„Können wir das schaffen?“

Bill Gates – „Wie wir die Klima Katastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind“

von Johannes Vesper

„Können wir das schaffen?“

Bill Gates zur Klimakatastrophe
 
Das fragte sich Bill Gates 2015 bei seinem Besuch der Klimakonferenz zu Paris und glaubt, daß allein mit technologischem Fortschritt und veränderten Marktstrukturen die Treibhausgase bis 2050 eliminiert werden können. Sonnen und Windenergie müßten schneller und klüger eingesetzt werden. Aber schon die Ökobilanz von Energie aus Wasser ist fraglich. Ein Staudamm kann tatsächlich mehr Emissionen bei seinem Bau verursacht haben als ein Kohlekraftwerk mit einer Laufzeit von 50 Jahren, schreibt Bill Gates. Zwei Zahlen sind ihm für das Verständnis der Klimakatastrophe besonders wichtig: 51 Milliarden und Null. Aktuell jagen wir Menschen jährlich 51 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente in die Erdatmosphäre, diesen ca. 10 km breiten Luftmantel über uns, in dem wir noch leben können und zwar als einzige weit und breit im All. Nach dem Beginn der Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts begannen wir, fossile Brennstoffe wie Kohle, Öle und Gas im großen Stil zu verbrennen, und die Emissionen nahmen immer schneller zu mit den bekannten Folgen. Die andere Zahl, die ihm sehr wichtig ist, ist die ist Null. „Nullemissionen ist das Ziel, das wir uns setzen müssen“. Die Welt darf keinerlei Emissionen mehr produzieren. Das bedeutet die vollständige Dekarbonisierung der Energiegewinnung, also jeglicher Verzicht auf fossile Brennstoffe. Den an sich bekannten Zusammenhang zwischen Lebensstandard, Treibhausgasen und Temperaturanstieg mit seinen katastrophalen Folgen erklärt der Autor leicht verständlich, erinnert an die Badewanne, die, auch wenn der Hahn nur tröpfelt, wie die Erdatmosphäre auf die Dauer überläuft.
 
Die Temperaturen in Texas werden in ihrem Anstieg nur gebremst werden können, wenn der Anstieg der Treibhausgasse weltweit eingeschränkt wird. Das ist schwierig, denn noch verfügen 860 Millionen Menschen (davon allein knapp 700 Millionen in Afrika und Indien) über keine zuverlässige Stromversorgung, und aus wirtschaftlichen Gründen wird ein Kohlekraftwerk nach dem anderen gebaut werden müssen, um diese Menschen nicht von der technisch-zivilisatorischen Entwicklung auszuschließen. Indien importiert Kohle aus Australien, um seinen Energiehunger zu stillen. Es reicht nicht aus, wenn allein die reichen Nationen und Regionen der Welt ihre Emissionen senken, was sie sich immerhin vorgenommen haben. Das Problem muß weltweit angegangen werden. Pro Kopf produzieren die Reichen der Welt sehr viel mehr Treibhausgas als die Armen, der US-Amerikaner ca. doppelt so viel wie der EU-Europäer oder Chinese, ganz China aber etwa das Dreifache der USA. Wie und ob das Ziel der Nullemission mit Wirtschaftlichkeit, dem Dogma von Wirtschaftswachstum und Gewinnmaximierung in Übereinstimmung gebracht werden kann, diskutiert Bill Gates ausführlich und glaubt, daß mit Öko-Abgaben gesteuert werden kann. Weltweit steigt die Zahl der Menschen und damit die Nachfrage nach Autos, Straßen, Gebäuden Kühlschränken usw., Bill Gates schreibt, daß bei einem Bevölkerungszuwachs bis auf 10 Milliarden Menschen Ende des Jahrhunderts jeden Monat eine Stadt von der Größe New Yorks zusätzlich gebaut werden muß, und das vor allem in China, Indien und Nigeria. Der zum Bau solch neuer Städte benötigte Zement führt zu gewaltigen Treibhausgas-Emissionen, denn Zement, bei dessen Herstellung die gleiche Menge CO2 anfällt (Kalkstein plus Hitze ergibt das notwendige Calciumoxid für den Zement und CO2).
 
