Wenn de dei Gosch g’halde heddsch...

Aus dem Tagebuch

von Wolfgang Nitschke


Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Wenn de dei Gosch g’halde heddsch...

Die jüngste Woche
aus Wolfgang Nitschkes Tagebuch
 
 
10.5.21
Pegida jetzt auch offiziell rechtsextrem
Ganz Sachsen aus dem Häuschen! Ab heute ist es amtlich: Der sächsische Verfassungsschutz stuft Pegida als rechtsextremistisch ein!
Bisher hieß es immer, die Masse der durch Dresden marschierenden Montagsmaler seien nur be­sorgte Bürger und verunsi­cherte heimat­treue Urein­wohner von Sachsen mit berechtigten Sorgen, Ängsten und sonstwat, die von vereinzelten aus­länderun­freundlichen Einzel­heinzeln verführt worden wären.
Demnächst werden se dann wohl noch indigniert zur Kenntnis neh­men müssen, wenn der Verfassungsschutz aufgrund eigener inten­siver Forschungsarbeiten erklären wird, daß der Führer Adolf Hitler damals doch eventuell rechtsradikal gewesen sei und ein Antisemit dazu. Aber selbst wenn, ist das doch alles zusammen nur ein Flie­gen­schiß.* Wie Herr Gauleiter das mal sehr energisch ausge­drückt hat.
Also, man erlebt in diesem Land hier ja immer wieder die erstaun­lichsten Sachsen. Ähm.
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*
Als Herr Gauleiter sein geflügeltes Wort vom „Fliegenschiß“ der staunenden Öffentlichkeit präsentierte, war es allerdings schon einige Male durch die Mühle der Lügenpresse gedreckselt und völlig entstellt worden. Herr Gauleiter hatte eigentlich seine übergroße Distanz zum 3. Reich dar­stellen wollen. Doch das wollte wiederum keiner hören. Der diesbe­zügliche Satz lautete nämlich in Wahrheit:
„Das 1000-jährige Reich der Germanen war doch ein Fliegenschiß im Vergleich zu den 12 Jahren unter Hitler.“
Aber was willste gegen die eiskalten Verdrehungen der Lügenpresse machen, wenn schon Juden und Neger hier und heute das Sagen haben! Die Richtig- bzw. Gegendarstellung wurde zwar gedruckt, doch in die hinterletzten Ecken verbannt. Und das Gegenteil wird nach wie vor behauptet. Lügenpresse halt.
Lügenpresse! Lügenpresse! Lügenpresse! Merkel an den Galgen!

11.5.21
Einer für fast alle anderen
'n-tv live':
„Wir haben uns schon mal zuhause gefreut, endlich noch mal ein gezapftes Bier trinken. Leben, haben wir hier endlich wieder ge­spürt.“
(Willi Ballermann-Mustermann aus dem 'Pott', z. Z. mit Frau Ballermann-Muster­mann, geb. Mustermann, in der Außengastro vom Bierkönig, Schinkenstraße, Mallorca)
Mein Gott! Was muß das da fürn Dasein sein, da im 'Pott'!
 
