In letzter Minute

Literaturempfehlungen kompakt (2)

von der Musenblätter-Redaktion

Jean-Honore Fragonard, Leserin
In letzter Minute:

Literatur-Empfehlungen kompakt (2)
 

Lieber Leser, verehrte Leserin,
 
sozusagen „auf den letzten Drücker“ für die Unschlüssigen, die noch nicht für alle Freunde oder sich selbst das passende Buch-Geschenk gefunden haben, möchte Ihnen die Musenblätter-Redaktion zur Anregung in kompakter Form wie schon am vergangenen Samstag heute noch einmal einige Bücher vorstellen, die uns gefallen haben und die vielleicht genau das sind, was Sie noch für sich und andere gesucht haben.
Wenn Sie Bücher beim örtlichen Buchhandel Ihres Vertrauens bestellen, können Sie sicher sein, daß Sie rechtzeitig und zuverlässig vor Weihnachten beliefert werden.
Bitte beauftragen Sie den lokalen Buchhandel, dessen Existenz davon abhängt, und bestellen Sie nicht beim Steuern vermeidenden und seine Mitarbeiter ausbeutenden internationalen Multi.
Aber nun zum zweiten Teil unserer Empfehlungen:

 
Die verschollene Handschrift

 
Als er gerade dienstlich in Bern ist, erreicht den Zürcher Bibliothekar Ernst ein offensichtlich irregeleiteter Anruf. Am anderen Ende der Leitung ist eine ihm unbekannte Frau, die ihn anfleht, umgehend zu ihr zu kommen. Aus einer Augenblickslaune heraus begibt sich Ernst zu der nahe gelegenen Adresse. Dort erwartet ihn eine alte Frau und drückt ihm ein Päckchen in die Hand mit der Bitte, es zu verwahren, damit es nicht in falsche Hände gerate. Zu seiner eigenen Verblüffung kommt Ernst der Bitte nach. Als er das Päckchen bei sich zu Hause öffnet, entdeckt er eine alte Handschrift, die er als ein Exemplar des „Abrogans“ erkennt, eines lateinisch-althochdeutschen Wörterbuchs, das als ältestes deutschsprachiges Buch überhaupt gilt. Sollte es sogar das bisher verschollene Original sein? Was, fragt sich Ernst, hat es mit diesem Fund auf sich? Und was soll er jetzt am besten tun …
Franz Hohler hat seine Leser schon immer bereits beim ersten Blick ins Buch festzuhalten gewußt, hier erzeugt er durch seine brillante Sprache einen unwiderstehlichen Sog, dem man sich nicht entziehen kann und einfach weiterlesen muß. Diesen vielschichtigen, menschlich berührenden Roman kann man zu seinen Meisterwerken zählen und unbedingt empfehlen.
 
Franz Hohler – „Das Päckchen“
Roman
© 2017 Luchterhand Literaturverlag, gebunden, Schutzumschlag - ISBN: 978-3-630-87559-0
20,- € [D] / 20,60 € [A] / 26,90 sFr (jetzt auch als Taschenbuch, ISBN: 978-3-442-71978-5 für 10,- €)
Weitere Informationen: www.randomhouse.de
 
 
Ein Schelmenstück und köstliches Lesevergnügen
 
 
Thüringen Ende der 1970er Jahre, in dem verschlafenen Nest Groß-Naschhausen entgleist ein Güterwagon. Der delikate Inhalt, der bald darauf spurlos im Ort »versickert«, besteht aus pornografischen Magazinen für den Westen aus der Druckerei VEB Fortschritt. Klar, daß die DDR-Staatsmacht die ebenso moralgefährdenden wie devisenbringenden Hefte wieder zurückhaben will. Doch das ist bei der Chuzpe der Bürger und der Schwerfälligkeit des Amtsschimmels nicht so einfach …
Steht der Gast auf diesem Platz in der Höhe, schaut hinab auf die Dächer der Naschhausener unternorts, die kein Rathaus und keine Kemenate, keine Schule und keinen Friedhof haben, läßt er den Blick hinüberwandern zur funkelnden Leuchtenburg auf dem Gipfel über Kahla, genießt er die erhabene Weite dieser Urstromlandschaft hinauf und hinunter, bewundert den unendlichen Himmel über alledem, da wird ihm schließlich so wohl, daß er sein Glas übers Gitter hebt, die Arme breitet und ruft: Welt, du bist mein! .. . danach einen kräftigen Schluck vom Einheimischen nimmt und wieder weiß, warum er leben möchte.
Inge von Wangenheims 1980 erschienene Satire hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt, denn die Probleme, mit denen sich die Protagonisten herumschlagen, sind zeitlos: das Erwachsenwerden, die erste Liebe, die Einordnung in der Gesellschaft, Generationskonflikte und vor allem das Übel der moralischen Scheinheiligkeit.
In einem Nachwort wird nicht nur der satirische Roman betrachtet, sondern auch ein biografischer Blick auf dessen Autorin gewagt.
 
