Verluste - Abschiede

„Die Sinnlichkeit der Schmetterlinge“ von Priscilla Cameron

von Frank Becker

Verluste - Abschiede
 
„Die Sinnlichkeit des Schmetterlings“ von Priscilla Cameron
(The Butterfly Tree)
 
Buch und Regie: Priscilla Cameron
Mit:
Melissa George, Ed Oxenbould, Ewen Leslie, Sophie Lowe
und Ella Jaz Macrokanis
 
Der auf eine merkwürdig magische Art fesselnde, von Melancholie wie von giftigem Efeu überwucherte Film „Die Sinnlichkeit des Schmetterlings“ (The Butterfly Tree –

Ed Oxenbould
wieso befleißigen sich deutsche Herausgeber immer wieder, reißerische Titel zu erfinden?) erzählt etwas zu süßlich die berührende Geschichte des 13-jährigen introvertierten Fin (Ed Oxenbould), der mit seinem verwitweten Vater, dem lustlos unterrichtenden College-Lehrer Al (Ewen Leslie) in einer zeitlos idyllischen namenlosen Kleinstadt Australiens lebt.
Smartphones und Internet gibt es nicht, fotografiert wird analog mit Negativfilm. Es ist die Zeit des Erwachens und der Trauer, in der Fin einerseits intensiv und poetisch auf Altären seine verstorbenen Mutter verehrt, andererseits Zuneigung zu einer Unbekannten faßt, die ihn in ihrer Erscheinung zwar an seine Mutter erinnert, die ihn aber auch erstmals erotisch fasziniert. Wir erfahren später, daß Fins Mutter sich erhängt und der kleine Sohn sie gefunden hat – ein kaum zu beschreibendes Trauma.
 
Fin liebt Schmetterlinge, hält und züchtet sie in einem großen, an einem Baum befestigten Gaze-Zelt. Da drin und in einem Versteck im nahen Wald träumt er von seiner schönen Mutter – bis er eben Evelyn (Melissa George) durchs Fenster ihres Hauses beobachtet wie sie sich in einem sinnlichen Tanz in einem funkelnden Schmetterlingsumhang dreht und Fotos ihres Körpers macht. Er lernt die liebenswürdige junge Frau kennen, die einmal Schönheitstänzerin war und jetzt einen pittoresken Blumenladen hat, kann einmal einen kurzen Blick auf ihre göttlichen, makellosen Brüste erhaschen (die von Anfang an zentrale sinnliche Bedeutung haben) und verfällt ihr, auch ihres heiteren Wesens wegen, in jugendlicher Hingabe. Sie schenkt ihm einen Fotoapparat er fotografiert sie und mopst den Film, den sie mit ihren eigenen Bildern gefüllt hat. Von den Fotos ist Fin ebenso fasziniert wie von Evelyn selbst.


Melissa George (Evelyn) - Ein Abschiedstanz

Der Zufall führt auch seinen Vater zu Evelyn (es ist wie gesagt eine Kleinstadt), der sich in der Phase der Trennung von der sexhungrigen Studentin Shelly (Sophie Lowe) befindet und dieser Affäre wegen gefeuert wird. Es kommt zum Konflikt zwischen Vater und Sohn, Fin verleumdet Al, um Evelyn für sich zu haben, und beide zerstören das jeweils wichtigste weltliche Gut des anderen. Die sich derweil zuspitzende entsetzliche Tragödie Evelyns spüren beide nicht: Evelyn muß sich einer Krebs-Operation unterziehen, bei der ihr beide wunderschönen Brüste abgenommen werden. Das Gefühlschaos aller drei, vondenen sich keiner dem anderen öffnet, wird in greifbarer Dichte vermittelt.
 

Melissa George - Traumsequenz im Blumenladen

Fesselnd schöne Schmetterlings-Bilder voller Poesie, mystische Traumsequenzen, verwunschen Momente und dramatische Rückblenden konkurrieren in diesem merkwürdigen Film voller tragischer Verluste und Abschiede mit irritierenden Zeitsprüngen und ganz schlechtem Schnitt. Das vage ein mögliches glückliches Ende andeutende Schlußbild befremdet ein wenig, kollidiert es doch mit der Größe der Tragik des Stoffes in dessen Zentrum neben Fin einzig und allein Evelyn steht - weshalb wir fast nur ihre Bilder zeigen. Al, Shelly, fast alle anderen - nur Beiwerk. Eine wie ich finde wichtige, wenn auch ganz kleine Rolle hat jedoch Ella Jaz Macrokanis als Corinne, ein Mädchen in Finns Alter, das ihn offensichtlich sehr mag, wovon der verträumte Knabe aber nicht im geringsten Notiz nimmt. Sie gewinnt durch ihre offene Art und ihre Zugewandtheit. Priscilla Camerons Film überzeugt trotz einiger Magie nicht ganz.
 

Melissa George - Die Sinnlichkeit des Schmetterlings

Die Sinnlichkeit des Schmetterlings (The Butterfly Tree)
(Digital-Early EST: t.b.a. 2021/VoD-/BD-/DVD-VÖ: 22.07.2021;
Deutsch/Englisch mit dt. UT; Nameless Media)
Laufzeit: 97 Minuten