Stadt(t)raumvideos: Die Oper Wuppertal vertreibt Corona

Musikalisches Labsal mit Iris Maria Sojer und Sebastian Campione

von Johannes Vesper

Iris Marie Sojer © Siegersbusch Film

Stadt(t)raumvideos: Die Oper Wuppertal vertreibt Corona
 
„Music for a while” von Henry Purcell.
 
Marie Sojer kann wegen Corona nicht im Opernhaus vor Publikum auftreten. Also sucht sie ihr Publikum auf und geht auf dem Nützenberg im noch sehr vorfrühlingshaft anmutenden Wald bei grauem Wetter spazieren. Man hätte sie dort treffen können. Kurz eingeblendete Schminkutensilien überraschen und wecken Neugier. Die Mezzosopranistin beginnt eine anrührende Arie und findet einen Schminktisch, an dem sie sich zurechtmacht, als ihr Blick auf ein wunderbares Kostüm aus der Barockzeit fällt, welches wie in einem Märchen auf einem nahen Busch hängt. Plötzlich hat sie dieses Kleid an, geht mit nackten Füßen auf dem Waldboden umher, kommt zurück an den Tisch, prüft im Spiegel ihr Aussehen, inzwischen scheint sogar die Sonne. Dazu singt sie mit Cembalobegleitung Purcells „Music for a while“, eine Arie über ostinatem, also sich ständig wiederholendem Baß und schlendert durch den Wald auf der Kaiserhöhe. Die jeweils nur leicht modifizierte Begleitung bietet dem tröstlich frei schwingendem Mezzosopran stets musikalischen Halt. Die Musik entstand als Schauspielmusik zu „Oedipus“ (von John Dryden und Nathaniel Lee nach Sophokles), aus welchem Schauspiel auch der Text der Arie stammt, der der Kraft der Musik huldigt.
Music for a while
Shall all your cares beguile….
„Musik macht Schmerzen erträglich. Bei ihr vergessen wir unser Elend, und Allekto, eine der drei unterirdischen Rachegöttinnen, wird die Toten von ihren ewigen Banden befreien, ihr Schlangenhaupt sowie ihre Peitsche verlieren. Musik wird uns trotz aller Sorgen betören“ (frei nach dem englischen Text).
Musik ist Labsal der Seele, jedenfalls in freier Natur wunderbar gesungen von Marie Sojer. Sie bietet mit dieser alten barocken Arie Trost und Vergnügen in finsterer Zeit. So kann die zum chinesischen Virus mit alle Mutationen mutierte antike Furie jedenfalls mental bezwungen werden.
 

Sebastian Campione © Siegersbusch Film

Le veau d´or (Das goldene Kalb) von Charles Gounod
 
Sebastian Campione versucht bei Verkehrslärm auf der B 7 in Frack und Fliege das wegen Corona verschlossene Opernhaus zu betreten, setzt sich niedergeschlagen und frustriert auf die Stufen. Plötzlich aber bricht es aus ihm heraus, die Noten werden weggeschleudert. Zu virtuos flinker Klavierbegleitung schmettert er uns, später dem bronzenen Engels im Park nebenan, gut gelaunt Mephistos bombastische Arie „Das goldene Kalb“ aus „Margarethe“/(Faust) von Charles Gounod entgegen. „Geld regiert die Welt“ singt er und hat Recht. Wahrscheinlich hat er schon vorausgeahnt, welche Schulden eines Tages im Kampf gegen Corona nötig sein würden. Auch die Zuhörer auf der Nordbahntrasse, auf Wuppertals Treppen, Brücken und Spielplätzen, über der Wupper unter der Schwebebahn können sich der Botschaft dieses musikalischen Glanzstücks nicht entziehen. In der Oper verscheucht Mephisto auf diese Weise die trüben Gedanken des zum Krieg eingezogenen Valentin. Mit diesem Auftritt in der Stadt vertreibt Sebastian Campione virtuos und publikumswirksam jedenfalls Melancholie und Tristesse der Wuppertaler.
 
Die Musik wurde im operneigenen Tonstudio aufgenommen.
„Music for a while“ von Henry Purcell; „Das goldene Kalb“ von Charles Gounod
Iris Marie Sojer: Mezzosopran - Sebastian Campione: Bass - Michael Cook: Klavier - Karin Kotzbauer-Bode: Regie und Konzept.
 
Beide Beiträge sind jederzeit unter www.oper-wuppertal.de anzuschauen und anzuhören.
 
Iris Marie Sojer, seit Spielzeit 2018/19 festes Ensemblemitglied an der Oper Wuppertal, zuvor im Opernstudio des Nationaltheaters Mannheim, war zuletzt in der „Zauberflöte“ hier zu hören. Als Solistin in den Kompositionen von Lutz Werner Hesse (Ich habe Dich gewählt - Symphonisches Gedicht Nr. 2 op. 82 (2019) Uraufführung Dez. 2019, CD 2020, hinterließ sie einen großen Eindruck.
 
Sebastian Campione sang schon als Kind in der Bayrischen Staatsoper ist seit 2016 festes Ensemblemitglied der Oper Wuppertal (zuvor Theater am Gärtnerplatz München, Deutsches Nationaltheater Weimar). Zuletzt war er hier als Sarastro in der Zauberflöte zu erleben.
Michael Cook ist seit 2016 Studienleiter und Dirigent an der Oper Wuppertal tätig.
Karin Kotzbauer-Bode arbeitet seit 2017 als Regieassistentin seit 2017 an der Oper Wuppertal.