 
Inge von Wangenheim – „Die Entgleisung“
Roman
Mit einem Nachwort von Kurt Fricke
© 2020 Mitteldeutscher Verlag, 336 Seiten, Broschur - ISBN 978-3-89812-864-3
14,95 €
Weitere Informationen: www.mitteldeutscherverlag.de
 
 
Mit Poesie und Sprachwitz
 
 
Er ist als Gastdozent in einer europäischen Metropole, sie lebt in der Pampa, von Bergen umgeben. Nur einmal haben sich ihre Wege zufällig gekreuzt, aber irgendetwas muss aus dem »freundlichen Dunkel seiner Augen« übergesprungen sein, denn sie beginnen, sich zu schreiben. Aus E-Mails werden Briefe, werden langsam Liebesbriefe. Die Liebe verleiht Flügel, aber stürzt die Schreibenden, beide gebunden, auch in einen großen Zwiespalt. Was halten sie, was hält so eine Ehe aus?
Lisa Elsässer erweist sich wieder einmal als »Spezialistin für Lebensbrüche«. Mit Poesie, Sprachwitz und frappierenden Bildern verbindet sie in ihrem ersten Roman Innigkeit mit Schonungslosigkeit. Fremdgehen wagt sich in die sonst dem Schweigen unterliegenden Lügengebäude von Liebesbeziehungen vor, legt Ängste frei: vor Verrat, vor dem, was werden soll, und nicht zuletzt vor dem gesellschaftlichen Abseits. Manchmal, so stellt sich heraus, ist es doch besser, den Zug in die falsche Richtung zu nehmen.
 
Lisa Elsässer – „Fremdgehen“
Roman
© 2016 Rotpunkt Verlag / Edition Blau, 184 Seiten, gebunden, gebunden oder Broschur -
ISBN 978-3-85869-714-1
Book on Demand. Dieser Titel ist auch als E-Book erhältlich.
20,- €
Weitere Informationen: www.rotpunktverlag.ch
 
 
Briefe einer Liebe
 
 
Corinna Bille und Maurice Chappaz waren ein Liebespaar, ein Schriftstellerpaar und später Eltern von drei Kindern. Um sich je ein eigenes Leben zu bewahren, entschieden sie sich für die Nähe auf Distanz, wohnten meist getrennt oder waren viel auf Reisen. Diesem Umstand verdanken wir einen so umfassenden wie faszinierenden Briefwechsel, fast vom Tag ihrer ersten Begegnung 1942 an bis zum Tod von Corinna Bille im Jahr 1979, der nun erstmals auf Deutsch erscheint.
Wir lesen berührende, zärtliche Liebesbotschaften wie auch Zeilen gegenseitiger Enttäuschung, und wir verfolgen den intensiven Austausch zur Entstehung zweier Lebenswerke, die damit verbundenen Krisen, das Ringen um den zum Schreiben unabdingbaren Freiraum inmitten von Familie, finanzieller Bedrängnis und täglichen Sorgen. Und wenn etwa der Grenzsoldat Maurice Chappaz den Dienstalltag beschreibt und Corinna Bille die Schwierigkeiten, für ihr zu Beginn verheimlichtes Kind zu sorgen, werden auch die zeitlichen Umstände greifbar, wie hier die Auswirkungen des Kriegs in der Schweiz, was aus dem Schriftsteller-Briefwechsel zudem ein besonderes Zeitdokument macht.
Der einzigartige, bewegende Briefwechsel eröffnet auch ein besseres Verständnis für das Werk von S. Corinna Bille, das wir in den Musenblättern am Beispiel von „von der Rhone an die Maggia“, „Theoda“ und „Für immer Juliette“ vorgestellt haben.
 
S. Corinna Bille / Maurice Chappaz – „Ich werde das Land durchwandern, das Du bist“
Briefwechsel 1942–1979
Aus dem Französischen von Lis Künzli
© 2019 Rotpunkt Verlag / Edition Blau, 397 Seiten gebunden, Lesebändchen, Zeittafel, Werkverzeichnisse, Namensindex, mit 32 Seiten Fotografien und Faksimiles - ISBN: ISBN 978-3-85869-830-8
34,- €
Weitere Informationen: www.rotpunktverlag.ch
 
 
Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.
(Winston Churchill)
 
