Vom kläglichen Restsonntag

Eike Christian Hirsch – „Ist das Deutsch oder kann das weg?“

von Frank Becker

Vom kläglichen Restsonntag
 
… und geschliffenen Freiheitsrechten
 
Eike Christian Hirsch gehört seit Jahrzehnten zu den eloquentesten Beobachtern der deutschen Sprachverwilderung. Seit er 1976 erstmals mit „Deutsch für Besserwisser“ darauf aufmerksam gemacht hat, wie rücksichtslos, je dumm man hierzulande mit der Muttersprache umgeht, sind seine Beiträge zum Thema unverzichtbar.
Mit seinem nun schon in 4. Auflage vorliegenden jüngsten Buch „Ist das Deutsch oder kann das weg?“ geht er in knappen, jedoch aussagekräftigen Kapiteln mit dem „neuen Deutsch“ ins Gericht, das ohne Rücksicht auf Sinn und Verstand der Sprache der Dichter und Denker neue Vokabeln, Formulierungen und Begriffe aufzwingt, deren Qualität oder Nutzen sich beim besten Willen nicht erschließt. Superlative überbieten sich, Wendungen werden zu sinnfreien leeren Hüllen, sprachliche Behauptungen werden aufgestellt, denen jeder Beweis fehlt und sinnverändernder Satzbau überrollt, weil er so attraktiv erscheint, jede Logik. Das trifft die tägliche Konversation ebenso wie Reden und Ansprachen und vor allem die Sprache von Presse, Nachrichtensendungen und, ganz schrecklich, Werbung. Woran liegt das wohl? Ganz einfach daran, daß Menschen, die mit ihrer/unserer Sprache ohnehin nichts anzufangen wissen, sehr oft glauben, durch solche Neuschöpfungen Intelligenz vortäuschen zu können. Doch das funktioniert nicht. Tumb bleibt eben tumb.
 
„Statt «daher» sagen wir heute «von daher» und statt «Regeln» «Regularien», damit alles ein klein wenig pompöser klingt, aber das ist ja letztlich, nein, «letztendlich» egal. Was aber sollen wir von einem «Gipfeltreffen nachwachsender Rohstoff-Experten» oder von «Spezialisten für freilaufende Eier» halten?“, fragt der Verlag im Klappentext und weiter: „Was bitte ist ein «Mega Preis»? Ist der riesig? Und was kann eigentlich «eine Kanzlerin, die Krise kann»?
Ich könnte hier und jetzt noch viele solche beweisführenden Beispiele zitieren, wie z.B. das sich mehr und mehr durchsetzende schreckliche Apostroph im fälschlich benutzten sächsischen Genitiv, das entsetzliche Gender*Sternchen oder das vergewaltigte „ß“ - das schmale Buch quillt von solchen Schrecklichkeiten über -, begnüge mich aber damit, Ihnen im Anhang das Inhaltsverzeichnis als Appetitanreger zu servieren. Lesen Sie selbst, der Erwerb des Bändchens lohnt – und viel Spaß dabei! Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Eike Christian Hirsch – „Ist das Deutsch oder kann das weg?“
Schlimme Einfälle und schöne Reinfälle
© 2019 C.H. Beck, 4. Auflage, 156 Seiten, Broschur - ISBN: 978-3-406-74227-9
12,95 €
Weitere Informationen: www.chbeck.de
 
Damit Sie sehen, was Sie alles entdecken können, das Inhaltsverzeichnis:
I. Läuft bei dir
Ich darf ins Wartezimmer – Geht’s gut? Alles gut? – Tut ganz schön weh – Häme ausgekübelt – Tiere bitte nicht diskriminieren – Mit Gänsehaut und Schockstarre – Restsonntag – Das allgemeine Du – Er besitzt große Schulden – Die Farben können abweichen
II. Wörtlich betäubt
Dank dem Unwetter, das dafür sorgte … – Wie das Fräulein abgeschafft wurde – Bürger*innenmeister*innen – Welten, ein Paralleluniversum – Nachwachsende Rohstoff-Experten – DAS GROßE ESZETT – Hintergrund dieser Entwicklung ist … – Leipzig ist das neue Berlin – Die Flüchtlinge sorgen mich – Sehen, was einen Sinn macht
III. So was von Deutsch
Mir ist damit unwohl – Die Kosten belasten wir Ihrem Konto – Ein Algorithmus sorgt dafür – Werbung, etwas übertreibend – Eine Katastrophe wie vor drei Jahren verhindern – Fünf Minuten Fahrplanabweichung – Ein dickes Plus im Preis – Stillen schon vor der Geburt – Nicht die Sekunde null – Wechsel der Perspektive
IV. Wie aus der Zeit gefallen
Bei Ausländern beliebte deutsche Wörter – Ihre Privatsphäre war unsere höchste Priorität – Von daher – Sehen gelassen zu haben – Wo ist bei der Zeit hinten? – Hochgelobt oder hoch gelobt? – Beides kann nicht wahr sein – Deutsch-Englisch: Arm, Hand und Finger – Trojaner und Lebensversicherung – Stabiles Fahrwasser
V. Viel Luft nach oben
Glück und Glück – Dem Affen eine Leiter hinstellen – Die Bedarfe von Kindern – Was mir als Fremdwort erschien – Für den saudischen König gesperrt – Das Fehlen von Liebe und Sinnlosigkeit – Wir sollten los – Falsche Bilder – Sakrileg und sakrosankt – Alles teilen, vor allem Fotos
VI. Wortsalat
Authentisch ist echter als echt – Hinter verschlossenen Türen – Amerikanische Redewendungen – Wendungen, von uns selbst erfunden – Vorbehaltlich einer diesbezüglichen Regelung – Recht mißverständlich: Common Sense – Wegen meinem Unfall – Warnen oder mahnen – Das schönste deutsche Wort – Noch mehr schönste Wörter
VII. Alles klar. Kein Problem
Sanktionieren – Die Sonne ist schuld. Und der Computer – Ich möchte: Wie ein Verb erfunden wurde – Trennungsgerüchte von seiner Frau – Bayern bei Masern spitze – Doppelpunkt und Gedankenstrich – Bestgehaßt – Kant’s Werke – Dem großen Adorno geschuldet – Snob, eine irrige Erklärung
VIII. Echt jetzt?
Auf Nummer sicher gehen – Adrenalin in seiner schärfsten Form – Wir gucken auf Bayerns Sieg – Sparen, sparen und sparen – Überladen und angeschärft – Sie drang und sie drängte – Man, bei einigen unbeliebt – Weniger als befürchtet – Segel, aus Blättern gewoben – Wenn sich die Schlagzeilen beißen
IX. Aus dem Wörtersee
Er dementiert, daß er dement ist – Ich mag andere, geistreiche Menschen – Alles klar? – Lieber Herr Hirsch – Okapi sind stark geschrumpft – Beleidigt? Nichts weniger als das! – Eine Kanzlerin, die Krise kann – Anders ist besser – Drei Männer ertranken – Eigentlich ist das verboten – Geschleifte Bänke
X. Genau!
Kalifornien, ein Kalifat – Der wahre Arbeitgeber – Begriffe, die nach Namen heißen – Was den Sprechenden nicht gut bekam – Empathie und Frustration – Menschen als Zahlen – Ein Denkmal der Schande – Verbrechen gegen die Menschheit – Kindesmißbrauch – Holocaust