Skrupellos

Remo Kroll und Frank-Rainer Schurich - „Mörderfrauen“

von Frank Becker

Skrupellos
 
Frauen als Mörderinnen
zu Zeiten der DDR
 
Was treibt eine Frau dazu, den Sohn ihres Lebensgefährten zu erschlagen und die Wohnung in Brand zu setzen? Wie weit geht eine andere Frau, um den zu einer Jüngeren gewechselten begehrten schwarzen Sexpartner zurückzubekommen? Und was muß geschehen, damit ein perfider Mordplan reift und auch ausgeführt wird?
 
Berlin-Treptow, 24. April 1968, später Abend: Katrin H. (24) steckt die Wohnung ihres Lebensgefährten Alfred M. in Brand, in der sein 13-jähriger Sohn schläft. Um sicherzugehen, dass der Junge in den Flammen umkommt, zertrümmert sie ihm mit einem Hammer den Schädel. Vorausgegangen waren vielfache Streitereien des Paares, Eifersüchteleien und Geldknappheit. Aus Ärger entwendet die junge Frau eines Abends, als sie alleine mit dem Jungen in der Wohnung ist und dieser nach einem gemeinsamen Fernsehabend eingeschlafen ist, per Nachschlüssel aus einem Schrank vier Schachteln Zigaretten, einen Fotoapparat, zwei Tafeln Schokolade sowie Taschentücher, ein Parfüm und einen Schuldschein. Zur Verdeckung des im Grunde bedeutungslosen Diebstahls legt sie mit Bohnerwachs Feuer, und als sie unsicher ist, ob der schlafende Junge nicht doch etwas davon mitbekommen hat, erschlägt sie ihn ohne Mitleid.
 
Am 18. Juli 1969 verläßt die im sechsten Monat schwangere 19jährige Gabriele G. gegen 13 Uhr nach einem offenbar wichtigen Telefonanruf ihre Arbeitsstelle in der Leipziger Straße in Berlin-Mitte. Man beobachtet, daß sie vor dem Bürogebäude mit einer Frau spricht, mit ihr gemeinsam ein Taxi besteigt und wegfährt. Sie kehrt nicht an ihren Arbeitsplatz zurück und trifft auch am Abend nicht in der elterlichen Wohnung in Pankow ein. Beim Durchleuchten der persönlichen und Familienverhältnisse wird bekannt, daß sie von dem kongolesischen Asylanten M. Ubangi schwanger war, der zuvor bereits mit einer anderen deutschen Geliebten ein Kind gezeugt, diese aber für die jüngere und hübschere Gabriele verlassen hatte. Wenige Tage später wird in einer Gartensiedlung die schon teilverweste Leiche der Vermißten gefunden. Sie ist erdrosselt bzw. erwürgt worden. Die Ermittlungen der Kripo führen zu Hannelore B., der früheren Geliebten Ubangis, die die Eifersuchtstat auch einräumt. Es stellt sich heraus, daß sie Ubangi und Gabriele sogar für einige Zeit zu einer Ménage a trois bringen konnte, um nicht auf den Sex mit ihm verzichten zu müssen, schließlich aber den Tod der Rivalin beschlossen hat. Ob und wie Ubangi tatbeteiligt war, konnte nie festgestellt werden, da er sich während der Ermittlungen vermutlich nach West-Berlin abgesetzt hat und nie wieder auftauchte.
 
Am 14. März 1975 wird Ralf Stöckert von seiner Arbeitsbrigade als vermißt gemeldet. Erst bei den Nachforschungen der Volkspolizei schließt sich seine Ehefrau am 17. März 1975 auf einer Polizeiwache in Wolmirstedt der Vermisstenanzeige an. Seit dem 8. März sei der 37-Jährige verschwunden. Er bleibt es. Monatelang, bis seine erdrosselte und verstümmelte Leiche am 22. November in einem Buschwerk am Barleber See in Magdeburg entdeckt wird. Die Spur führt zu Uwe T., der als Schlafbursche und Hausgast der Familie Stöckert in Verdacht gerät. Es stellt sich heraus, daß der Ermordete ein unangenehmer Zeitgenosse war, weshalb sich die Ehefrau Margitta S. auf ein Liebesverhältnis mit dem wesentlich jüngeren Uwe T. einließ, was diesen sexuell von ihr abhängig machte - vom Schlafburschen zum Beischlafburschen sozusagen. Sein Geständnis, die Tat alein begangen zu haben, wird schnell, auch durch die Zeigeaussagen der Frau S. und ihrer 15jährigen Tochter widerlegt. Margitta S. und Uwe T. haben die Tat gemeinsam geplant und begangen. Die Tochter hat bei der Beseitigung der Leiche geholfen.

Was also treibt Frauen zu solchen Taten? Schiere Dummheit, hemmungslose Gier, kalte Skrupellosigkeit, nagende Eifersucht, blanker Haß, das pathologische Verlangen nach Sex? In den geschilderten Fällen ist von allem etwas als Triebfeder dabei, angesiedelt auf der niedrigsten instinktgesteuerten menschlichen Ebene. Das gab es eben auch im real existierenden Sozialismus.
Remo Kroll und Frank-Rainer Schurich haben interessante Psychogramme gezeichnet, nicht nur von den Täterinnen, sondern auch von den Opfern, was dem Leser einen verstörenden Einblick in das Dunkel der Verbrecher-Seele möglich macht. Es ist besonders die nüchterne Nachzeichnung der skrupellosen Taten, die das Buch vor allem für an Kriminalistik und Kriminologie interessierte Leser so interessant macht. Allerdings hätte man auf die als Blickfang eingestreuten unnötigen Tatort- und Beweis-Fotos auch ihrer aus fachlicher Sicht überwiegend mangelhaften Qualität wegen gerne verzichten können. Interessant am Rande ist, daß man heute, nach dem Ende der DDR, über den Verbleib sämtlicher der damals zu hohen Haftstrafen verurteilten Mörderinnen und Mörder nichts erfahren kann.
 
Remo Kroll, Frank-Rainer Schurich – „Mörderfrauen“
Drei authentische Kriminalfälle aus der DDR
© 2021 Bild und Heimat, 224 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783959582933
9,99 €
 
Weitere Informationen: www.bild-und-heimat.de