Über die zwei Seiten einer Medaille (Spam?)

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Über die zwei Seiten einer Medaille
(Spam?)
 
Manchmal muß man sich entscheiden welche Opfer man für die Liebe auf sich nehmen will. Ich bekomme seit einiger Zeit Spam-Emails. Wir reden hier nicht von einer Spam-Email, sondern mein Email-Konto wird regelrecht belagert von sonderbar verlockenden Nachrichten, die man nicht öffnen darf, weil man sonst in der Hölle landet. Das ist nicht einfach. Die Einschätzungen der Unterwelt, daß mich Geld, Sex und Macht interessieren, sind nicht ganz falsch. In einer Rossmann-Email wurde mir ein Hauptgewinn versprochen, in anderen Nachrichten Mittel angeboten, die auch reiferen Männern einen unvergeßlichen Liebesabend bereiten könnten. Da kenne ich Schlimmeres. Früher hatte ich einen strengen Junkfilter, der schlug die ganzen Angebote aus. Man braucht manchmal einen Mülleimer, wenn man es schön haben will. Leider fielen diesem Ausschlußverfahren auch seriöse Mails zum Opfer. Als ich erfuhr, daß die Mails von meinem Freund Klaus H. Sindern, dem Schriftsteller, der gerade mit seinem neuen Buch „Sterben muß schließlich jeder“ in den Schlagzeilen steht, auch dem Junkfilter zum Opfer fielen, mußte ich handeln. Sollte ich lockern?  Schaffte ich es den Verführungen der Spam-Emails zu entsagen oder verzichtete ich einfach auf den Kontakt zu meinem Freund? Ich erinnerte mich an schöne Gespräche mit Klaus H. Sindern im Amalthea, dem kleinen Theater, das auch durch ihn repräsentiert wird. Alles Begegnungen, denen ein ausgelassener Email-Verkehr voraus ging. Ich habe gehört, daß Udo Olschewski, der Leiter unserer Ordnungsamtes, nur lachen kann über solche Spam-Emails und sie mit einem Klick in den Mülleimer versenkt, aber er ist Udo Olschewski, der Leiter unseres Ordnungsamtes. Er ist darin geschult worden, aber wie soll ich den verführerischen Angeboten entgehen? Konnte ich  gleichzeitig mit Klaus H. Sindern im Kontakt sein und meinen Bitcoinreichtum verdreifachen? Wollte ich mich an einem Lebenszeichen von Klaus H. Sindern erfreuen und den Versprechungen der Spam-Emails folgen, die mich für rauschende Liebesnächte ausrüsten wollten? Wollte ich in einem Monat 14 Kg abnehmen oder mit Klaus H. Sindern essen gehen? Ich meine, ich könnte auch meinen Blutzucker senken, wenn ich Klaus H. Sindern entsagen würde. Kürzlich traf ich Udo Olschewski, der vor dem Frühstück schon drei Bomben mit den Zähnen entschärft hatte, und mir den Rat gab: „Man muß das Löschen nicht nur der Feuerwehr überlassen.“ Das leuchtete ein. Ich muß den Teufel zulassen, um die Engel sehen zu können. Ich muß lernen ihm zu widersagen, um deren Gesang hören zu können. Das Glück ist nicht kampflos zu bekommen. Pfeif auf Reichtum, Gesundheit und Orgien. Klaus ist ein guter Ersatz. „Drum sagt den Spam-Erfindern, ich steh auf Klaus H. Sindern. Ihr könnt mein Glück nicht mindern, ich liebe Klaus H. Sindern.“
(Übrigens, sein neues Buch bekommt man  in den Buchhandlungen Voss (Hövelhof) und Literafee (Schloß Neuhaus.)
 
 
© 2021 Erwin Grosche