Das liebe Geld

Eine Annäherung in sieben Schritten (1)

von Johannes Vesper

Tilmann Riemenschneider: Heilig-Blut-Altar in
St. Jakob / Rothenburg ob der Tauber (Foto J. Vesper)
Das liebe Geld
 
Eine Annäherung in sieben Schritten (1)
 
von Johannes Vesper
 
Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, daß ein Mensch
aufgrund seines großen Vermögens im Überfluß lebt.
(Lukas 12,15)
 
Geld regiert die Welt“. Nullzinsen, Staatsverschuldung ohne Ende und beim Bäcker wird ein 200,- €-Schein nicht angenommen. Was ist überhaupt mit dem Bargeld? Das unsichere Giralgeld der Geschäftsbanken entsteht durch Kreditvergabe derselben und verwandelt sich beim Abheben vom Bankautomaten in sicheres Zentralbankgeld. Was ist mit digitalem Bargeld? Das kann programmiert und dann nur benutzt werden in bestimmten Regionen und/oder mit Verfallsdatum. Da kommt man ins Grübeln.
Schon in der Bibel gibt es zahlreiche Texte zum Thema Geld. Timotheus meinte, Geld sei die Wurzel allen Übels. Heute denkt man da anders. Aber Geld ist jedenfalls ein Problem: Hat man keines, geht es einem eher schlecht. Hat man viel, weiß man gerade heute nicht, was man damit machen soll. Schon der Bibel war das Geld suspekt.
Eine systematische Darstellung ist hier nicht beabsichtigt, eher werden unsystematisch einzelne Aspekte vorgetragen.
 
1. Geld im Mittelalter
 
Der Altar Tilmann Riemenschneiders in Rothenburg ob der Tauber (s.o.) zeigt merkwürdigerweise in der Mitte des Tafelbildes nicht Jesus, sondern Judas mit dem Geldsäckel. Welch schöner alter Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Geld, Glauben und Betrug. „Judas gehört der übelsten Sorte Händler an, den Wucherern, die Jesus aus dem Tempel verjagte, sie setzen ihre Hoffnung in Reichtümer, wollen, daß das Geld gefügig macht und siegt“ heißt es in einer berühmten mittelalterlichen Handschrift, dem Hortus Deliciarum (12. Jahrhundert).
Im Mittelalter war Habgier eine der 7 Todsünden und Armut ein von Jesus Christus verkörpertes Ideal. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in das Reich Gottes kommt!“ (Matthäus 19,24). Und schon im Alten Testament möchte der Wucherer, ohne zu arbeiten und selbst im Schlafe, einen Gewinn erzielen, … alles andere als „im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen“ (Genesis 3/19).
 

Dante Alighieri (1265-1321), Göttliche Komödie: Pluto bewacht den Eingang zum 7. Kreis der Hölle,
wo die Geizhälse und Verschwender, die Unmäßigen im Nehmen wie im Verschleudern darben.

Reichtum und Seelenheil schlossen sich im Mittelalter erstmal aus. Das Geld zog den reichen Mann - reiche Frauen gab es damals nicht so viele - nach seinem Tod in die Hölle hinab. In Dantes göttlicher Komödie sitzen die reichen Wucherer im 7. Kreis der Hölle: „Sie …..wehren sich vor Flöhen, Mücken oder Bremsenstichen. … Post mortem galt Reichtum damals offensichtlich als schlimmes Schicksal.
Aber im Mittelalter entwickelte sich trotzdem nach 1200 unter dem Einfluß großer Messen vor allem in der Champagne (Provins, Troyes) die Geldwirtschaft erheblich. Neben der Landwirtschaft wurden in neu gegründeten Städten zunehmend Gewerbe und das Handwerk tätig. In Paris baute man unter dem großen Philipp II August (1180-1223) die Großmarkthallen. Im Norden entwickelte sich die Hanse von Flandern bis zum Baltikum, von Gent, Brügge, über Hamburg, Lübeck (gegr. 1158) bis nach Riga (gegr. 1201) Stockholm (gegr. 1251). Die andere wichtige Region war Oberitalien mit Mailand, Venedig, Genua u.a., von wo aus auch die Schwarzmeeranrainer beliefert wurden. Von Kaffa aus (Krim) wurde mit einem Genueser Schiff die Pest nach Mitteleuropa eingeschleppt (1347). Dort hatte man Leichenteile von Pestkranken auf den Gegner katapultiert, also sozusagen erstmalig eine biologische Kriegsführung erprobt. In Folge des florierenden Handels verbreitete sich die Pest von dort aus- und über ganz Europa. Es gab 25 Millionen Tote, ca. 1/3 der damaligen Bevölkerung kam um. Also schon im 14. Jh. wurde die Gefahr globalisierten Handels deutlich, und wie gefährlich Welthandel auch heutzutage ist, haben wir im letzten Jahr selbst mit der Einschleppung des Corona-Virus aus China erlebt.
 