 
Wie man ein Kurvendiagramm zähmt – und andere lebensrettende Tipps zum Umgang mit Zahlen und Statistiken.
Zahlen begegnen uns überall: Sie bestimmen, was wir essen, wie schnell wir arbeiten oder wie wir uns fühlen. Vor allem in den Medien scheinen Zahlen glasklare Botschaften zu senden: über gute oder schlechte Entwicklungen, besorgniserregende Zustände oder verlockende Chancen. Doch können wir ihnen wirklich trauen? Und warum scheinen sich die vielen unbestechlichen Zahlen allzu oft zu widersprechen? Die Ökonometristin und Zahlenkorrespondentin Sanne Blauw zeigt in ihrem ebenso unterhaltsamen wie erhellenden Buch, daß Zahlen keineswegs so neutral sind, wie sie zu sein scheinen. In ihrem Buch erzählt sie vom Nutzen und Nachteil von Statistiken, Diagrammen und Co. und gibt hilfreiche Tips, wie wir uns die Deutungshoheit über unsere zahlenbasierte Welt zurückerobern.
„Selbst wenn wir glauben, nichts mit Zahlen am Hut zu haben, lassen sie uns keine Wahl: Wir können den Zahlen nicht entkommen. Dieses Buch soll helfen, die Welt der Zahlen zu entziffern, sodaß wir erkennen können, wann Zahlen korrekt verwendet werden und wann man sie mißbraucht. Denn jede und jeder von uns sollte sich fragen, welche Rolle Zahlen in unserem Leben tatsächlich spielen dürfen. Deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Zahlen auf den Platz zu verweisen, auf den sie gehören: nicht auf das Podest, nicht auf den Müll, sondern an die Seite von Wörtern. Dazu müssen wir an den Anfang zurückkehren. Wann hat unsere Obsession für Zahlen eigentlich begonnen?“

Sanne Blauw – „Der größte Bestseller aller Zeiten“
Wie Zahlen uns in die Irre führen*
Ein SPIEGEL-Buch - *Mit diesem Titel
Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann und Ira Wilhelm
© 2019 Deutsche Verlags-Anstalt, 219 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit Abbildungen - ISBN: 978-3-421-04853-0
20,00 [D]
Weitere Informationen: www.dva.de
 
 
Die kleinen Dinge
 
 
Vom Geheimtipp zur weltweit gefeierten literarischen Sensation. Claire-Louise Bennett erzählt vom Alltag in einem einsamen Cottage an Irlands Westküste und verwandelt persönliches Erleben in soghafte Sprache. „Eines der sensationellsten Debüts des Jahres.“ (Colum McCann).
Sie läßt alles hinter sich – Freund, Job, Karriere - und zieht in ein kleines irisches Küstendorf. Sprachmächtig und fesselnd zeichnet Claire-Louise Bennett das Porträt einer jungen Frau, die allein in einem hundert Jahre alten Steincottage lebt - mitten in der Natur, abseits von den Zwängen der Gesellschaft. Ein Rückzug, der die Wahrnehmung schärft und den Blick auf die Welt verändert, dem Profanen eine besondere Schönheit entlockt. Mitreißend und kunstvoll beschreibt Claire-Louise Bennett ihren Alltag und zeigt, wie kleine Dinge mit einem Mal eine ungeahnte Tiefe gewinnen, wenn man auf alles Überflüssige verzichtet und die Welt auf sich wirken läßt. Sie erweist sich damit als eine moderne Schwester Henry David Thoreaus und dessen „Walden“.
 
Claire-Louise Bennett wuchs in Wiltshire, im Südwesten Englands, auf. Sie studierte Literatur und Theaterwissenschaften an der University of Roehampton und lebt heute in Galway, an der irischen Westküste. »Teich« erschien zuerst in einem kleinen irischen Verlag und wurde als eines der faszinierendsten Erzähldebüts 2016 mehrfach als »Buch des Jahres« ausgezeichnet.
 
Claire-Louise Bennett – „Teich“
Aus dem Englischen von Eva Bonné
© 2018 Luchterhand Literaturverlag, 217 Seiten, gebunden, Schutzumschlag  -  ISBN: 978-3-630-87556-9
20,- €
Weitere Informationen: www.randomhouse.de
 
