Das liebe Geld

Eine Annäherung in sieben Schritten (6)

von Johannes Vesper

Das liebe Geld
 
Eine Annäherung in sieben Schritten (6)
 
von Johannes Vesper


Geld und Magie: Moderne Wirtschaft = Alchemie?
 
Von ernsthaften Ökonomen wird die moderne Wirtschaft als alchemistischer Prozeß gedeutet. Hans Christoph Binswanger, Nationalökonom und Prof. für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen, z.B. deutet und kritisiert die moderne Wirtschaft in seinem Buch „Geld und Magie“ und stellt fest, daß sich der Traum vom unbegrenztem Fortschritt und endloser Reichtumsvermehrung bei steigenden Temperaturen, zunehmenden Umweltkatastrophen, und manifesten Epidemien inzwischen als höchst gefährlich erweist.
 
Südlich von Freiburg zu Staufen Im Gasthaus zum Löwen verstarb 1539 dort elendiglich Dr. Faustus „so ein wunderlicher Nigromant, … von dem gesagt wurde, „der obersten Teufel einer, der Mephistopheles, den er zu Lebzeiten seinen Schwager genennet hat, habe ihm, nachdem der Pact von 24 Jahren abgelaufen, das Genick gebrochen, und seine arme Seele der ewigen Verdammnis überantwortet“.

Faust war demnach Nigromanta, ein Zauberer, ein Schwarzkünstler, also einer, der die schwarze Kunst beherrschte. Er konnte künstliches Gold herstellen, glaubte, hoffte Fürst Anton von Staufen, dessen Burg noch heute über dem Städtchen thront. Zum Herstellen künstlichen Goldes brauchte man den Stein der Weisen, denn nur mit dessen Hilfe konnte man zu Zeiten des Dr. Faust aus Blei Gold herstellen. Bei den alten Ägyptern benötigte man dazu die 4 Grundelemente oder Grundessenzen: Feuer, Wasser, Luft und Erde, durch deren Mischung die 5. Essenz, die Quintessenz gebildet wurde, aus der der Stein der Weisen besteht.

Mit fortschreitender Wissenschaft hielt man die Alchemie später für Aberglauben, und gab sie auf, weil man inzwischen wußte daß eine Vermehrung des Reichtums durch Verwandlung einer wertlosen Substanz (Blei) in Gold im Bereich der Ökonomie viel problemloser und effizienter funktioniert, sich das Mischen und Kochen im schwarzen Laboratorium als zu mühsam und unnötig erwiesen hatte. Wenn man im modernen Wirtschaftsprozeß zu Geld kommen kann, ohne es vorher verdient zu haben, wenn also bei der Wertschöpfung der modernen Wirtschaft sozusagen ein Kaninchen aus einem leeren Zylinder herausgeholt werden kann, das vorher nicht darin war, dann hat das etwas von Zauberei und Magie.
 
Ursprünglich war es die Arbeit, mit der für alles bezahlt wurde: Nicht für Gold oder Silber, sondern für Arbeit ist aller Reichtum der Welt ursprünglich ge- und verkauft worden, schrieb Adam Smith 1776 in seinem berühmten Werk über den Reichtum der Nationen. Damit begründete er die moderne Nationalökonomie. Worin besteht der Reichtum des Staates, der Gesellschaft? Wie reich waren die alten Inka in Südamerika, die Gold in Hülle und Fülle hatten? Das hat ihnen gegen Pizarro und Kolumbus nicht geholfen. Gut gelaunt waren sie auch nicht immer.
 

