Sehen - und wissen was drin ist

"Kultflaschen" - Ein Film von Wolfgang Dresler

von Frank Becker
Auf einen Blick wissen,
was drin ist...

Wenn ein Produkt durch die Form und Charakteristik seiner Verpackung, hier der Flasche, so eingeführt ist, daß "jedes Kind" auf Anhieb den Markennamen kennt und weiß was drin ist, hat der Designer seine Arbeit gut gemacht. Ein neuer Film aus der Tacker-Film-Produktion von Wolfgang Dresler stellt einige solcher zu Kultobjekten gewordenen Flaschen und Fläschchen vor und erzählt ihre Geschichte: " Kultflaschen - Durch Werbung zum Erfolg".


Sinalco

Franz Hartmann, findiger Geschäftsmann aus Detmold und der zu seiner Zeit landauf landab durch seine Gesundheits-Hausbücher bekannte Naturheilkundler Eduard Bilz taten sich um 1900 zu einer geschäftlichen Symbiose zusammen, um der Nation ein neues Erfrischungsgetränk aus Obstsaft- Konzentraten zu kredenzen: die "Bilz-Brause". Um die sprunghaft ansteigenden Umsätze vor der rasch wachsenden Konkurrenz (und vor Begehrlichkeiten der Bilz-Familie) zu schützen, mußte ein markanter Marken-Name her. Hartmann veranstaltete 1905 ein Preisausschreiben, der Vorschlag "Sinalco" (sine alcohole - ohne Alkohol) wurde unter vielen anderen eingesandt und gewann. Der Gewinner bekam 100 Goldmark und das Getränk seinen jetzt seit über 100 Jahren eingeführten Namen. Der Sektkelch und der Sinalco-Schriftzug werden zum Markenzeichen, in den typischen roten Punkt werden sie endgültig 1937 gesetzt und damit bis heute unverwechselbar. Eine Sinalco Cola wurde übrigens bereits 1934 eingeführt.

© Sinalco
Die Erfolgsgeschichte der wirklichen leckeren Brause ohne künstliche Aromen hat durch zwei Weltkriege und wirtschaftliche Flauten, Wirtschaftswunder und Flower-Power ein heftiges Auf und Ab mitgemacht, sich Modeerscheinungen und Zeitgeschmack angepaßt und nach einer Zeit relativer Stagnation in den 80ern und 90ern jetzt wieder seinen Platz auf dem Markt. In den 50er Jahren warben bekannte Schauspieler wie Rudolf Platte und Erich Fiedler für Sinalco, aufwendige Zeichentrickfilme zur Melodie von "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere" wurden produziert und auch Alkohol war nicht mehr tabu: man empfahl dem Zeitgeist und der Mode entsprechend z.B. 1954 Mixgetränke mit Gin. Sinalco Cola nimmt den Wettbewerb gegen Coca und Pepsi auf und in den "Wilden 60ern" wird Sinalco zum Getränk der Blumenkinder. Die Sinalco Party Puppe wird zum Kult und Star-Graphiker Heinz Edelmann zeichnet Werbefilme. Heute ist das Unternehmen Sinalco in neuer Hand, wird in Duisburg gepflegt und ist in der "alten" Flasche, mit dem typischen Markenzeichen mittlerweile wieder in 50 Ländern der Erde zu haben. Sinalco lebt! Ein sehr schön gemachter, unterhaltsamer Film von Wolfgang Dresler, Kamera: Dieter Fietzke


Underberg

Daß auch ein Magenbitter Kult werden kann, beweist die Geschichte des Unternehmens Underberg: "Underberg und Du fühlst Dich wohl". Der Apotheker Hubert Underberg gründet bereits 1846 im

© Underberg
niederrheinischen Rheinberg unter dem Motto "Semper idem" (immer gleich - in seiner Qualität, Anm.) das Unternehmen, das noch heute im Familienbesitz ist. Er macht aus dem gewöhnlichen "Boonekamp" oder auch "Maagbitter" das oft kopierte Getränk, das seither als Allheilmittel gegen Unwohlsein gilt und das erstaunlicherweise als pharmazeutische "Wirkspirituose" zum internationalen Verkaufsschlager wurde. Das kleine
20 ml-Fläschchen im Strohpapier wurde erst 1949 von Emil Underberg, dem Enkel, des Firmengründers erfunden und trat einen triumphalen Siegeszug um die Welt an. Sicher trug auch die intensiv betriebene Werbung zum Erfolg bei - die Filmausschnitte aus Kino- und Fernsehwerbung lassen eine Creme deutscher Schauspieler und Sympathieträger der 50er bis 70er Jahre aufmarschieren: Gerhard Lippert, Hans Cossy, Franz Schneider, Rolf Schimpf, Günther Jerschke, Karl-Heinz Gerdesmann und Heini Göbel sind nur einige. Sogar die Miß Welt 1956, Petra Schürmann ist in einem Filmclip zu sehen! Die Stimme Horst Naumanns stand markant hinter manchem der Filmchen.
Der Underberg-Zeppelin kreuzte jahrelang über Deutschland und machte das Produkt noch bekannter. In den 70er Jahren sorgte die Einbindung einer der bekanntesten Film-Melodien, der River Kwai March für einprägsame Popularität: "Komm doch  - mit auf den Underberg" sangen die Werbechöre. In über 100 Länder der Erde wird Underberg heute exportiert.
Ein Film von Sandra Karlowski. 


