Das neue Navigationssystem

von Eugen Egner

Foto © Frank Becker
Das neue
Navigationssystem


Das erste Navigationssystem, das ich mir  kaufte, funktionierte nicht richtig. Nach dem Einschalten sagte jedesmal eine Frauenstimme: „Mein Hund behauptet, er wäre der Westfälische Friede!“ Dann sagte ein Mann: „Meine Frau ist ganz holzverkleidet!“ und ein zweiter rief: „Ich bin schon vierzig und werde dauernd konfirmiert!“ Danach meldete sich wieder die Frau: „Hören Sie sich mal mein Bett an“, und es erklangen laute Schläge einer Kirchturmuhr. Offenbar hatten diese Menschen Probleme, die ich keinesfalls haben wollte, aber ich konnte nicht einsehen, weshalb ich mir das immer anhören sollte, wenn ich mein Navigationssystem in Betrieb nahm. Damit war doch niemandem geholfen. Also wurde das Gerät an den Hersteller zurückgeschickt und kam nie zurück. Stattdessen brachte mir der Prokurist der Firma nach Feierabend ein neues ohne unsinnige Stimmen. Meine anfängliche Freude wurde bald schon getrübt, denn ich mußte feststellen, daß auch dieses Gerät nicht hundertprozentig in Ordnung war. Mir fiel gleich eine Neigung zum Unpräzisen auf. Zum Beispiel kam es öfter vor, daß die Frauenstimme etwa sagte: „Nach ungefähr zweihundert Metern... äh.... also, nach hundert Metern
rechts abbiegen. Nein, Scheiße, jetzt hätten Sie links abbiegen müssen. Jetzt rechts, ich meine: geradeaus.“ Optimal oder effektiv war das nicht zu nennen. Doch damit nicht genug. Manchmal klang die Stimme unseriös, es war ein unterdrücktes Lachen zu hören, und es wurden Vorschläge gemacht, die beim besten Willen nicht in Einklang mit der Straßenverkehrsordnung standen, wie zum Beispiel:  „Wenn Sie durch den Fluß fahren und dann durch die Fußgängerzone, ist der Weg viel kürzer.“ Oder: „ Nach 500 Metern stark hupen.“ Ich meine nach wie vor, so etwas ist verantwortungslos, und der Hersteller hätte unbedingt besser achtgeben sollen.
Schlimm fand ich nicht allein die Albernheit der aus dem Navigationssystem sprechenden Frauenstimme. Was mich noch mehr störte, war ihre gelegentliche Verstocktheit. Wenn sie in einer derartigen Stimmung war, gab sie nicht nur zweifelhafte Anweisungen („Wenden Sie nach zwölf Kilometern“), sondern verweigerte sich aufs bockigste: „Ach, fahren Sie doch, wohin Sie wollen! Haben Sie keine Straßenkarte? Früher ging das doch auch!“ Was soll man mit einem solchen Navigationssystem? Der Hersteller kann doch nicht dulden, daß die Daseinsberechtigung seines Produkts von diesem selbst in Zweifel gezogen wird! In letzter Zeit trat dann häufiger ein deutliches Desinteresse der Frau am Navigieren zutage, eine Unkonzentriertheit, die sich in Fragen äußerte wie „Wo waren wir stehengeblieben, ich meine, wo waren wir doch gleich... Sind Sie schon rechts abgebogen?“
Immer häufiger wurde gekichert, bis es dann gestern auf der Autobahn zum Eklat kam. Nach etlichen, wie unter Zwang ausgestoßenen, mir beim Fahren wenig hilfreichen Obszönitäten räusperte sich die Stimme mehrmals und versuchte, sich zusammenzureißen. Es gelang ihr aber nicht. Zuletzt riet sie mir: „Immer der Nase nach!“ und lachte los wie eine Verrückte. Mehrmals schrie sie: „Ich lach mich tot! Ich lach mich tot!“ Das tat sie auch. Nun hat es sich ausnavigiert.


© Eugen Egner