 
Verlorene Illusionen
 

Nach einer apokalyptischen Flut: Mara und Ben machen sich auf den Weg – raus aus ihrer halb versunkenen Heimatstadt, durch ein überschwemmtes Ruhrgebiet. Die Geschwister wollen einen besseren Ort zum Leben finden. Aber vorerst sind ihre Tage geprägt von der Suche nach einem trockenen Schlafplatz und der Frage, wem sie vertrauen dürfen. Auf ihrer Odyssee durch ein Land, in dem jeder sich selbst der Nächste ist, schlagen die Antihelden dieser packenden Roadstory sich so tapfer, wie nur Verzweifelte es können.
In seinem Roman demontiert Sascha Pranschke die literarische Heldenreise. Seine  Antihelden schickt er auf eine Odyssee der Desillusionierung und läßt sie sich so tapfer schlagen, wie nur Verzweifelte es können.
„Mara erwachte. In der Nähe hatte sie etwas gehört. Oder hatte sie das nur geträumt?
Selten waren die Nächte ruhig. Nach Sonnenuntergang zogen die Plünderer los. Aber Beute machten sie oft erst gegen Morgen, wenn auch die Ängstlichsten in ihren Unterschlupfen vom Schlaf übermannt wurden. Auch Mara hatte schon gestohlen. Hatte sich angeschlichen und genommen, was die Schlafenden selbst nur mit Mühe ergattert hatten. Sie war nicht stolz darauf. Sie war nur hungrig gewesen. Und Ben hatte im Schlaf geweint.
Sie griff zur Seite, wo sich ihr Bruder auf seiner Matratze wie ein Igel einzurollen pflegte. Bens Matratze war so klamm wie ihre eigene. Daran hatten die beiden sich längst gewöhnt. Maras Finger tasteten über den dünnen Schaumstoff.
Wo war Ben?
Sie schlug die Augen auf. Die Fensteröffnungen waren mit Brettern vernagelt. Nur wenig Licht drang durch die schmalen Schlitze zwischen den Latten. Links neben der Tür zum Treppenhaus schien jemand auf dem Boden zu kauern. Für Sekunden erstarrte Mara. Doch als sie den Mut fand, aufzustehen und auf die vermeintliche Gestalt zuzugehen, erkannte sie nur einen Sack Lumpen.“
 
Sascha Pranschke – „Am Ende der Welt liegt Duisburg am Meer“
Roman
Titelzeichnung von Ellen Fischer
© 2020 Henselowsky Boschmann, 223 Seiten, gebunden, Lesebändchen  -  ISBN 978-3-942094-85-6
9,90 €
Weitere Informationen: www.vonneruhr.de
 
 
Make Love, not War
 
 
Geschlechterrollen aufbrechen - Gleichberechtigung & echte Partnerschaft leben!
Männer sind Schweine – eine Aussage, die unaufgeregt hingenommen wird. Aber darf man das Gleiche auch über Frauen sagen?
Die bekannte Bestsellerautorin, Susanne Wendel wagt sich an ein heikles Thema und sagt: Die Gemeinheiten von Frauen wurden bisher sorgsam unter den Teppich gekehrt. Sie fordert Frauen und Männer mit einer aufsehenerregenden These heraus: Frauen sind genauso bösartig, gemein und pervers wie Männer. Nur anders.
Bewußt provokant, saufrech und schonungslos, aber immer mit einer Prise Humor  zeigt die Autorin u. a. auf, woran es in Beziehungen zwischen Mann und Frauen oft hakt und in der Gesellschaft krankt, warum #metoo noch nicht ausgereizt ist und wieso es gut ist, das Schwein in sich zu akzeptieren.
Frauen sind genauso Literatur, die auf- und anregt! Geschlechterrollen aufbrechen - Gleichberechtigung & echte Partnerschaft leben!
 
Susanne Wendel – „Männer sind Schweine – Frauen erst recht!“
Beobachtungen und nackte Tatsachen über Mann und Frau – Eine Streitschrift
© 2019 Goldegg Verlag, 176 Seiten, Broschur  -  ISBN: 9783990601365
14,95 €
Weitere Informationen: www.goldegg-verlag.com   
 
 
Vom Scheitern eines Lebenstraumes
 

Rick beneidete seinen Freund Hans um dessen verwirklichten Traum. Denn ein Traum war es doch, wenn einer ins Innere Afrikas wollte. Rick wußte es aus eigener Erfahrung. Was hatte er sich nicht alles ausgemalt, damals während der Tage in Kadugli? Getreidespeicher wollte er in Darfur errichten, bewacht von UN-Soldaten, das Korn mit Last­kamelen in die hungernden Dörfer schaffen, er immer zu Pferd voraus. Und was hatte er stattdessen getan? Die Sicherheit eines Hörsaals der sengenden Hitze, dem Fieber vorgezogen.
Der Roman fügt aus 17 Steinen das Leben von Rick von Mellen zusammen. Doch es entsteht kein Mosaik, die Steine bilden eher Wegmarken entlang eines Pfades, den man samt aller Irrwege als Lebenspfad bezeichnen kann.
Eine ungewöhnlich erzählte literarische Biografie über die Irr- und Holzwege des Lebens.
 
Wolf Christian von Wedel Parlow – „Cola in Kadugli“
Roman
© 2020 Mitteldeutscher Verlag, 168 Seiten, gebunden  -  ISBN 978-3-96311-388-8
16,- €
Weitere Informationen: www.mitteldeutscherverlag.de