12.5.21
Si tacuisses …
„Wenn man keine Ahnung hat … einfach mal die Fresse halten“ (Dieter Nuhr)
Zieht man den üblen, peinlichen Theater-Hype ab, den sich die Medien in den letzten Jahren rund um Greta Thunberg geleistet haben und der von Greta Thunberg selbst und ihren Symphis da­raufhin als politische Praxis mißverstanden worden ist, bleiben doch zumindest zwei Dinge bestehen:
Erstens die hoffentlich 'nachhaltige' Erkenntnis, daß diejenigen Herrschaften, die für die weltweite Ver­nichtung der Natur und die damit zusammen­hängende neo-imperia­listische Ausbeutung von Menschen ver­ant­wortlich sind, einen Teufel tun werden, den Protest auch nur in irgend­einer Art und Weise ernst­zunehmen.
Und zweitens: Daß Greta Thunberg et al. – in ihren jungen Jahren - sich zu respektablen Experten in Sachen Klimawandel gemau­sert haben.
Das ist aber auch schon alles.
Wenn Mademoiselle jetzt allerdings meint – wie Milliarden halbge­bildete eben­falls – auch zum Israel-Palästina-Konflikt, einem nicht minder kom­plexen Thema, ihren unnützen, halbgaren, ahistorischen Senf dazu geben zu müssen, wird man wohl nicht umhinkommen, ihr mal mit Nachdruck ein paar essentials aus dem stinknormalen Alltag beizubiegen - zum Beispiel:
„Si tacuisses philosophus mansisses.“ (auf deutsch - für die, die freitags immer Latein hatten u. da immer irgendwie nicht konnten: „Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.“)
Oder zur Abwechselung – wem‘s gefällt - mal auf schwäbisch:
„Wenn de dei Gosch g’halde heddsch, no hedd koi Sau gmergt, daß’d bled bisch.“
Und das ist noch sehr freundlich formuliert.
 
13.5.21
Hereinspaziert, hereinspaziert,
meine Damen, meine Herren!
Heute fängt der Wahlkampf an!
Komm'Se näher, komm'Se ran!
Hier werd'n'S g'nauso beschißen
wie nebenan.
dpa meldet:
„Kein Flug mehr unter 50 Euro – 
Olaf Scholz will die Flüge teurer machen“
Und nicht nur das! Die SPD hat zusammen mit der CDU/CSU als noch amtierende GroKo gestern holterdipolter kurzerhand beschlossen, die­ses Deutschland, unsere teure Heimat, die schönste Schöpfung des Schöpfers von Himmel und Erde, mirnixdirnix mal so eben ein paar Jahre früher, eher und schneller klimaneutral einzurichten, als EU-Kommission und Bundesverfassungsgericht überhaupt zu fordern gewagt hätten. Die Bundessuperumweltministerin Svenja Schulze, die Super Svenja und der Vize Olaf, die beiden zeigten sich bei der Pressekon­ferenz so oberglücklich über den verdienten Arschtritt, den sie von der EU-Komm und dem Verfassungsgericht einkas­siert hatten, daß die Journalisten nur geplättet-konsterniert ein kurzes „Häh?“ in ihre Kladden kritzeln konnten.
Sagt ma, hamma den berühmten Schuss nich' gehört? Ist da irgend­was an uns vorbeigelaufen? Wollen 'Angela-im-Glück' und 'Olaf-'Guck-in-die-Luft' die Veggie­day-Partei per pedes überholen, mit Über­schallgeschwindigkeit auf dem Standstreifen, Richtung End­station: Phantasialand? Ist Olaf noch Kanzler­kandidat der SPD oder schon der neue ökolibertä­re Chef der Luft­hansa? Seit wann kann Olaf denn die Flugpreise diktieren? Was is 'nn überhaupt hier los?
Ist der grüne Alternativ-Kommunismus aus­ge­brochen? Und die herr­schende Klasse, ist die abgehauen mit Sack und Pack? Oder ist der - horribile dictu - Honecker wieder da? Sind die Herrschaften denn jetzt alle plötzlich gagga, balla-balla und me­schugge?
Nee, Kinners, et is' bloß Wahlkampf. It‘s the Wahlkampf, stupid. Gagga, balla-balla und meschugge sind's ja sowieso. Die Frage nach geistiger Gesund­heit führt also eher in die Irre. Man muß schon zu­hören, wenn sie so Wichtiges denn zu sagen haben! Fairerweise muß man sich und dummer­weise, anders geht es nu mal nich', auch Paro­len und Program­me and'rer Lichtgestalten näher ansehen, um zu checken, wie man heute sagt, was angesagt. Satz für Satz und Wort für Wort. Und allemale gilt: Versprochen ist versprochen. Im Ü­bri­gen sind die Leute, wenn wir jetzt mal ehrlich sind, un­term Strich ja eigentlich genau wie unsereins, wie wir, wie du & ich, wie ganz gewöhnlich ganz banale End- und Ottostinknormalver­brau­cher, Volks­ver­treter - sicher, doch direkt aus unserer Mitte, also Fleisch vom Flei­sche quasi. Gut, und obendrein Poli­tiker.
So viel zu Wahrheit, Wahlkampf und Gerede.
Und niemand hat dabei Zusammenhang und Hintergrund deutlicher erkannt als Theodor A. Wiesengrund, der große Weltendichter, als der in seinem aller­hellsten Augenblicke dichtete:
„Ein Deutscher ist ein Mensch, der keine Lüge aussprechen kann, ohne sie selbst zu glauben.“
Okay, is' jetzt vielleicht 'n bißchen grob + barsch + übern Daumen und gemein ... verall­gemeinert. Aber war auch so gemeint.
 
