Der Gang aufs Land

An Landauer

von Friedrich Hölderlin

Der Gang aufs Land

An Landauer

Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng’ und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtglaubige zweifeln an Einer
Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.
Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen,
Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zulezt.
Nur daß solcher Reden und auch der Schritt und der Mühe
Werth der Gewinn und ganz wahr das Ergözliche sei.
Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte
Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist,
Und von trunkener Stirn’ höher Besinnen entspringt,
Mit der unsern zugleich des Himmels Blüthe beginnen,
Und dem offenen Blik offen der Leuchtende seyn.

Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es,
Was wir wollen, und scheint schiklich und freudig zugleich.
Aber kommen doch auch der seegenbringenden Schwalben
Immer einige noch, ehe der Sommer ins Land.
Nemlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden,
Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirth;
Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes,
Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß
Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei,
Deßhalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf.
Mög’ ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht
Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt,
Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte,
Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch thun,
Wir, so gut es gelang, haben dass Unsre gethan.

Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings
Aufgegangen das Thal, wenn mit dem Nekar herab
Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume
Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft
Aber mit Wölkchen bedekt an Bergen herunter der Weinstok
Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.
 
 
Friedrich Hölderlin (1800/01)