Spinning Wheel - oder: Die einen erben Privilegien, die anderen eine Vorliebe für eingeschweißte Fleischwurst.

Schauspiel Wuppertal: „Café Populaire“ von Nora Abdel-Maksoud im Stream

von Frank Becker

Screenshot, v.l.: Clemens Gutjahr, Julia Meier, Konstantin Rickert, Madeline Martzelos, Stefan Walz

Spinning Wheel
 
oder:

Die einen erben Privilegien, die anderen eine Vorliebe für eingeschweißte Fleischwurst.
 
Café Populaire von Nora Abdel-Maksoud
 
Inszenierung: Maja Delinić - Bühne & Kostüme: Ria Papadopoulou - Musik: Clemens Gutjahr - Dramaturgie: Barbara Noth - Regieassistenz & Abendspielleitung: Serena Knüpper/ Carina Jungbluth / Johanna Landsberg - Inspizienz: Alexander Sturm - Produktionsleitung: Peter Wallgram - Projektmanagement Stream: Julian Rasmus Grüter
Stream-Videoproduktion: WUPPERwerft - Konzept Videostream: Maja Delinić, Vera Maria Schmidt, Arne Schramm – Fotos: Uwe Schinkel / Schauspiel Wuppertal
 
Besetzung: Svenja, Hospizclown, guter Mensch (Madeline Martzelos) - Der Don, Svenjas klassistische Abspaltung (Julia Meier) - Püppi, Älteste Hospizpatientin, zäh wie Rindsleder (Stefan Walz) - Aram, Dienstleistungsproletariat (Konstantin Rickert) - Ein Live-Musiker (Clemens Gutjahr)
 
Charley Tante habe ich noch nie gemocht. Auch eingeschweißte Fleischwurst nicht. Und schon gar nicht mit ihrer „mutigen Originalität“ kokettierende Aneinanderreihungen von populistischer Polemik, Parolen und Plattitüden. Nora Abdel-Maksoud tut genau das mit ihrem trotz intelligenter Ansätze überhaupt nicht komischen Stück „Café Populaire“, in dem – obwohl es heißt: Humor ist eine scharfe Waffe! - mit stumpfer Klinge wort- und tourettereich Schein-Satire betrieben wird. Klassenkampf, Sozialkritik und Genderismus auf die Schippe zu nehmen oder gar zu betreiben verlangt mehr, weit mehr. Das wird von den vier Mimen, denen die Nachwelt in diesem Zusammenhang zwar keine Kränze flechten wird, immerhin mit vollem Einsatz und mit TV- und Smartphone-Einblendungen zwischen bunten Boxsäcken auf die Barmener Bühne (Ria Papadopoulou) des Wuppertaler Schauspiels gebracht, aber das war´s dann schon. Was können die Schauspieler für das Buch und die Umsetzung? Vielleicht soll die Inszenierung von Maja Delinić ja im Sinne der Autorin sogar doppelbödig billig wirken – aber: sie wirkt wirklich billig. Was schade vor allem für die stets ausgezeichnete Julia Meier als alter ego der glücklosen Kernfigur Svenja (Madeline Martzelos) ist - und das den aus zahllosen Inszenierungen bekannt grandiosen Schauspieler Stefan Walz in seiner lächerlichen Püppi-Maskerade geradezu desavouiert. Da wäre Lore Duwe die passendere Besetzung gewesen. Nein, Freude am Theater kam in den 110 fürs Streaming gefilmten Minuten nicht auf. Auch der solide Konstantin Rickert blieb sträflich unterfordert. Übrigens: Clemens Gutjahr an Keyboard und Synthesizer war ein Pluspunkt.In kulturarmen Zeiten wie diesen lechzt das ausgehungerte Publikum nach Erbauung, nach gediegenem Theater oder aber zumindest guter Unterhaltung. Dies ist keines von beidem.

Bleiben für das Fazit Bertolt Brechts „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“ aus „Der gute Mensch von Sezuan“ und Altmeister Goethe mit:

Natur und Kunst

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

Johann Wolfgang von Goethe
 
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de