Zeichner als Kinderfreunde (4)

Fritz Lattke

von Joachim Klinger

Joachim Klinger, Selbstporträt
Zeichner als Kinderfreunde
 
4

Fritz Lattke
 
Wäre ich nicht vor dem Bombenkrieg aus dem Ruhrgebiet nach Thüringen zu Verwandten in Gotha geflüchtet, wäre mir wahrscheinlich nie Fritz Lattke mit vielen Zeugnissen seiner Zeichenkunst begegnet. Ich stieß auf bunte Beilagen in Gestalt kleiner Hefte bei Einkäufen und entdeckte sofort die fein gestrichelten Bilderfolgen, die von Erlebnissen zweier Kinder – „Hanni und Fritz“, ihrem kleinen putzigen Hund „Putzi“ und dem klugen Raben „Kolk“ berichteten. „Vier treue Freunde“ wurden sie genannt und duchstreiften heimatliche Gefilde ebenso unbekümmert wie Märchenwelten. Das alles war mit großer Phantasie und einem unerhörten zeichnerischen Talent gestaltet.
Ich erinnere mich lebhaft an zwei Geschichten, die mir geradezu typisch erscheinen. Die eine spielt in der realen Welt und behandelt einen fahrlässig verursachten Waldbrand. Die vier Freunde treffen im Wald zwei rauchende Burschen und ermahnen sie, davon abzulassen. Natürlich vergeblich! Der eine Brandstifter wird später von der Polizei gefaßt, der andere kann sich nach einem Sturz nicht vor dem Feuer retten und verbrennt.
Die andere Geschichte versetzt uns in ein Märchenland, in dem ein böser Kobold herrscht. Mit seinem Zauberstab zwingt er „Die vier treuen Freunde“ in seine Dienste, wird aber schließlich von dem klugen Raben Kolk überlistet, der den Zauberstab an sich bringt.
Natürlich gab es in den bunten Heften für Kinder viel kürzere Bilderfolgen. Aber immer waren sie unterhaltsam.


© 1991 Verlag & Druckerei Fortschritt

Wer war Fritz Lattke?
Ich habe erst in späten Jahren erfahren, daß er ein „sorbischer Landschaftsmaler“ war, der in den Zeiten der DDR in der „Nationalzeitung“ (Organ der NDPD) einige Comics veröffentlichte, die wohl weniger für Kinder gedacht waren.
Fritz Lattke, 1895 geboren, verstarb 1980 in Weimar. Er wird als Landschaftsmaler geschätzt, und das erklärt seine Könnerschaft bei der Darstellung der unterschiedlichsten Gegenden. Aber auch in anderen Bereichen ist sein Zeichenstift sicher und wird schwierigsten Situationen gerecht.
Die in den 30er und 40er Jahren erschienenen Bücher mit Hanni, Fritz, Putzi und dem Raben Kolk belegen das reichlich.
Im ersten Band wird geschildert, wie die vier treuen Freunde zusammenfinden. Das Mädchen Hanni verirrt sich zu den Zwergen und begegnet dort dem Jungen Fritz, den die Zwerge großgezogen haben, und natürlich kehren beide in die Welt der Menschen zurück. Dann retten sie einen kleinen Hund, der ertränkt werden soll, und pflegen einen verwundeten Raben gesund. Wie selbstverständlich mischen sich märchenhaftes und reales Geschehen. So helfen die Zwerge Hanni und Fritz mit einem Goldklumpen aus der finanziellen Notlage und geben den beiden die Gabe, einen Wunsch zu tun, mit auf den Weg. Ihr Wunsch, Putzi möge sprechen können, geht sofort in Erfüllung. Daraus folgt: Putzi muß auch lesen lernen, und schon erscheinen im Buch eine hübsche Tafel mit allen Buchstaben (groß und klein) und in Gedichtform ein „Putzi-ABC“.
Im Buch „Putzis Freud und Leid“ (1939 erschienen bei Gebr. Richters Verlagsanstalt Erfurt) geht es weiter mit drolligen Versuchen, seine eigenen Möglichkeiten auszuloten und die Grenzen der Geduld bei den Erwachsenen zu erproben.
Rauchen bekommt Kindern meist schlecht, mit dem Taschenmesser sollte man den polierten Wohnzimmertisch nicht zu verschönern suchen, die Mitfahrt im Auto eines Fremden kann übel ausgehen ... Das alles wird humorvoll erzählt.

Zwei folgende Bände sind vollgepackt mit spannenden Abenteuern und führen in die Alpen und sogar rund um die Welt („Alpenreise zu Viert“ 1938 und „Zu Viert um die Welt“ 1941, beide bei Gebr. Richters Verlagsanstalt, Erfurt). Im Gebirge rauben Adler Putzi, auf der ungeplanten Fahrt durch fremde Länder geraten die vier treuen Freunde oft in Lebensgefahr – auf hoher See, bei Kannibalen, in einer Schlangengrube.


© 1991 Verlag & Druckerei Fortschritt

Auf den schön aquarellierten Zeichnungen von Fritz Lattke sieht man die Vier beim Auftritt im Zirkus, auf einem Straußenrücken vor einem Löwen flüchtend und bei manchem anderen Abenteuer. Auch andere Jugend- und Kinderbücher hat Fritz Lattke illustriert, so z.B. Die Jagd nach der Zaberkiste von Rudolf Weiß oder Rainer und die Puppenmutter von Hans-Günther Krack (beide in Knabes Jugendbücherei).
Spätestens jetzt muß gesagt werden, wer die Geschichten um Hanni, Fritz, Putzi und Kolk verfaßt hat. Autor ist Joachim Rohde, 1906 in Berlin geboren, 1949 im sowjetischen Speziallager Nr. 2 in Weimar-Buchenwald umgekommen – ein tragisches Schicksal! Von diesem phantasievollen und ideenreichen Schriftsteller war noch viel zu erwarten. Nach dem juristischen Studium und dem Referendariat arbeitete er für die Thüringer Allgemeine Zeitung.

© 1941 Richters Verlagsanstalt /1991 Druckhaus Erfurt

Das Buch „Da ist was geschehen“ erlebte 1991 eine Neuauflage (Verlag Fortschritt in Erfurt). Im selben Verlag erschien 1992 der Sammelband „Das große Abenteuerbuch mit Hanni, Fritz, Putzi und Kolk“.
 
Die „Vier treuen Freunde“ verstehen es, die Herzen von Kindern zu gewinnen. Sie sind unternehmungslustig und pfiffig, befreien sich geschickt aus verzwickten Lagen und beweisen immer wieder Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft. Anrührend z.B. ihre Freundschaft mit einem gezähmten Tiger, ihrem Partner bei manchen Kunststückchen im Zirkus (in: „Zu Viert um die Welt“).
Man muß die Vier einfach liebhaben, und die Zuneigung der Kinder verlängert bekanntlich das Leben von „Buch-Figuren“.
Im „Karikaturisten-Lexikon von Kurt Flemig (1993 Kg. Saur, München, New Providence, London, Paris) ist Fritz Lattke nicht verzeichnet. Umso mehr ist es angebracht, seiner in diesem Beitrag zu gedenken.
 
- Finis -