Orchester im Wandel

2. Streamingkonzert des Sinfonieorchester Wuppertal

von Johannes Vesper

Screenshot: Johannes Vesper

Orchester im Wandel
 
2. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal
zu Klimawandel und Pandemie im Stream
 
Wiederholung am 29.05.2021!
 
Zu normalen Zeiten umfaßte das Programm des Wuppertaler Sinfonieorchesters pro Saison 10 Sinfoniekonzerte, Chorkonzerte, Kammerkonzerte und anderes mehr. Durch Corona wurde all dies zerschlagen. Mit Streaming könnten Orchester und sein Publikum in Kontakt bleiben, glaubt und hofft man. So gab es am 21.05.21 (Wiederholung am 29.05.21) ein zweites Streaming-Konzert des Orchesters, zu welchem als Solist mit Simon Höfele einer der erfolgreichsten Trompeter derzeit und Preisträger des deutschen Klassikpreises Opus Klassik 2020 eingeladen wurde. Ihm liegt nicht nur das barock-klassische Trompetenrepertoire von Giuseppe Torelli, Antonio Vivaldi, von den beiden Mozarts (Vater und Sohn) bis hin zu Johann Nepomuk Hummel am Herzen. Er spielt auch gerne moderne Musik, z.B. Bernd Alois Zimmermann. Bezüglich der Trompete experimentierte man seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mit verlängernden Setzstücken und Stimmbögen, um deren Tonumfang zu erweitern und nicht nur wenige Naturtöne blasen zu können. Anton Weidinger, Hoftrompeter in Wien, konstruierte endlich eine Klappentrompete, mit der auch chromatisches Spiel möglich wurde. Bei diesen Konstruktionen büßte die Trompete aber an Klang ein. Noch 1831 sprach Mendelssohn trotz Verbesserung durch Ventile (Patentierung 1818) von „mattem und unnatürlichem Trompetenkastrat“. Joseph Haydn hatte nach seiner zweiten Rückkehr aus London dieses Trompetenkonzert in Es-Dur für die damals neue Trompete geschrieben. Zur Uraufführung kamen damals fast keine Besucher ins Burgtheater, ähnlich wie bei der Aufführung jetzt in Wuppertal. Immerhin konnten diese das brillante 15-Minuten- Konzert virtuell am Bildschirm zu Hause verfolgen. Nach der Eröffnung mit Pauken und Trompete konnte bereits Im ersten Allegro Simon Höfele mit seiner Kadenz zeigen, was auf der Trompete möglich geworden ist, wobei sein strahlender Klang mit dem von 1796 nicht mehr zu vergleichen ist. Das As-Dur des 2. Satzes (Andante) moduliert Haydn bis hin nach Ces-Dur mit Tonfolgen, die auf der alten Naturtrompete weder denk- noch spielbar waren. Das Rondo des Finales stürmt mit virtuosen Dreiklängen, Fanfaren, Oktavsprüngen, rauf und runter gebrochenen Akkorden, Triller, Tremolo der Streicher und ausgeprägter Dynamik (erstmals Fortissimo und Pianissimo) zu Trugschluß und Generalpause, bevor es ohne weitere Aufregungen mit seiner Koda zu Ende geht. Hoch sensibel, frisch, ausdrucksstark und blitzsauber spielte Simon Höfele, begleitet vom gut aufgelegten Sinfonieorchester unter Julia Jones, dieses Bravourstück zum Vergnügen des Publikums vor dem Bildschirm.
 

Screenshot: Johannes Vesper

In der Pause erläuterte Julia Jones im Gespräch mit Anne Y. Weber das Programm, welches bezogen ist auf die aktuell drängendsten Probleme der Welt: Pandemie und Klimawandel. Schumann sei begeistert gewesen vom Kölner Dom wie vom Rhein, der dahin ströme wie die romantische Musik seiner 3. Sinfonie, die aber eigentlich nicht als Programmmusik zu verstehen ist. Wasser sei ein wichtiger Aspekt der drohenden Klimakatastrophe und in der Schumannschen Musik werde die enge Verbindung zwischen Musik, Wasser und Natur sehr deutlich. „Quiety City“ von Aaron Copland spiegele quasi, wie stille wir heute werden und nur mit Maske und Abstand miteinander kommunizieren müssen. Anne Y. Weber berichtet zuletzt, daß das Sinfonieorchester Wuppertal sich wie knapp 20 andere große Orchester Deutschlands von der Berliner Staatskapelle bis zu den Stuttgarter Philharmonikern in dem gemeinsam gegründeten Verein „Orchester des Wandels“ auch mit dem heutigen Programm nachhaltig für Klimawandel einsetzen will.
 
