Lebendige Vergangenheit

Waltraud Robke-van Gerfsheim - Aus dem Leben des Stadtverordneten August Funccius“

von Michael Zeller

Lebendige Vergangenheit
 
Aus der Chronik einer alten Elberfelder Familie
 
Eine kleine Familienchronik mit hochinteressanten Bezügen zur Wuppertaler Stadtgeschichte hat vor kurzem Waltraud Robke-van Gerfsheim vorgelegt. „Aus dem Leben des Stadtverordneten August Funccius“ ist der Titel dieses reichbebilderten, schön aufgemachten Buches. Die Verfasserin konnte dabei nicht nur auf Handschriftliches und auf Bildmaterial aus der Familie zurückgreifen. Sie hat auch ausführlich das hiesige Stadtarchiv genutzt. Und schließlich war sie selbst noch mit dabei, als kleines Mädchen, als die große Familie Familie Funccius sich zum letzten Mal versammelte. Das Familienfest fand 1948 in den Zoogaststätten statt - der einzige Ort in der Stadt, wo man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs eine solche Großveranstaltung noch unterbringen konnte.
Der Familienname Funccius ist natürlich eine Latinisierung von Funck oder Funcke. Um 1650, in der Zeit des Humanismus, war einem Pfäfflein dieses Namens die deutsche Sprache nicht mehr gut genug (wir erleben das heute ja wieder in erschreckendem Ausmaß), und er möbelte seinen Namen auf in die damalige sprachliche Leitwährung, das Latein. Die folgenden Generationen hatten dann, ob sie wollten oder nicht, mit diesem Spleen zu leben.
So auch der wackere Metzgermeister August Funccius aus Elberfeld, dem das Hauptaugenmerk der Autorin gilt. Ein schwerer Mann, mit mächtigem weißem Kinnbart und der stolzen Uhrkette über dem wohlgenährten Leib. Zwei Jahrzehnte lang war er Stadtverordneter von Elberfeld, als Mitglied der „Freikonservativen Partei“. Im damaligen Deutschen Reich war der Parlamentarismus natürlich anders organisiert als heute. Es gab das Dreiklassen-Wahlrecht, wo die Stimmen jeweils nach dem Einkommen des Wählers gewichtet wurden. Frauen und Personen ohne Einkommen war die Wahl verwehrt. August Funccius gehörte zur dritten Klasse der Abgeordneten, aus der städtischen Unterschicht, und als solcher vertrat er die Wähler, die man damals „Kleine Leute“ nannte. Er muß seine Sache gut gemacht haben, sonst wäre er wohl nicht dreimal wiedergewählt worden.
Zweimal im Monat machte der Metzgermeister Funccius sich auf den Weg zur Ratssitzung ins Elberfelder Rathaus, das zu der Zeit noch im heutigen Von der Heydt-Museum tagte. Allmählich wurde dieser Bau zu klein, und Ende der 1890er Jahre begann man Pläne für einen Neubau des Rathauses zu schmieden. Über Bauplätze wurde diskutiert, über die Kosten selbstverständlich. Das Für und Wider war, man ahnt es, äußerst heftig. Waltraud Robke hat diese wichtige Phase der Elberfelder Historie ausführlich dokumentiert, mit den durchaus auch witzigen Redebeiträgen ihres Vorfahren Funccius. Das liest sich richtig spannend, und manch einer mag denken: So weit entfernt von damals klingen die Diskussionen aus dem Stadtrat auch heute nicht, wenn es um aufwendige städtische Neubauprojekte geht. Da wird, wie nirgends sonst, gestritten, was das Zeug hält. Und das ist gut so (weil, so hoffen wir, kostensenkend).
Das Ergebnis des lokalpolitischen Streites aus den 1890er Jahre steht heute jedem Wuppertaler Bürger am Neumarkt vor Augen: das Elberfelder Rathaus, eine stilistische Mischung von italienischer Frührenaissance mit deutscher Gotik, im Geschmack der damaligen Zeit. Um 1900 endlich war das große Werk vollendet. Kaiser Wilhelm II. kam höchstselbst mit Gattin zur Einweihung des Hauses. In einem Aufwasch konnte er gleich noch die Ruhmeshalle in Barmen und die Schwebebahn durchs Wuppertal einweihen. Das freuten Seine Majestät gar sehr …
Die Lebensbeschreibung des Elberfelder Ratsherren August Funccius von anno dunnemals, aus den Händen einer Nachfahrin und erfreulich bebildert, kann jedem Wuppertaler Leser empfohlen werden. Sie und er erfahren darin, wie fremd einem so manches Vergangene geworden ist. Doch in gleichem Maße überrascht es wiederum, daß vieles gar nicht so gewaltig anders geworden ist seit mehr als hundert Jahren. Das kann einen Menschen von heute dem eigenen Geschehen gegenüber etwas gelassener machen.
Und nichts, scheint mir, braucht diese Gesellschaft derzeit nötiger.
 
Waltraud Robke-van Gerfsheim - Aus dem Leben des Stadtverordneten August Funccius“
© 2020 NordPark Verlag , 80 Seiten, gebunden, Fadenheftung, gestaltet von Christine Burlon
- ISBN: 978-3-943940-68-8
18,- €
Weitere Informationen: www.nordpark-verlag.de