Virus im Außendienst

von Detlef Färber

Detlef Färber - Foto © Silvio Kison
Virus im Außendienst
 
Stark vergrößert sieht das Ding aus wie ein Nadelkissen. Und so funktioniert das Virus auch: nämlich nadelartig. Im Minutenabstand piekt es seine Opfer in die Brust. Und dann ist es immer so, als müssten die Virus-Wirte - also wir - diese Nadelkissennadeln alle einzeln wieder aushusten. Bis hierhin klingt die Sache noch ziemlich ungesellig. Doch was folgt, geht auch alle anderen an. Denn das Grippe-Virus schafft gleichzeitig zweierlei. Und es schafft sogar Gegensätzliches: Es schafft um sich rum ein Wir-Gefühl und ein Ihr-Gefühl: Wir mit dem Virus. Und ihr ohne. Oder umgekehrt. Wo man sich da einreihen darf oder muß, das entscheidet sich blitzschnell. Denn mit raketenartigem Tempo geht das Virus vom Hals seines Wirtes aus auf Akquise. Es piekt sich in seinem Gegenüber fest und macht sich ihm zu eigen. Oder ihn sich! Und wohl schon tags darauf geht das Virus dann von seinem neuen Basislager - also von uns aus - erneut auf Außendienst. Was für eine Strategie!
 
Inzwischen neiden alle anderen Außendienstler diesen reisenden Gesellen die Erfolge. Dabei täten sie besser daran, die Taktik der Viren mal gründlich zu studieren. Denn die ist so wirksam, wie sie sparsam ist: Viren reisen nicht selbst, sondern sie fahren per Anhalter. Sie schleimen sich auch nicht ein: weder bei ihrem Chauffeur, noch bei ihrem nächsten Wirt. Denn beide sollen ihren Schleim im Nasen-Rachen-Raum ja gefälligst selber bilden: Also buchstäblich ihren Rotz selber produzieren. Und sogar mit Argumenten geizen diese Viren. Wo alle Akquisiteure sich sonst den Mund fusselig reden müssen, um mal bei anderen zu landen, begnügt sich das Virus immer nur mit seinem einen, einzigen Nadelstich.
 
Besonders raffiniert agieren Viren übrigens bei Haustürgeschäften. Weil sie ja ihre Leistung immer sofort erbringen, sind Grippe-Verträge mit Neukunden auch ohne Unterschrift wirksam. Und damit entfällt beim Kunden sogar das Recht auf Widerruf.
 

© Detlef Färber