Schumanns 3. „Rheinische“ Sinfonie ist weithin bekannt, da das Eingangsthema jahrzehntelang vom WDR für die Sendung „Hier und heute“ benutzt wurde. 1849 war nach vorangegangenen Gesundheitsstörungen (Schwindel, Ohrgeräusche) eines der produktivsten und glücklichsten Jahre Robert Schumanns, der, 1850 als städtischer Musikdirektor nach Düsseldorf berufen, als bekannter Komponist erst einmal die Düsseldorfer begeisterte. Wenige Wochen nach seiner Ankunft komponierte er dort im November/Dezember des Jahres 1850 diese Sinfonie. Ihr merkt man die gebrochene, unglückliche Psyche des Komponisten, die zum Sprung von der Brücke in den Rhein beziehungsweise zur Einweisung in die Heilanstalt Endenich führen sollte, nicht an. Schwungvoll startet der 1. Satz mit dem bekannten Hauptthema. Unter lyrischen Melodien von Flöte und Klarinette zwischen synkopalen Orchesterschlägen und schnellen Sechzehntel-Repetitionen wandert das Thema hinab zu den Bässen. Schließlich übernehmen die kräftigen Hörner das Motiv, bevor nach naturhafter Ruhe die kräftige Coda den Satz beschließt. Dreiertakt und Es-Dur spiegeln die kurze glückliche Phase der ersten Monate in Düsseldorf.
 
Den 2. Satz beginnen die tiefen Streicher gesanglich-sonor mit aufsteigender Quarte. Flotte Volksfeststimmung mischt sich dazu. Mit Trompeten und Fagott, später wunderbaren Holzbläsern ändert sich die Stimmung immer wieder. Dazu kontrastiert der lyrisch eingeleitete 3. Satz. Der feierliche 4. Satz mutet mit dunklen Posaunen choralartig wie alte Musik an. Ob hier zuletzt mit Fanfaren und geheimnisvollem PP das tragische Schicksal Schumanns aufblitzt? Im Programmheft der Uraufführung wurde dieser Satz überschrieben: „Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Ceremonie“. Die Überschrift findet sich später nicht mehr. Clara Schumann hatte ihre Schwierigkeiten mit diesem Satz. Im marschierenden Finale wird die heitere Stimmung des Anfangs wieder aufgenommen. Das Ganze endet mit einer temperamentvollen Stretta. Der Name „Rheinische“ Sinfonie stammt nicht von Schumann selbst. Er nimmt die biographischen Umstände ihrer Entstehung auf.
 
Zum Abschluß dieses Wohnzimmerkonzertes war „Quiet City“ von Aaron Copland (1900-1990) zu hören Ursprünglich als Schauspielmusik konzipiert, stimmt dieses kurze, ruhige, elegische Stück von 1940 (Streicherbesetzung und solistische Trompete mit Simon Höfele, bzw. Englischhorn mit Susanne von Förster) heute bei Ausgangssperre und Kontaktbeschränkung tatsächlich sehr nachdenklich. Man darf gespannt sein, mit welchen Programmen die „Orchester im Wandel“ die notwendige große Transformation, also die nachhaltige Einsparung von CO2-Emissionen befördern können. Erstmal geht es um Aerosole. Unsere Erde mit der emotionalen Kraft der Musik als lebenswerten Ort auch für nachfolgende Generationen nachhaltig zu erhalten, dazu kann das Orchester sicher beitragen.
 
Applaus kann digital leider nicht wiedergegeben werden. Aktuell sinkende Inzidenzen, zunehmende Durchimpfung und gute Belüftung des Großen Saals lassen auf Konzerte in Anwesenheit eines Tages hoffen. Aber das Abschiedskonzert von Julia Jones am 14.06.21 19:30 Uhr wird gestreamt.
 
Alles neu 2 - Streamingkonzert des Sinfonieorchester Wuppertal
am Freitag dem 21.05.21 und am Samstag, dem 29.05.2021 jeweils um 19:30.
 
Simon Höfele, Trompete, Leitung Julia Jones. Programm: Joseph Haydn: Trompetenkonzert Es-Dur Hob. VIIe:1, Robert Schumann Sinfonie Nr. Es-Dur op. 97 „Rheinische“, Aaron Copland: „Quiet City“. Kartenverkauf über Kulturkarte
 
Johannes Vesper