Um 1300 und davor gab es noch keine Banken, und dem einzelnen Christen war das Ausleihen von Geld verboten. Klöster und

Statue des Albertus Magnus (Ferdinand von Miller 1881)
auf dem Marktplatz von Lauingen/Donau (Foto J. Vesper)
Orden spielten aber trotzdem für den sich entwickelnden Geldumlauf eine bedeutende Rolle. Albertus Magnus (geboren in Lauingen/Donau, Ϯ 1280 in Köln, hatte auch nichts gegen Geld, predigte sich zu Fuß durch Deutschland und lobte in seinen sieben Augsburger Predigten die reichen Kaufleute, die die Stadt mit dem Nötigsten versorgten. Er hielt den zentralen Marktplatz der Stadt für ein Abbild des Paradieses auf Erden und hielt Habsucht und Geiz nicht für das Größte unter den 7 Hauptlastern.
Der Bau der Städte mit Rathäusern, Stadtmauern und vor allem Kathedralen verschlang damals viel Geld, welches durch das Einführen von Steuern gesammelt wurde. Dabei wurde der zuvor übliche Tauschhandel natürlich nicht von jetzt auf gleich abgeschafft. Noch um 1450 wurde die inzwischen zweitälteste, immer noch spielbare Orgel Deutschlands - das ist die von Rysum in der Krummhörn - nicht mit Geld, sondern mit „vetten Beesters“ (Rindern) bezahlt, die man damals per Kahn über die Emsmündung nach Groningen geschafft hat.
Die Ausbreitung von Münzgeld wurde begünstigt durch die Entwicklung der Silberbergwerke und des Silberbergbaus, der vor allem in Deutschland Fahrt aufnahm. Das Zentrum des deutschen Silberbergbaus war die Region um Freiberg in Sachsen, wo es um 1240 schon 40 Münzprägeanstalten gab. Die ersten Goldgulden Europas tauchten wenig später in Genua und Florenz auf. Wegen der Regionalisierung des Münzgeldes – jedes kleine Fürstentum prägte eigenen Münzen - wurde bald Geldwechsel erforderlich. Geld wurde zunehmend benötigt um Lebensmittel, Getreide und Kleidung kaufen zu können.
Die Reichen vermieden schon damals Steuern. Die 670 reichsten Bürger der Stadt Amiens stellten 25% der Bevölkerung und zahlten nur ein Achtel der Weinsteuer. Infolge zunehmenden Geldverkehrs blieben soziale Probleme nicht aus. Weberaufstände wurden in Lübeck bekannt. Historiker von einer kommerziellen Revolution des 13. Jahrhunderts.
Und schon damals gab es das Problem der Geldanlage. Markgraf Otto von Meißen bezifferte sein Vermögen 1189 auf mehr als 30.000 Silberbarren. Wie hat der sein Geld angelegt? Er kaufte Ländereien, finanzierte Stadtmauern und hinterlegte 3.000 Silbermark im Kloster Zella. Das Geld sollte nach seinem Tod an die umliegenden Kirchen verteilt werden. Dieser Otto von Meißen wollte etwas für sein Seelenheil tun und hoffte auf diese Weise der Hölle zu entgehen. Warren Buffett, der mittlerweile 90 Jahre alte Ur-Kapitalist, nahm sich ein Beispiel an Otto von Meißen und verpflichtete sich, 99% seines Vermögens von 96 Milliarden Dollar bei seinem Tode für gemeinnützige Zwecke zu spenden. Das Problem des Seelenheils der Reichen betraf damals aber nicht nur den Markgrafen Otto. Geldleihe gegen Zins und Wucherzinsen breiteten sich in der Folge der kommerziellen Revolution zunehmend aus. Die Fugger finanzierten später in großem Stil die europaweiten Feldzüge Karls des V. Da nahm das Bedürfnis nach Beichte und Absolution zu. Auch reiche Kamele wollen durchs Nadelöhr in den Himmel und nicht in die Hölle; denn die „Menge des Geldes, das sie durch Wucherzins erwirtschaften, entspricht der Menge Holz, die dem Höllenfeuer aufgelegt wird, in dem sie verbrennen sollen“. Die Reichen packte zum Lebensende die nackte Angst. Sie wollten nicht in aller Ewigkeit im Höllenfeuer geröstet werden. Diesem Wunsch trug die Theologie Rechnung, rechtfertigte schrittweise den Geldverleih gegen Zinsen und erfand eigens für Kreditgeber und Banker das Fegefeuer, in welchem der sündige Wucherer nur zeitweise geschmort werden mußte, um der ewigen Hölle zu entkommen.
 

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Redaktion: Frank Becker