Wie kann sich der Einzelne in der komplexen Diskussion mit zahllosen Informationen und unübersichtlicher Datenlage orientieren? Um den Überblick zu behalten, schlägt Bill Gates vor, sich jeweils folgendes zu fragen bzw. im Auge zu behalten. 1. Immer, wenn von Treibhausgasen, ihrer Menge und ihrem Schaden die Rede ist, sollte diese Mengen in Bezug gesetzt werden zu den 51 Milliarden Tonnen pro Jahr, die zu 31% durch die gesamte Industrieproduktion, 27% durch die Stromversorgung, 19% durch Landwirtschaft, 16% durch Transport und Verkehr und 7% durch Kühlen und Heizen bedingt sind. 2. Welcher Plan existiert für die Industrieproduktion (Zement, Stahl, Kunststoffe), die für den größten Teil der Treibhausgase verantwortlich ist? 3. Wieviel Leistung (bei Strom (Watt= Energie/Zeit) wird wofür benötigt? Die Welt verbraucht 3000 Gigawatt (= 3000 Milliarden Watt), die USA 500 Gigawatt, eine mittelgroße Stadt 1 Gigawatt, eine Kleinstadt 1 Megawatt und ein durchschnittliches US-Einfamilienhaus 1 Kilowatt). 4. Wieviel Platz verbraucht welche Energieerzeugung? Da schneiden fossile Energieträger sehr viel schlechter ab als z.B. Windenergie oder Energie aus Holz oder Biomasse. Ob wir auf die emissionsfreie Kernkraft vollständig verzichten können, bezweifelt der Autor. 5. Zuletzt, was würde es kosten, die gesamte Energiegewinnung ohne Emissionen zu betreiben? Ist das überhaupt möglich? Die aktuell zu niedrigen Preise fossiler Brennstoffe spiegeln jedenfalls die durch ihren Verbrauch bedingten Umweltschäden überhaupt nicht wider. Außerdem: Rülpsende und furzende Kühe sind zwar in Indien heilig, tragen aber dort wie anderswo zur Klimakatastrophe nicht unerheblich bei. Zur Ökobilanz der Batterien, die in e-Autos benötigt werden, zu den wiederum dafür benötigten seltenen Erden und auch über ihr eventuelles Recycling schreibt Bill Gates wenig.
 
Zum Schluß findet sich ein Kapitel zur Covid Pandemie, die zumindest in Europa gezeigt hat, daß die Menschen aus Gründen des Gesundheitsschutzes auf das Wachstumsdogma der Industrie zu verzichten in der Lage sind und persönliche Einschränkungen tolerieren bzw. sogar schätzen. Ob diese Solidarität auch im Hinblick auf den notwendigen Klimawandel erwartet werden darf?
Das lesenswerte Sachbuch führt unterhaltsam, flüssig, nahezu elegant, durch die komplexen Wirren und zahllosen Aspekte der Klimakatastrophe und zeigt den Autor als finanzkräftigen Guru der Welt, der mit etlichen Unternehmungen kluge Lösungsansätze verspricht und zweifellos die Welt retten will. Wer das ganze Buch nicht lesen mag, kann sich auf das letzte Kapitel beschränken, in dem steht, was jeder Einzelne zur „großen Transformation“ beitragen kann. Erstaunlich, daß dieser zentrale Begriff europäischer Klimaforscher im Buch nicht auftaucht. Den „Wissenschaftlern, Innovatoren und Aktivisten, die uns den Weg zeigen“ widmet er das Buch, welches das Interesse des Lesers weckt und ihn zum Schluß auffordert, sich auch als Privatmann zu engagieren. Denn - wo Bill recht hat, hat er Recht- die Klimaproblematik „berührt fast alle Aspekte menschlichen Handelns“ und endet mit einem Plädoyer, „daß wir alle dafür sorgen, daß das Klima für alle erträglich bleibt“. Er will „…armen Menschen helfen, das Beste aus ihrem Leben zu machen und wir können den Planeten für die kommenden Generationen bewahren“. Dem können sich alle Menschen guten Willens nur anschließen.
 
 
Bill Gates – „Wie wir die Klima Katastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind“
Aus dem amerikanischen Englisch von Karsten Petersen und Hans-Peter Remmler.
© Piper Verlag, 315 Seiten, gebunden - ISBN 978-3-492-07100-0a
22,- €
 
Weitere Informationen: www.piper.de