Goldmaske Museum Lima - Foto © Johannes Vesper
 
Francisco Pizarro hat den Inka-König Atahualpa umgebracht (1533), obwohl er die verlangten, unermesslichen Goldschätze an die Spanier übergeben hatte, womit u.a. die goldene Decke von Santa Maria Maggiore in Rom und diese Jesuitenkirche in Quito vergoldet worden ist. Heute sind die südamerikanischen Länder diejenigen mit den meisten Staatsbankrotten, seit 1900 allein 7 Staatsbankrotte in Brasilien.
Die Nationalökonomie von Adam Smith ist eine Grundlage unseres heutigen Denkens, wurde allerdings dadurch modifiziert, daß der Begriff der Arbeit erweitert worden ist. Kapital als Ergebnis von Konsumverzicht und technischer Fortschritt als Ergebnis von Forschung und Entwicklung kamen zur Arbeit dazu. Wertschöpfung durch Leistung ist das Credo der klassischen Nationalökonomie. In uralten Zeiten beruhte die Bezahlung der Güter auf Tausch (Orgel gegen beesters in Rysum), aber bald entstand das Bedürfnis nach einem Werteäquivalent, welches erst bei einem späteren Tausch eingesetzt werden konnte, also nach Geld. Als Geld dienten zunächst Muscheln, oder Schmuckstücke und setzte sie als sogenanntes Warengeld ein. Die ersten Münzen wurden im 7. Jh v. Chr. von den Lydern Kleinasiens hergestellt. Die alten Römer hatten ein ausgeprägtes und hochentwickeltes Münzsystem. Das erste Papiergeld ersetzte im 11. Jhd. in China das Münzgeld. Das erste Papiergeld in Europa wurde 1483 ausgegeben, 10 Jahre nach der Gründung der ältesten noch existierenden Bank Europas: Monte dei Paschi. Die Bank von Amsterdam begann 1609 mit dem Druck von Buchgeld, welches den Zahlungsanspruch des Kunden gegenüber der Bank dokumentiert. Die Entgoldung des Geldes wurde während des 30jährigen Krieges fortgesetzt, indem zunehmend billigeres Material (Blei und Kupfer) den ursprünglichen reinen Silbermünzen untergemischt wurde. Geld wurde zur Finanzierung des 30jährigen Krieges ohne Ende benötigt. Beim Papiergeld setzte sich die Entgoldung des Geldes fort. Heute wird Geld völlig nach völliger Entgoldung durch Papier zusätzlich entmaterialisiert und als elektronisches Geld auf der Geldkarte gespeichert. 2008 entstanden Kryptowährungen, darunter Bitcoins. Von Schattengeldsystem ist die Rede. China hat einen „E-Yuan“ bereits am Start, die EZB den E-€ wohl erst ab 2026. Bei inzwischen beinahe 10.000 unterschiedlichen E-Währungen kann zwischen Betrug und Reformversuchen des Finanzsystem nicht mehr unterschieden werden. Zusätzlich wird in diesen sogenannten Währungen die Klimasünde quasi institutionalisiert. Computer verbrauchen für Bitcoin-Transaktionen jährlich rund 134 Terawattstunden Strom, das ist ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs (Handelsblatt 06.05.21). Aber zurück zum Papiergeld. Mit Papiergeld beginnt die moderne Ökonomie: Das Kaninchen wird aus dem Zylinder gezaubert bzw. Reichtum vermehrt durch Umwandlung einer wertlosen Substanz in eine wertvolle.
Jetzt tritt John Law auf die Weltbühne. Er wurde 1671 in Schottland geboren, war als Kind schon ein brillanter Kopfrechner und verdiente zunächst Geld als Glücksspieler. Weil er beim Duell seinen Gegner tödlich traf, wurde er zum Tode verurteilt und floh aus England nach Frankreich, wo er sich als Glücksspieler ein weiteres Vermögen erspielte. Zuletzt wurde er zum Chef der Banque Générale in Paris ernannt. Als Freund von Ludwig XV bekam er die Aufgabe, die bankrotten französischen Staatsfinanzen zu retten. Er strukturierte sogleich um - damals wie heute das Mittel der Wahl fürs Sanieren -, vereinigte die französische Ostindien- mit der französischen Westindienkompanie, faßte also alle Kolonialaktivitäten des französischen Staates zusammen. Mit Buch-Papiergeld, das „durch den Grund und Boden der Kolonien gedeckt sein würde, werde der eigentliche Wert des Landes beweglich gemacht und in Umlauf gebracht.. Das Papiergeld sei sogar wertbeständiger als Silber“, versicherte er.


Jean Baptiste Le Moyne de Bierville 1680-1767, gründete 1718 New Orleans
(Foto © J. Vesper)

Dann gründete er die Mississippi-Compagnie und wollte damit Amerika und Kanada kolonisieren. Er druckte zusätzlich zum Geld noch Aktien. Die erlebten einen Boom, stiegen in kurzer Zeit von 500 auf 18000 Livres. Bald gab es in Paris 800 neu gebaute Kutschen. 500 große Schiffe wurden gebaut für den zu erwartenden Warenverkehr zwischen Frankreich und Amerika, 1718 wurde eigens New Orleans gegründet, um den Warenverkehr zu bewältigen. Die Inflation stieg und stieg wie dann auch Rückforderungen. John Law als Generalkontrolleur der Finanzen versuchte sein System zu retten. Der Wert von Gold und Silber wurde plötzlich nach dem Bedürfnis der Bank verändert; die Ablieferung von Edelmetallen befohlen, der Besitz von Kleinodien unter Strafe gestellt, die Herstellung von Tafelsilber untersagt, ja, sogar der Besitz von Bargeld, soweit über 500 Livres verboten, zu allerletzt wurde der Wert der Bank-Zettel auf die Hälfte herabgesetzt. Es kam infolge dieser Spekulationsblase zu einer der größten Finanzkrise der Welt. John Law mußte fliehen. In Frankreich ist die Entgoldung des Geldes 1720 also schief gegangen.
Aber nicht so in England, wo schon 1694 die Bank of England gegründet worden ist - 4 Jahre nach der englischen Gründung von Kalkutta. Der Ökonom William Petty (Quantulumcumque Concerning money) hatte die auf die Frage „Welches Heilmittel gibt es, wenn wir zu wenig Geld haben“ geantwortet: „Wir müssen eine Bank gründen, die recht geschätzt, die Wirkung unseres gemünzten Geldes fast verdoppeln …und eine genügende Geldmenge bereitstellen wird, um den ganzen Geldhandel zu finanzieren“. Diese Gründung ist eine der Grundlagen des englisch dominierten Welthandels.
 

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Redaktion: Frank Becker