Detlev Muthmann verstorben

Ein Nachruf

von Johannes Vesper

Detlev Muthmann - Foto © Johannes Vesper

 

Detlev Muthmann verstorben
 
Ein Nachruf
 
Von Johannes Vesper
 
Bereits als Jugendlicher lernte Detlev Muthmann in der Stadthalle Wuppertal Kammermusik, ihre großen internationalen Ensembles kennen und erinnerte sich gerne z.B. an zwei Abende des Vegh-Quartettes mit sämtlichen Streichquartetten Bartoks in den 60er Jahren. Sein Leben lang waren ihm Konzerte und Opern in der Stadthalle vor dem Wiederaufbau der Barmer Oper unter Hans Weisbach, Martin Stephani und Georg Ratjen mit seiner eleganten Stabführung vor Augen und Ohren. Für diese Musikerlebnisse vor vielen Jahrzehnten sei er sehr dankbar und wolle nach seinem Eintritt in den Ruhestand der Stadt etwas zurückgeben, sagte er damals. So rief der Mäzen, nicht Sponsor, der sein Geld als Unternehmer für Transportkühlanlagen verdient hatte, selbstlos, uneigennützig und enthusiastisch die Kammermusikreihe „Saitenspiel“ (seit 2009) ins Leben und finanzierte inzwischen rund 150 Konzerte vorzüglicher und bekannter Ensembles. Er, dessen Leben von Musik geprägt war, ließ das Publikum an seinen Vorlieben teilhaben und ließ es sich als großer Kenner der gesamten Kammermusik nicht nehmen sachkundig und engagiert in die Konzertprogramme einzuführen. Unabhängig von Mainstream-Eventkultur förderte er in der Historischen Stadthalle auch selten gespielte Literatur – er sprach von seiner „musica rara“. Zu hören waren u.a. Ligetis 1., Alfred Schnittkes 3. Streichquartett oder das Notturno für Baß-Bariton und Streichquartett von Otmar Schoeck. Er engagierte weltbekannte Ensembles, wie z.B. das Schumann-Quartett, das Rolston-Quartett, das Novus String-Quartett das Auryn-Quartett für diese Kammermusikreihe.  Daß junge Leute aus der ganzen Welt von Korea bis zu den USA solcher Musik wegen nach Deutschland und nach Wuppertal kommen, ist Detlev Muthmanns Idee und Verdienst gewesen.
2016/17 leistete er sich und schenkte uns mit dem Uriel-Quartett den Luxus der Aufführung sämtlicher Streichquartette Ludwig van Beethovens an drei Abenden. Der Slee-Zylus in Buffalo/USA stand bei diesem Projekt Pate, bei dem seit 1955 jährlich alle Beethovenschen Streichquartette zu hören sind. Von Beginn an lag ihm dieses Projekt besonders am Herzen. Natürlich wurden alle engagierten Musiker immer zusätzlich zu Schulkonzerten verpflichtet, die auch in der Stadthalle stattfanden. Muthmann wollte, empathisch, wie er war, den musikalischen Funken der Kammermusik bei den jungen Leuten wecken, wenn er die jeweils bis zu 150 Schülern und Schülerinnen selbstverständlich auf seine Kosten dazu einlud. Demenzkranke lud er ebenso wie Menschen mit geringem Einkommen (Kulturloge) in seine Konzerte ein. 2016/17 finanzierte er Studierenden der Musikhochschule Wuppertal einen Kammermusikkurs beim international bekannten Minguet-Quartett.
In seiner Begeisterung für die Musik ließ er auf seine Kosten auch die während der NS-Zeit an der Stadthallenfassade abgeschlagenen Namen jüdischer Musiker (Mendelssohn, Offenbach, Meyerbeer) wieder anbringen. In der der Spielzeit 2019/20 widmete er seine Konzerte „In Liebe und Verehrung“ der Kammermusik NS-verfolgter Komponisten: Erwin Schulhoff, Gideon Klein, Viktor Ullmann, Pavel Haas und Hans Krása, die nach ihrer Diskriminierung (Ausstellung „Entartete Musik“ in Düsseldorf 1937) in KZs erst musizierten, bevor sie umgebracht wurden. Unvergeßlich bleibt das 2. Streichquartett des erst 20jährigen Gideon Klein, „dessen Musik etwas ausdrückt, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist (Victor Hugo). 
Mit der Musik der aktuellen Spielzeit sollte ein Fest für Pablo Casals gefeiert werden. In Folge Corona war das 1. Konzert am 27.09.2020 auch das letzte. Detlev Muthmann, der große Wuppertaler, Musikmäzen und Liebhaber der Kammermusik wie seines eigenen Cellos, starb am 09.12.2020.   
 
Johannes Vesper