Friedrich Spee von Langenfeld

Ein Dichter - eine Lichtgestalt in dunkler Zeit.

von Heinz Rölleke

Prof. Dr. Heinz Rölleke - Foto © Frank Becker
Friedrich Spee von Langenfeld
 
Ein Dichter - eine Lichtgestalt in dunkler Zeit.
 
Zum 420. Geburtstag am 25. Februar 2021
 
Von Heinz Rölleke
 
 
In der derzeitigen Überschwemmung durch Gedenktage aller Art droht eine Reihe von Namen unterzugehen, die es verdienten, daß ihr Andenken immer wieder wachgerufen und in Ehren gehalten wird. Dazu ist ganz ohne Zweifel der rheinländische Jesuit Friedrich Spee zu rechnen, der 1591 in Kaiserswerth bei Düsseldorf geboren wurde und 1610 in den Jesuitenorden eintrat. Im Zuge der Gegenreformation wurde er 1629 in Peine eingesetzt, was ihm einen Überfall mit schweren Verletzungen eintrug. Noch im gleichen Jahr berief man ihn als Professor in Paderborn, dann als Beichtvater in Gefängnissen und Krankenhäusern in Trier, wo er sich bei der Pflege pestkranker Soldaten ansteckte und am 7. August 1635 im Alter von 44 Jahren starb. Er liegt in der Trierer Jesuitenkirche begraben. Spee wurde und blieb sehr berühmt durch seine anonym erschienene Schrift „Cautio Criminalis“ (1631). die sein Orden zwar mit Unmut betrachtete und die ihm mannigfache Zurücksetzungen bescherte, die indes als erste katholische Schrift gegen Hexenglauben und Folter auf diesem fürchterlichen Feld in dunklen Zeiten einen Durchbruch bewirkte, an den der berühmte Jurist Christian Thomasius anknüpfen konnte, der mit seinen Schriften wesentlich und entscheidend gegen die Hexenprozesse auftrat und schließlich zu deren Ende beitrug. Nicht nur dieser „Vater der deutschen Aufklärung“ rühmte Spee, sondern auch der große Philosoph und Universalgelehrte Leibniz:
 
 Sein […] Gülden-Tugend -Kleinod schien mir ein ganz göttliches
Buch zu sein und ich wünschte es in die Hände aller Christen.[...]
ich weiß nicht, ob je einer ein so solides Andachtsbuch geschrieben
hat.[...] Wunderbar ergriffen wurde ich, so oft ich seine Ausführung
über die Natur und Wirksamkeit der göttlichen Liebe las. Ich weiß
nicht, ob je ein Schriftsteller, der für das Volks geschrieben, diese so
wichtige Materie nach ihrem Wert behandelt hat mit Ausnahme     
dieses einen Autors.
 
Leibniz lobt mit diesen Worten das „Güldene Tugend-Buch“, das Spee 1627 aus seinen wöchentlichen Betrachtungen, die er vor den Devotessen von Köln vorgetragen hatte, zusammenstellte.
 
Unter dem Titel „Trutz Nachtigall“ waren 1649 posthum 52 Geistliche Lieder Spees erschienen; der romantische Dichter Clemens Brentano besaß einen Nachdruck von 1666, der ihn begeisterte und ihn zu einem vehementen Lobredner des seinerzeit vergessenen bedeutendsten katholischen Dichters des deutschen Barock machte. Die Aufklärung hatte die alten Traditionen der Volks- und Kunstdichtung vom Mittelalter bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gekappt und versucht, diese Produkte des scheinbar „finsteren Mittelalters“ und des angeblich nur schwülstigen Barock vergessen zu machen (wie damals übrigens auch der gediegene Literaturkenner Friedrich der Große). Brentano setzte den Abdruck von vier Gedichten in der epochemachenden Sammlung alter Lieder „Des Knaben Wunderhorn“ (1805) durch und fügte ein Spee-Gedicht kunstvoll in den wunderbaren Stichtitel zum „Wunderhorn“-Anhang „Kinderlieder“ (1808) ein. Darüber hinaus veröffentlichte er von ihm überarbeitete Ausgaben der Spee'schen „Trutz Nachtigall“ (1817) und des „Tugendbuchs“ (1829).
 
