglücklich verheiratete Farmerin, aber immerhin blühen die beiden Frauen im Kontakt miteinander minimal auf. Tallie ist es auch, die es wagt, Gefühle zu formulieren, ja, und dann kommt es zur lesbischen Beziehung.
Keine Frage, daß die Ehemänner geringfügig entzückt sind, Tallies Gatte bringt sie weg, Abigail verzweifelt… und eine bessere Welt ist nicht in Sicht.
 
Würde man das Ganze auch als „skandinavisch“ empfinden, wenn man die Herkunft der Regisseurin nicht kennte? Seltsam, daß zwei zweifelsfrei starke Persönlichkeiten wie Katherine Waterston und Vanessa Kirby als Abigail und Tallie sich nicht wirklich entfalten können, weil sie von der Regisseurin in solch spannungsvoll gemeinter, aber eigentlich durchhängenden Stille gehalten werden. Die Ehemänner (Casey Affleck und Christopher Abbott) bleiben am Rande.
Man muß schon mit sehr viel gutem Willen an diesen Film herangehen, um dem letztlich formalistischen Zugang der Regisseurin Bewunderung entgegen zu bringen, was allerdings in manchen Rezensionen auch geschehen ist.
 
 
Renate Wagner