Da geh ich mal mit warm Wasser dran

von Hanns Dieter Hüsch

© Paul Maaßen
Da geh ich mal mit warm Wasser dran

Übrigens
Wenn zwei Menschen sich kennenlernen
Schätzen und lieben
Da gibt es ja kaum eine Sache wo der eine an dem anderen
Verzeihung
Man muß ja sagen wo der eine an der anderen
Oder wo die eine an dem anderen
Obwohl es gibt ja auch der eine und der andere
Und die eine und die andere
Beim Zusammenleben
Meinzeit
Jetzt hamwer aber alles ordentlich auseinanderklamüsert
Hoffentlich richtig
Man weiß ja heutzutage nie
Und man braucht halt Zeit um hinter den wunderbaren
Eigenschaften
Und Fähigkeiten
Dann auch die weniger wunderbaren zu entdecken
Manchmal braucht man dafür ein ganzes Leben
Oder sogar zwei Leben
Das muß gar nix Schlimmes sein
Zum Beispiel wenn ich mal beim Essen schlabbere
Hier würde meine Frau schon gleich sagen:
Was heißt denn hier «mal schlabbere» du schlabberst doch immer
Ich sag nun laß mich doch mal erzählen
Also wenn ich mal beim Essen schlabbere weil ich ja schon
Zu den würdigen Greisen zähle
Und eigentlich ein Schlabberlätzchen bräuchte
Weil ich zieh mir meist den Teller näher ran
Manchmal allerdings zu nah
So daß wenn ich dann in ein etwas zu zähes Fleisch
Mein Messer senkrecht hineinramme
Der Teller hochschlägt
Und erst gegen meine Brust
Dann auf die Hose kullert und dann am Boden
Nebst Sauce Kartoffeln zerschellt
Und ich sehe dann aus wie nicht recht gescheit
Und ich sage dann einen Satz
Dessentwegen ich eigentlich die ganze Geschichte hier erzähle
Ich sage dann nämlich immer: Da geh ich mal mit warm
Wasser dran
Bei diesem Satz wird meine Frau
Sie ist Textilreinigungsmeisterin
Bei diesem Satz wird meine Frau eine andere
Also anders als die Frau die ich kennengelernt
und auch geheiratet habe
Ein spitzer Schrei geht dann durch die Welt
Manchmal frage ich mich ob ich vielleicht inzwischen schon
Schlabbere
Nur damit meine Frau diesen spitzen Schrei ausstößt
Möglich
Der spitze Schrei
Nicht der Stolze-Schrey
Das war ja vor Jahrzehnten mal eine Stenographie-Schule
Danach hat sich meine Mutter noch kurz gefaßt
Nein der spitze Schrei den gibt's noch bei einer anderen Geschichte
Und zwar: Es gibt doch so Pullover oder so Jacken
Da ziehen sich die Fäden immer so raus
Wie die das machen weiß ich auch nicht
Sieht scheußlich aus
Dann möchte ich immer ruckzuck alle Fäden sofort abschneiden
Dann ertönt auch aus dem Kirschenmund meiner Frau der
Spitze Schrei
Schrill und tödlich
Als wenn die Heuschrecken vor Saarbrücken lägen. Übrigens da
Geh ich mal mit warm Wasser dran -
Da soll der Fleck zwar rausgehen
Aber ein neuer ein heller Fleck
Taucht aus dem Dunkel auf -
Flecken und ziehende Fäden!
Ich sage Ihnen ich sage Ihnen
Das sind Prüfungen auf die man sich nicht vorbereiten kann.
 
Hanns Dieter Hüsch

 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte dankenswerterweise Paul Maaßen zur Verfügung.