Daß die hohe Wertschätzung und die eher künstlerischen als philologischen Rezeptionsbemühungen Brentanos selbst bei den an sich gleichgesinnten Romantikern nicht sofort auf fruchtbaren Boden fielen, erweist der Briefwechsel mit seinem Freund und Mitherausgeber des „Wunderhorn“ Achim von Arnim. Am 2. April 1805 schreibt Brentano: „Dieser Mann ist ein Dichter mehr als mancher Minnesänger […]. Schriften dieses großen in religiöser Liebe größten Dichters“ verdienten unbedingte Bewunderung. Brentano, Halbitaliener und Katholik aus dem süddeutschen Raum, fiel der Zugang leichter als dem norddeutschen Protestanten Arnim, der brieflich sogleich replizierte und dabei als schweres Geschütz Luthers Lieder ins Spiel brachte:
 
 Und um Dir zu beweisen, daß die Nachtigall [Luther, genannt die
„Wittembergisch Nachtigall“] doch wohl noch höher stieg und sang
als die Trutznachtigall, setze ich Dir noch zwei andere Lieder
[neben Luthers „Ein feste Burg“] her […] man kann sie nicht oft
genug lesen.
 
Schließlich wurden ins „Wunderhorn“ aber nur zwei Lieder Luthers aufgenommen.
 
Durch die Veröffentlichungen im „Wunderhorn“ angeregt, fanden auch andere Lieder Spees ihren Weg zu Komponisten und vor allem in die Gesangbücher beider Konfessionen. Felix Mendelssohn vertonte „Der trübe Winter ist vorbei“ (6 Lieder op. 86), Johannes Brahms unter Hinzuziehung einer älteren Melodie „In stiller Nacht“ (WoO 34).
 
In evanglischen Gesangbüchern finden sich unter anderen die Spee-Texte „O Heiland, reiß die Himmel auf“, „Zu Bethlehem geboren“

Friedrich von Spee, Statue von Heinrich Gerhard Bücker in
Paderborn - Foto © Daniel Brockpähler
oder „Vom Himmel hoch, o Englein, kommt“; in viele katholische Gebet- und Gesangbücher der letzten drei Jahrhunderte sind natürlich sehr viel mehr Perlen der Spee'schen Lyrik aufgenommen, die denn auch zu fast allen Themen des Kirchenjahres wertvolles Liedgut beitragen. 2013 boten die Gesangbücher folgende Liedtexte Spees: Im Advent „O Heiland, reiß die Himmel auf“; zu Weihnachten „Vom Himmel hoch, o Engel kommt“, „Zu Bethlehem geboren“; zur Passionszeit „O Traurigkeit, o Herzeleid“; zum Epiphaniasfest (6. Januar) „Es führt drei König Gottes Hand“; zu Ostern „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ“, „Ist das der Leib, Herr Jesu Christ“, „Lasst uns erfreuen herzlich sehr“; zum Michaelstag (29. September) „Unüberwindlich starker Held“; zum Allerheiligenfest (1. November) „Ihr Freunde Gottes allzugleich“.
 
In diesen Liedern ist der große Lyriker noch präsent, obwohl man sich in der Regel wohl nicht an den Namen des Verfassers erinnert. Ansonsten halten mehrere Institutionen und Gesellschaften sein Andenken in hohen Ehren, etwa das 1963 eröffnete Neusser Erzbischöfliche Friedrich-Spee-Kolleg in Neuss, die 1998 gegründete Friedrich-Spee-Akademie in Mönchengladbach oder die Friedrich-Spee-Akademie in Wuppertal (seit 2006) sowie mehrere Spee-Gesellschaften zum Beispiel in Düsseldorf, Paderborn und Trier.
 
Spees Gebeine wurden erst 1980 identifiziert und in einen spätantiken Sarkophag umgebettet; ein Denkmal ist über der sogenannten Spee-Gruft in der Trierer Jesuitenkirche erstellt. Eine Statue von Heinrich Gerhard Bücker in Paderborn und eine Ehrenplakette am ehemaligen Dreikönigsgymnasium in Köln halten sein Andenken wach.
 
Die von vielen frommen Katholiken seit langem erwartete Seligsprechung dieses heiligmäßigen Mannes und großen Künstlers läßt immer noch auf sich warten. Es könnte sein, daß der Jesuitenorden die Bildung einer Kommission in Rom behindert, vielleicht um die Differenzen in Sachen des Hexenwahns zwischen ihm und der jesuitischen Lehrmeinung des frühen 17. Jahrhunderts nicht thematisieren zu müssen.
 
 
© Heinz Rölleke für die Musenblätter 2021