14.5.21
Büchertippen im Mai
„You don‘t need a weatherman to know which way the wind blows“
(Bob Dylan), aber nützlich alle Male ist dafür:
Caroline Fourest - „Generation beleidigt - Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei“,
Edition Tiamat
und von
Dan Diner - „Ein anderer Krieg - Das jüdische Palästina und der 2. Weltkrieg 1935 - 1942“,
DVA
und sehr hilfreich auch
„Futur Zwei - Magazin für Zukunft und Politik - Schwerpunkt: Irre.
Warum treten Menschen aus der Wirklichkeit aus?“
taz-Verlag
 
15.5.21
Kurz zum FDP-Parteitag
(Oh wei, allein bei der Überschrift wird mir schon schlecht ...)
Der FDP-Schnulli Christian Lindner ist, so meine Vermutung, noch schlimmer als …
… Moment! Sie vermuten nur?
Ja, ich vermute, der FDP-Fritze …
… Sie vermuten, haben also keine Beweise …
Na ja, es geht ja nur um ‘ne erste Einschätz …
… Halt, stop! Was heißt denn hier „nur“?
Also „nur“ heißt bei mir normal nur „Nur“ und ich wollt ja nur …
… Augenblick mal! Thema ist, so weit ich mich erinnere äh ...
Thema ist dieser unerträgliche FDP …
… Vorsicht!
Okay, dieser liberale, äußerst flexible, unerträgliche Nerventöter und Selbstdarsteller Lindner, der…
… Nee, nee, nee, so geht das nicht! Sind das nicht alles nur reine Vermutungen!…
Ja, sag ich doch!
… Ja und weiter?...
Also, ich vermute mal, daß der noch wesentlich schlimmer ist als dieser ...
… als dieser Merz? Meinen Sie vielleicht diesen absolut unerträgli­chen, durchgeknallten Selbstdarsteller und Nerventöter Merz? ...
Ja, genau.
… Ja, ich denke, da könnten Se sogar Recht haben. Und damit gebe ich zurück zur Tagesschau nach Hamburg zu Jens Riewa, diesem unerträglichen ...
 
 
16.5.21
Das Wort zum Sonntag …
… spricht nun zu uns: Annalena Baerbock!
„Auch wenn ich selbst jetzt nicht ganz gläubig bin, aber öfter mal in die Kirche gehe genau aus diesem Grund: Weil man als Gemein­schaft eben mehr zusammen schaffen kann, weil man ein Ver­ständ­nis hat, auf welchem Wertefundament stehen wir eigentlich - das der Nächstenliebe, aber auch das der Verantwortung.“
Ach, Mädel.
Da mußte aber so einiges von deinem Fundament aus den letzten 2000 Jahren außen vor lassen. Nicht daß irgendwann diese olle Scheißhausruine über dich zusammenbricht!
 
