„Davon glaube ich kein Wort!“

Richard Feynman in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Richard Feynman in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

Der klügste Mensch der Welt
 
Wenn es einen Physiker gibt, der neben den klassischen Heroen Einstein und Bohr und dem Chefzyniker Pauli ein eigenes Kapitel verdient hat, dann ist es der aus New York stammende Richard Feynman, der im Laufe seines Lebens von vielen Kollegen und Studenten bewundert und gefeiert wurde und so viele anekdotische Momente generiert hat, daß damit bereits einige Bücher gefüllt worden sind. Am bekanntesten ist wohl der Band „Surely You´re Joking, Mr. Feynman!“, der „Adventures of a Curious Character“ verspricht und das auch hält. Der Titel der kuriosen Abenteuer gibt die Antwort einer britischen Lady wieder, die den in England zu Gast weilenden Feynman zum Tee eingeladen und ihn dann gefragt hatte, ob der seinen Tee mit Milch oder Zitrone nehme. Auf die Antwort „Both“, „Beides“ des geistesabwesenden Feynman, reagierte die Dame entsetzt, „Das meinen Sie doch sicher im Scherz, Herr Feynman.

       Gescherzt hat Feynman gerne, nicht nur als junger Physiker, sondern auch als reifer älterer Herr, der sich nicht zuletzt deshalb auf die Kunst – konkret auf das Malen und Zeichnen – eingelassen hat, weil er einem Künstler gegenüber seine Ansicht konkret verdeutlichen wollte, „Die zeitgenössische Kunst taugt nichts. Jedes Kind kann es besser machen.“ Also fing das Spielkind Feynman an zu zeichnen, und als er seine handwerklichen Fertigkeiten immer weiter verbesserte, gelangen ihm sogar Blätter, die es wert waren, in einer Ausstellung präsentiert zu werden. Eine der Zeichnungen, die Feynman als Übung im Schattieren begonnen hatte, zeigte das Porträt eines nackten Modells, welches auf der Seite lag und von unten beleuchtet wurde. Als Feynman für die Ausstellung um einen Titel gebeten wurde, schlug er ironisch vor, „Madame Curie, die Strahlung von Radium beobachtend.“ Als einer der Besucher beim Betrachten dieses Blattes Feynman fragte, ob er nach Fotos zeichne oder lebende Modelle vor sich habe, meinte der Angesprochene ganz lässig, er arbeite nur mit lebenden Modellen, was den Kunstliebhaber offenbar als Auskunft ausreichte und befriedigte. Wie und woher sollte er auch wissen, wer die 1934 verstorbene Madame Curie war, der das Wort „Radioaktivität“ zu verdanken ist und die als erste Frau 1903 den Nobelpreis für Physik erhalten hat? Gekauft hat er Feynmans Zeichnung aber nicht.
       Was Bilder angeht, so hat Feynman immer betont, daß sie in seinem Innenleben eine Rolle spielen, da „Visualisierungen einen zentralen Bestandteil meines Denkens ausmachen“, wie von ihm zu erfahren war. Wenn er etwa über Elektronen in Atomen nachdenke, dann sieht er „vage Bilder, die mit Symbolen vermischt sind“, wobei Feynman sich leider keine Gedanken über die Herkunft dieser zur Physik beitragenden Imaginationen gemacht und vielleicht auch gar nicht gewußt hat, daß Johannes Kepler im 17. Jahrhundert ebenfalls mit inneren Bildern zu seinen astronomischen Einsichten kam. Kepler wußte allerdings noch, aus welcher Quelle sie kamen, nämlich aus seiner Seele, aus der sie emporstiegen, um die von außen kommenden Wahrnehmungen der Welt zu treffen und mit ihnen den Einklang zu erreichen.
       Feynman agierte rationaler und möglichst mit mathematischen Symbolen, bei denen er erneut etwas Eigenwilliges erlebte: „Ich sehe bei Gleichungen die Buchstaben stets farbig“, wie er einmal gesagt hat, und „wenn ich eine Vorlesung halte, tanzen vage Bilder mit gelbbraunen, leicht bläulich violetten und dunkel braunen Buchstaben vor meinen Augen, und ich frage mich dabei, wie zum Kuckuck sie wohl für die Studenten aussehen mögen.“
       Was übrigens das Halten von Vorlesungen angeht, so bereitet er sich jeweils extrem sorgfältig vor, auch wenn es immer so aussah, als ob ihm spontan einfalle, was er gerade sagte. Feynman kann seine Nervosität oder sein Lampenfieber vor einem Auftritt erst ablegen, wenn es losgeht. Feynman hatte in jungen Jahren einmal sogar einen Vortrag über seine Doktorarbeit in Princeton zu halten, bei dem er zu seinem Entsetzen Pauli und Einstein unter den Zuhörern erblickte. Er schwitzte gewaltig und seine Hände zitterten ungemein, als er mutig ans Rednerpult trat, „aber dann geschah ein Wunder, und es ist immer wieder in meinem Leben geschehen, und das ist ein großes Glück für mich: In dem Augenblick, in dem ich anfange, über die Physik nachzudenken und mich auf das konzentrieren muß, was ich erkläre, ist mein Bewußtsein mit nichts anderem beschäftigt – ich bin vollkommen dagegen gefeit, nervös zu sein. Nachdem ich losgelegt hatte, wußte ich schlicht nicht mehr, wer in dem Raum war.“
 

© Ernst Peter Fischer