Everybody has the right to he wrong

Veronica Swift – „This Bitter Earth“

von Frank Becker

Everybody has the right to be wrong
 
Die Faszination Veronica Swift
 
Mm, this bitter earth
Can be so cold
Clyde Otis
 
Was für eine Stimme!“, entfuhr es mir 2019 beim Anhören von Veronica Swifts Debüt-Album „Confessions“, und das ließ beim Nachhören nicht nach. Seither bin ich von Veronica Swifts Größe überzeugt, zu Recht, wie ihr neues Album „This Bitter Earth“ eindrücklich unterstreicht. Veronica Swift ist auch hier die klang- und ausdrucksvolle Sensation, als die sie sich vorgestellt hat, ein Solitär auf dem international wahrlich reich bestückten Jazz-Markt, eine Königin von Scat und Swing, die das Beste von Anita O´Day, den seidigen Rauch von Julie London, den Kick von Ella Fitzgerald und das Elementare von Amy Winehouse über mehrere Oktaven in ihrer Stimme vereint.
Das klingt mal zuckersüß, mal elegant, dann wieder kraftvoll voluminös zupackend oder auch hinreißend  zärtlich. So exorbitant musikalisch verpackt, täuscht der Klang vordergründig Harmonie vor, doch ist diese Zusammenstellung als Botschaft gedacht, die den Finger in seelische und gesellschaftliche Wunden legt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, wie Veronica Swift zum Schluß des Openers und Titelsongs von Clyde Otis beschwört: „And this bitter earth / May not be so bitter after all“.
 
Mit Emmet Cohen (p) bewährt an ihrer Seite, dazu Yasushi Nakamura (b) und Bryan Carter (dr) und hochkarätigen Gästen sowie einem Streichquartett (Lavinia Pavlish, Meitar Forkosh, Andrew Griffin, Susan D. Mandel) interpretiert sie neue Songs und Standards von u.a. Richard Rodgers / Oscar Hammerstein, George und Ira Gershwin und Robert und Richard Sherman.
Die setzen sich zwar mit den dunklen Seiten der Liebe auseinander, denken wir an die Lyrics von Leo Robin in „Prisoner of Love“ sogar der Selbstaufgabe und körperlicher Gewalt wie in dem unendlich zart vorgetragenen, (textlich) nahezu unerträglichen „He Hit Me (And It Felt Like a Kiss)“. Musikalisch ist all das danke der Stimme Veronica Swifts eine Offenbarung.
 „Ich wollte, daß dieses Album zwei verschiedene Ansätze hat“, erklärt sie. „Ich habe mit der Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft begonnen und wie sie sich verändert. In der zweiten Hälfte wollte ich andere Mißstände in der Welt ansprechen, sei es Rassismus oder Fake News. Aber ich beziehe keine politische Position. Ich bin mir mit meinem Publikum sehr darüber im Klaren, daß ich als Künstler bestimmte Themen als Außenstehender anspreche, der hineinschaut.“
 
Eines der bekanntesten Stück ist gewiß Lionel Barts „As Long as He Needs Me“, das 1960 durch Shirley Bassey und 1961 durch Sammy Davis´ dramatische Interpretation ein Welthit wurde. Veronica Swift gibt dem Song neue swingende Seele. Daß wir alle fehlbar sind, daß man es aber auch ausbügeln kann, erzählen Jimmy Van Heusen und Sammy Cahn (Lyrics) in ihrem „Everybody Has the Right to Be Wrong“ – Veronica vermittelt die Botschaft, unterstützt von Bryan Carters Schlagzeug und Emmett Cohens Klavier, pointiert dynamisch und durchaus humorig rüber. „The Sports Page“ ist eine Feierstunde für das Klavier, „Sing“ eine für Armand Hirschs Gitarre - und unter dem Strich schimmert Hoffnung durch das dramatisch aufgebaute, faszinierende Album.
 
Ich bekenne hier erneut: Sie sehen mich zu Füßen Veronica Swifts. Unsere Auszeichnung, der Musenkuß gehört zum zweiten Mal sowohl der brillanten Produktion wie der grandiosen Sängerin. Abermals unsere Schallplatte des Monats.
 
And this bitter earth
May not be so bitter after all
Clyde Otis
 
Veronica Swift – „This Bitter Earth“
© 2021 Mack Avenue (CD)
Veronica Swift (voc) – Emmet Cohen (p) – Yasushi Nakamura (b) – Bryan Carter (dr) – Armand Hirsch (g) – Aaron Johnson (fl)
Titel:
1. This Bitter Earth - 2. How Lovely to Be a Woman - 3. You've Got to Be Carefully Taught - 4. Getting to Know You - 5. The Man I Love - 6. You're the Dangerous Type - 7. Trust in Me - 8. He Hit Me (And It Felt Like a Kiss) - 9. As Long as He Needs Me - 10. Everybody Has the Right to Be Wrong - 11. Prisoner of Love - 12. The Sports Page - 13. Sing 
Gesamtzeit: 1:01:13
 
Weitere Informationen:  www.mackavenue.com  -  www.veronicaswift.com