Beziehung zwischen Erwachsenen?

Ruth Herzberg – „Wie man mit einem Mann unglücklich wird“

von Johannes Vesper

Frau und Mann 2021 –
 
Ruth Herzberg zu Unglück und Beziehungsfragen
 
Geht es wirklich um eine leidenschaftliche, rasende Liebe? Oder nur um aufregenden Sex in allen Jahreszeiten: Frühling Sommer, Herbst und Winter? Und der Unglücksmann, von dem man wenig erfährt, zieht sogar bei ihr ein.
Die Erzählerin laviert in ihrer Beziehung herum, regt sich über nichts mehr auf, verlangt viel und erwartet nichts, hält sich für eine fantastische, aber unreife Frau, schreibt sie. Ist sie überhaupt fähig zu einer Beziehung auf Augenhöhe? Sie glaubt an die Liebe ihres Lebens, an den Mann, mit dem sie alt werden will. Jedenfalls will sie ihn auffressen, was er merkt und sich wehrt. Richtig sauer wird er, wenn sie ihm keine Buttercremetorte vom Bäcker mitbringt. Seitdem sie zusammenwohnen, hat sie Gewicht zugenommen, schläft besser. Wird das etwa noch 30 oder 40 Jahre so weiter gehen? Analverkehr und Schokolade ist das Liebe? Sex und Liebe kann sie nicht unterscheiden. Jedenfalls ist sie spaßgeil und fragt sich, was gegen Liebeskummer hilft. Natürlich will sie, daß er nach ihrer Pfeife tanzt und es in seinem Leben nur zwei Frauen gibt: sie selbst und seine Mutter. Größten Wert legt sie darauf, daß nach scharfem Sex, den sie munter, pornographisch und locker genießt, gekuschelt wird.
 
Ihr emotionaler Unglückskrüppel schreibt Mails, sitzt ununterbrochen am Rechner, läßt sich von ihr bekochen. Geht Liebe durch den Magen? Wohl kaum. Er ist er ein ganz normaler deutscher Mann, der Bild Online liest, Pro Sieben glotzt und am liebsten selbstgegrillte Hühnerbeinchen zum Bier futtert. Für ihn scheint das Zusammenleben mit der Autorin der reine Horror zu sein. Unter keinen Umständen will er von ihr kontrolliert werden. Die beiden teilen zusammen WLAN, Bett und Tisch. Prostituiert er sich, weil er sich eine eigene Wohnung nicht leisten kann? Ist sie in so ein Weichei tatsächlich verliebt? Er schnarcht und mag es nicht, wenn sie ihm einfach so nachts mal den Nacken krault. Zärtlich- oder Nettigkeiten sind von ihm nicht zu erwarten. Immerhin unterhalten sie sich über Einstein und das Michelson-Morley-Experiment, über gekrümmten Raum, den Ätherwind und die Relativitätstheorie. Allenfalls die Lichtgeschwindigkeit ist eine Naturkonstante, nicht diese Berliner Beziehung. Für Beziehungen im All ist die Relativitätstheorie erforderlich. Für Liebesbeziehungen zwischen Frau und Mitbewohner taugt die nicht. Sie zweifelt an der Realität ihres Lebens. Nur Träume scheinen sicher und stabil, Beziehungen nicht. Vielleicht ist die Dauerkrise das eigentliche Leben. Und sie selbst? Leidet sie unter ihrer Nymphomanie? Nein. Leidet sie etwa unter narzisstischer Persönlichkeitsstörung oder Borderline-Syndrom? Schließlich ist sie ohne einen Vater aufgewachsen. Sex, und sei er noch so gigantisch, hilft anscheinend nicht nachhaltig und nicht immer. Der Mitbewohner empfiehlt stattdessen: Lesen, Schreiben, Bildung. Da ist Skepsis angebracht. Er war nicht ihr erster Mann. Als Putzfrau beim Schriftsteller in der Villa am Waldesrand ist sie schon sexuell mißbraucht worden, hat dabei aber vor Lust geschrien. Natürlich hat sie schon immer einen festen Freund gesucht und hält sich für eine gute Hausfrau. Eine frühere Beziehung ist kaputtgegangen, weil er gespürt hat, wie kaputt, wie hysterisch sie ist. Durchblick fehlt ihr. Vielleicht ist sie zu fett, zu alt oder zu häßlich für eine Beziehung?
 
Der Roman entsprang laut Vorwort frei der üppigen Fantasie der Autorin. Sie schildert die schwere Beziehung zwischen Frau und Mann ironisch locker, amüsant, ernst - frei nach Nietzsche: „Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt“. Sie erzähle keine Geschichte, schreibt die Autorin im Intro , sondern eine willkürliche Abfolge von Begegnungen“, eine „Beziehung zwischen Erwachsenen“. Wem sie den „Roman“ gewidmet hat, wir nicht erläutert. „Für Dich“ heißt es vielsagend vorab. Zuletzt zieht er aus und schreibt ihr: „Du existierst für mich nicht mehr“.
Die Autorin, 1975 in Ost-Berlin geboren, lebt und arbeitet in Berlin (Prenzlauer Berg). Bisher von ihr erschienen: Wie man mit einem Mann glücklich wird und die Corona-Tagebücher „Die aktuelle Situation“ 1-3 (2020)
 
Ruth Herzberg – „Wie man mit einem Mann unglücklich wird“
Roman
microtext-Verlag Berlin, 176 Seiten, Taschenbuch - ISBN 978-3-948631-05-2
14,99€,
E-Book: ISBN 978-3-948631-5  -  7,99 €
 
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