Odol

Einen Film des Mitteldeutschen Rundfunks MDR konnte Wolfgang Dresler zur Geschichte des Mundwassers Odol übernehmen. Das Werbegenie Karl August Lingner entwickelte ab 1893 mit seinem Freund Prof. Seifert in Dresden nicht das erste, aber ein neues Mundwasser, das er nach odus (Zahn) und oleum (Öl) benannte und - das ist der Geniestreich - in eine derart typische Flasche abfüllte, daß eine Identität entstand, die den Markennamen quasi (wie z.B. beim Tempo-Taschentuch) synonym für alle Mundwasser wurde: die Flasche mit dem Knick. Wer kennt sie nicht! Jeder kennt sie. Die Kampagne, die Lingner startet, stellt alles in der Werbung bis dahin da gewesene in den Schatten. "Das beste Mundwasser der Welt" duldet keine Konkurrenz und trägt auch schon mal ordentlich dick auf: "Höre die ernste Mahnung, o Mensch, in jeglicher Stunde: Denke Deines Mundes zur Zeit - geh´- und brauche Odol!" - "Etwas besseres für die Zahnpflege giebt es nicht". Man

© Odol
"odolisiert", um gesellschaftlich en vogue zu sein. Odol ist das Sesam öffne dich zur Anerkennung, Liebe und gehobenen Kreisen suggeriert die Reklame - und hat Erfolg.
Lingner bricht das Tabu, ernsthafte Kunst mit Reklame zu vermischen, ja sie dafür einzusetzen, in dem er Franz von Stuck "zweckentfremdet". Zum Allgemeingut geworden, finden die Odol-Werbung und die Odol-Flasche sogar Eingang in die Kunst. Ernst Ludwig Kirchner läßt ein Werbeplakat für Odol in einer Stadtlandschaft aufscheinen und Karl Schmidt-Rottluff malt die Odol-Flasche als Bestandteil des Schminktischs seiner Frau.
Linger wird zum "Odol-König". Stuart Davies schließlich malt 1924 die Odol-Flasche als Kunstwerk. Das aber und die Einführung der Odol-Zahnpasta 1938 erlebt der selbsternannte Hygiene-Papst nicht mehr, er stirbt 1916 - hat ein wenig zu wüst gelebt.
Christian Frey und Detlev Meyer zeichnen in ihrem Film ein leicht ironisches Portrait der Marke Odol, Zeitzeuge Peter von Zahn kommentiert im Interview und
in einem Werbefilm der 50er Jahre tritt Hubert von Meyrinck auf. Sprecher ist Ulrich Lipka.


Maggi

Ein "Extra" im Block verschiedener Werbefilme für Sinalco, Underberg u.a., die auch die kurzlebige

© Maggi
"Ex und hopp"-Flasche zeigen, stellt auch noch eine andere unverwechselbar gewordene Marke vor: das Haushaltswürzmittel "Maggi", dessen Flasche ein ebensolcher Designklassiker geworden ist wie die oben genannten und bis heute in (fast) keiner Küche fehlt.
Statistisch gesehen steht heute in jedem deutschen Haushalt ein Maggi-Fläschchen. Der Schweizer Julius Maggi experimentierte 1886 mit Gemüse-Extrakten, um ein preiswertes Volksnahrungsmittel auf den Markt bringen zu können, erfand die berühmten Instant-Suppen aus dem Brühwürfel und im selben Jahr die flüssige Suppenwürze, deren Rezeptur bis heute geheim ist. Julius Maggi entwickelt auch die typische Flasche mit eigenwilliger eckiger Form, dem gelben Etikett und dem roten "Hütchen". Auch Maggi gründet seinen weltweiten Erfolg auf große Werbekampagnen. Einige Filme aus der Werbegeschichte sind zu sehen. Der Film verrät es nicht: sogar Frank Wedekind hat sich als Werbetexter für Maggi betätigt. Und daß die katholische Kirche eine Untersuchung durchführte, ob die Verwendung von Maggi an Freitagen zulässig sei, weil nicht feststellbar war, ob in dem Extrakt Fleisch enthalten war, ist ein kurioses Streiflicht.


"Kultflaschen - Durch Werbung zum Erfolg" - aus der Edition Werbeklassiker
© 2008 Tacker Film - starmedia, ca. 75 Minuten
Weitere Informationen unter
: www.tackerfilm.de