Kompromißlos hardboiled

Paul Cleaver – „Blutbringer“ (Whatever it takes)

von Frank Becker

Kompromißlos hardboiled
 
Ein blutiger, böser Thriller
 
Vor 12 Jahren setzte Deputy Noah Harper in Acacia Pines seine Karriere und sein bürgerliches Leben aufs Spiel, um die entführte siebenjährige Alyssa Stone zu finden und zu befreien. Er foltert einen Verdächtigen, um das Versteck des Mädchens herauszufinden. Es gelingt ihm, das Kind zu retten, aber er verliert wegen seiner Methoden seinen Job und seine Familie. Zwölf Jahre nachdem er die kleine Stadt verlassen und sich fernab eine neue Existenz aufgebaut hat, erreicht ihn ein Anruf, der ihn zwingt ein Versprechen einzulösen, das er der kleinen Alyssa damals gegeben hat – sie vor dem bösen Mann zu beschützen. Alyssa, jetzt 19 Jahre alt, ist unter merkwürdigen Umständen wieder verschwunden.
 
Noah Harper kehrt also nach Acacia Pines zurück, wo er von Anfang an von seinen meisten alten Bekannten Gegenwind bekommt. Weil aber Alyssas Adoptivvater und Noahs Exfrau Maggie ihn überzeugen, daß Alyssa nicht freiwillig verschwunden ist, verbeißt er sich allen Warnungen zum Trotz in seine Ermittlungen, wird bedroht, gemieden und verfolgt, muß jede Menge Prügel einstecken und man trachtet ihm nach dem Leben. Doch es gibt auch ein paar Leute, die im glauben und ihn unterstützen. Auf sich alleine gestellt – sein früherer Partner Drew, der jetzt Sheriff ist, hilft ihm nicht – stemmt sich Harper gegen das Böse, das in Acacia Pines lauert.

Paul Cleave hat mit „Blutbringer“ – übrigens ein selten dämlicher effektheischender Titel, wieso hat man nicht den sicher sorgfältig gewählten Original-Titel „Whatever it takes“ übersetzt? – einen unerhört aufregenden, dichten Thriller hingelegt, einen Roman von hohem Tempo und nicht für jeden Leser erträglicher Brutalität. Doch es ist ein echter Pageturner mit raffinierten Neben-Handlungssträngen, der einen nicht losläßt. Um jeden Preis will Noah Harper, durch dessen Augen wir die Geschehnisse erleben, sein Versprechen einlösen und Alyssa wie auch die kurz darauf ebenfalls entführte 19jährige Charlotte finden, und um jeden Preis wollen die Entführer das verhindern. Harper stößt auf organisiertes Verbrechen von fassungslos machender Brutalität, folglich konfrontiert das Buch den Leser mit viel Gewalt, sehr viel Blut, noch mehr Gemeinheit und völliger Rücksichtslosigkeit, zunächst „nur“ der Bösen, dann aber auch des an seine moralischen Grenzen stoßenden Racheengels Harper.
 
Paul Cleave legt dem Leser viele falsche Spuren, aber auch richtige, die nicht gleich als solche erkannt werden und scheinbar richtige, die sich dann doch als falsch erweisen. Er zeichnet interessante Figuren, die ab und zu nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen. Er hält die Spannung über die gesamten 487 Seiten des Romans auf fiebernder Höhe, setzt seinen Anti-Helden gleichermaßen unter Adrenalin wie den Leser, läßt die Angst der Opfer und die Wut anderer fühlen, er führt an Abgründe und er läßt nicht immer das Gute siegen. Ich werde mich hüten, hier mehr über Hintergründe, Motive und Abläufe, schon gar nicht über das Ende zu erzählen. Nur soviel: Es ist ein ungemein spannender Roman, kompromißlos harboiled, voller Überraschungen und Thriller-Fans sehr zu empfehlen. Paul Cleave wird nicht umhin kommen eine Fortsetzung zu schreiben.
 
Paul Cleave – „Blutbringer“
(Whatever it Takes) Thriller – aus dem Englischen von Robert Brack
© 2021 Piper Verlag, 487 Seiten, Broschur – ISBN: 978-3-492-31704-7
13,- €
Weitere Informationen: www.piper.de