17.5.21
Hallo Joschka, alter Ego!
Neulich sah man dich – es ist noch gar nicht so lange her; vielleicht anderthalb Tage – wieder mal in deiner geliebten elder Außenstaats­mannspose – nicht zu verwechseln mit Haltung – irgendeinen sehr schwer-präsidentialen, kostenlosen Verantwortungsmüll bräsig in die Welt knarzen. Und es ist zwar völlig absurd, aber wenn ich dich bei so was sehe, fallen mir immer die uralten Bilder von jungen Leuten ein, wie sie euphorisch und wutentbrannt durch die Straßen­schluchten marschierten und „Hoch die Internationale Solidarität!“ skandierten. Na ja, lang ist‘s her.
Und heute dürfen wir in allen deutschen Blättern lesen:
„Aussöhnung mit Namibia -
Deutschland erkennt die Massaker an den Herero und Nama als Völ­kermord an - und will erstmals offiziell um Entschuldigung bitten.“
Heute!
Und als du den Außenminister gabst, es begab sich im Jahre 2004, und Vertreter der Hottentotten bei dir in Berlin bescheiden' an die Pforte pochten … weißte noch, und weißte noch, wie sauber und billig du die da ... ach komm, is lang her und et waren ja auch nur die Hotten­totten oder so.
Aber sag' ma', Joschka, jetzt ma' ehrlich! Was geht dir durch die hohle Nuß, wenn du heute lesen mußt, daß der Versöhnungs- und Verhandlungspartner der Hereros und Nama heute ein altbekannter CDU-Sack ist, der alte CDU-Sack Ruprecht Polenz, ein zwar konser­vativer, aber durch und durch ehrenwerter, seriöser, respekta­bler Politiker, vor dem man mitunter den Hut ziehen könnte, oder nich'? … egal.
Und so nochens: was sagste denn jetzt dazu als staatl. anerkannter Oberoppor­tunist, Macht- und Intrigenspezialist, als grüner Heuchel­humanist und Pseudomoralist, als höchst­dekorierter Lügen­baron, Polit-Klon und interna­tional gefeierter Öl- & Erdgasfuzzi?
Gar nix?
Ja, warum auch.
 
18.5.21
In eigener Sache
Der Junge muß mal an die frische Luft. Von heute an bis zum 30. Mai bin ich nicht von dieser Welt. Wer hier also trotzdem jeden Tag reinguckt, wird nix Neues finden. Vielleicht trag ich ja, wenn ich wieder zurück bin, die eine oder andere Kuriosität nach.
Andrerseits lohnt sich grundsätzlich mitunter auch der 2. Blick hier in den Abgrund, in die alten Nummern, da ich sehr oft – in letzter Zeit immer öfter – Korrekturen vornehme bzw. vornehmen muß, wenn mein Geschwurbel überhand genommen hatte und ich beim Nach­lesen nen roten Kopp bekam. Und weil der geneigte Leser (Die Frauen sind hier übrigens immer … ihr wißt schon.) ja im Normalfall nicht mehrmals für einen Witz hier rein gestiefelt kommt.
Also bis denne
alles Gute, fürchtet euch nicht und bleibt schön negativ
euer W
 
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Und aus Gründen der Aktualität ...

… noch schnell ein Büchertip!
Zu keinem zweiten Thema in diesem Land gibt es so viel kritische, gute Literatur, man könnte ganze Großbuchhandlungen allein da­mit voll­pflas­tern, und trotzdem kriegt man in Gesprächen von Politikern wie von Hinz und Kunz, wenn nicht direkt nen Haufen Schrott und ein Meer von Unwissenheit serviert, dann aber in aller Regel nur Plattitüden, Schrott und volles Rohr dummes Zeug. Deshalb das hier noch, ganz frisch auf dem Tisch :
„Antisemitismus - Eine deutsche Geschichte von der Aufklärung bis heute“
von Peter Longerich
631 S., Siedler, 2021
 
Wolfgang Nitschke


Redaktion: Frank Becker