.....irgendwo im Muschelkalk
Dieses Buch ist annerkanntermaßen das beste, das je über Joachim Ringelnatz geschrieben wurde. Im DDR-Buchverlag Der Morgen, in dem es in der DDR 1980 erstmals erschien, erlebte es etliche Erfolgsauflagen. Eine spätere westdeutsche Taschenbuch-Auflage bei Fischer setzte 1996 und eine weitere (gebundene) bei Propyläen den Erfolg fort. Die Rede ist von Helga Bemmanns (*1933) "Daddeldu, ahoi!", das mit reichem und seltenem Bildmaterial das Leben ud Werk des "Dichters, Malers und Artisten" Joachim Ringelnatz kundig aufzeichnet. Kein Verlag hat es heute noch im Programm, was eine Schande ist, doch im Antiquariat sind immer noch Exemplare zu finden. Wer sich also für ein wirklich einfühlsames und vollständiges Portrait Hans Böttichers - so lautete der bürgerliche Name des dichtenden Bohèmiens - interessiert, ist gut beraten, sich der Mühe der Internet-Suche zu unterziehen. In den Musenblättern finden Sie heute, zum 125. Geburtstag Ringelnatzens diverse Beiträge über ihn, sein Leben und seine Literaturen. Wer Ringelnatz kennt und liebt (wie anders könnte man), hat natürlich dies und das im Bücherschrank. Wer ihn als Jüngerer vielleicht noch entdecken kann, dem seien die Artikel und der Hinweis auf "Daddeldu, ahoi!" als kleine Unterstützung an die Hand gegeben. Griffig und durchaus ebenfalls zu empfehlen ist die rororo bildmonographie, die Herbert Günther 1964 verfaßt hat. Sie ist nach wie vor beim Rowohlt Taschenbuch zu haben: rororo Taschenbuch, 176 S., 7,50 €, ISBN 978-3-499-50096-1. Ansprache eines Fremden an eine Geschminkte vom dem Wilberforcemonument Guten Abend, schöne Unbekannte! Es ist nachts halb zehn. Würden Sie liebenswürdigerweise mit mir schlafen gehn? Wer ich bin? -Sie meinen, wie ich heiße? Liebes Kind, ich werde Sie belügen, Denn ich schenke dir drei Pfund. Denn ich küsse niemals auf den Mund. Von uns beiden bin ich der Gescheitre. Doch du darfst mich um drei weitre Pfund betrügen. Glaube mir, liebes Kind: Wenn man einmal in Sansibar Und in Tirol und im Gefängnis und in Kalkutta war, Dann merkt man erst, daß man nicht weiß, wie sonderbar Die Menschen sind. Deine Ehre, zum Beispiel, ist nicht dasselbe Wie bei Peter dem Großen L'honneur.- Übrigens war ich -(Schenk mir das gelbe Band!)- in Altona an der Elbe Schaufensterdekorateur.- Hast du das Tuten gehört? Das ist Wilson Line. Wie? Ich sei angetrunken? O nein, nein! Nein! Ich bin völlig besoffen und hundsgefährlich geistesgestört. Aber sechs Pfund sind immer ein Risiko wert. Wie du mißtrauisch neben mir gehst! Wart nur, ich erzähle dir schnurrige Sachen. Ich weiß: Du wirst lachen. Ich weiß: Daß sie dich auch traurig machen. Obwohl du sie gar nicht verstehst. Und auch ich - Du wirst mir vertrauen - später in Hose und Hemd. Mädchen wie du haben mir immer vertraut. Ich bin etwas schief ins Leben gebaut. Wo mir alles rätselvoll ist und fremd, Da wohnt meine Mutter. -Quatsch! Ich bitte dich: Sei recht laut! Ich bin eine alte Kommode. Oft mit Tinte oder Rotwein begossen; Manchmal mit Fußtritten geschlossen. Der wird kichern, der nach meinem Tode Mein Geheimfach entdeckt.- Ach Kind, wenn du ahntest, wie Kunitzburger Eierkuchen schmeckt! Ich bin auch nicht richtig froh. Ich habe auch kein richtiges Herz. Ich bin nur ein kleiner, unanständiger Schalk. Mein richtiges Herz. Das ist anderwärts, irgendwo Im Muschelkalk. |
Helga Bemmann
Daddeldu, ahoi!
Leben und Werk des Dichters, Malers und Artisten Joachim Ringelnatz 279 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, vielen Fotos und Dokumenten © 1980 Buchverlag Der Morgen 3. Auflage 1988
Weitere Informationen unter: ringelnatz-verein.de www.ringelnatzjahr2008.de www.ringelnatzstiftung.de cux-info.eu Herbert Günther
Ringelnatz
rororo bildmonographie 96 |