Abgründe

A Confession (Ein Geständnis)

von Frank Becker

Abgründe
 
Drama um einen wahren Kriminalfall
 
Als die 22-jährige Sian O´Callaghan 2011 nach einem ausgedehnten Club-Abend nicht nach Hause zurückkehrt, meldet ihr Freund Kevin (Charlie Cooper) sie bei der Polizei in Swindon als vermißt. Die Suche nach der jungen Frau wird unter Leitung von DSI Stephen Fulcher (Martin Freeman) schnell und intensiv in die Wege geleitet, weil er ein Verbrechen, möglicherweise eine Entführung vermutet und Hoffnung hat, Sian noch lebend auffinden zu können. Ein großer Polizei-Apparat, unterstützt von Dutzenden freiwilliger Helfer aus der Bürgerschaft nimmt die Suche nach der Vermißten auf, während die Kriminalpolizei alle verfügbaren Spuren und Hinweise auf einen möglichen Täter auswertet. Derweil tun sich Parallelen zu einem acht Jahre zurückliegenden weiteren Vermißtenfall auf: Die junge drogensüchtige Becky Godden-Edwards verschwand spurlos, wurde aber nicht bei der Polizei, sondern nur in einem privaten Online-Portal als vermißt gemeldet. Nun aber deutet sich ein Zusammenhang an.
 
Ein Verdächtiger kann in akribischer Kleinarbeit ermittelt werden, es ist der Taxifahrer Christopher Halliwell (Joe Absolom), der ein verdächtiges Bewegungsmuster zeigt und sich für kurze Zeit der Observation entziehen kann. Als er schließlich aufgrund starker Indizien festgenommen und unter dem Druck der Indizien von Fulcher vernommen wird, führt er die Polizei zum Ablageort der Leiche Sians, die er noch in der Nacht ihres Verschwindens ermordet hatte. Und er räumt einen weiteren Mord ein, den an Becky. Auch zum Fundort von deren Leiche führt er die Polizei. Fall geklärt?
Nein, denn jetzt beginnt ein juristisches Tauziehen um die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Vernehmung Halliwells. Die sechsteilige Drama-Serie, die sich auf einen tatsächlichen Kriminalfall, auf dessen Umstände und dessen Folgen für alle Beteiligten stützt, ist ein aufwühlendes Dokument über den Sinn und Unsinn juristischer Winkelzüge von ebensolchen Anwälten und um die buchstabengetreue Wertung polizeiinterner Vorschriften und gesetzlicher Vorgaben – immer zum Vorteil eines Verdächtigen/Täters und immer zum Nachteil des Ermittlers, der Sekundenentscheidungen in der Abwägung treffen muß, was schwerer wiegt – möglicherweise das Leben eine Opfers zu retten und einen Serienmord aufzuklären oder die Aufklärung zu verhindern und den Tod eines Opfers zu riskieren, indem dem Täter Zeit zum Schweigen gegeben wird.
 
Die insgesamt viereinhalb Stunden der sechs Filmfolgen zeichnen ein realitätsnahes Bild dieses erschütternden Kriminalfalls, der fatal an den markanten deutschen Fall des 2002 von dem Jurastudenten Magnus Gäfgen entführten und ermordeten Jakob von Metzler erinnert. Um das Leben des 11jährigen Jungen zu retten, drohte damals der Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner dem Entführer mit körperlicher Gewalt durch einen Kriminalbeamten, sollte er das Versteck des Kindes nicht preisgeben. Gäfgen nannte den Fundort des Kindes, das aber bereits tot war. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Polizeibeamten wurden versetzt, angeklagt und wegen Nötigung u.a. rechtskräftig verurteilt.
Zurück zum Halliwell-Fall: DSI Fulcher kann Halliwell zwar überführen, und dieser wird wegen des Mordes an Sian O´Callaghan zu 25 Jahren Haft verurteilt, doch der Mord an Becky Godden-Edwards bleibt wegen der Nichtzulässigkeit des Geständnisses (Fulcher hatte eine zusätzliche rechtliche Belehrung unterlassen) ungesühnt. Fulcher, der aufgrund von Indizien glaubt, Halliwell eine jahrelange Mordserie nachweisen zu können, wird vom Fall abgezogen, disziplinarisch verurteilt und versetzt. Er kündigt den Dienst. In einem späteren Verfahren können sein Nachfolger und ein neuer Staatsanwalt auch den Mord an Becky Godden-Edwards beweisen und Halliwell wird auch in diesem Fall verurteilt. Die Polizei aber stellt alle weiteren Ermittlungen ein.
 
Die Darsteller aller Beteiligten an diesem realen Fall leisten Außergewöhnliches, allen voran Joe Absalom als Mörder und Siobhan Finneran und Imelda Staunton als Mütter der Opfer. Martin Freeman brilliert in der Verbissenheit und Zerrissenheit des Ermittlers, der schließlich an der Bürokratie zerbricht. Es gelingt ihnen, die Abgründe, in die Opfer und ihre Hinterbliebenen blicken müssen, brennend nah zu vermitteln. Es ist entsetzlich, das Zerbrechen von Müttern, Geschwistern, Vätern und ganzen Familien an den ihren Kindern, Geschwistern angetanen Verbrechen miterleben zu müssen. Ein Fazit, ebenso real wie die hier geschilderten Kriminalfälle ist, daß hierzulande wie in England die Rechte von Tätern schwerer wiegen als die Ihrer Opfer.
Ein ausgesprochen aufregendes, weil auf Tatsachen beruhendes, eng an der Wirklichkeit gedrehtes Film-Ereignis, das man sich an einem Stück ansehen sollte. Ich hab´s getan. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
A Confession (Ein Geständnis)
TV-Drama (England 2019) - 2 DVD
© 2020 Edel Motion / 2019 ITV Studios Limited
Regie: Paul Andrew Williams – Buch: Jeff Pope
Besetzung:
DSI Stephen Fulcher (Martin Freeman) – Täter Christopher Halliwell (Joe Absolom) – sowie Karen Edwards, Elaine Pickford, Siobhan Finneran, Imelda Staunton, Charlie Cooper, Faye McKeever, Maimie McCoy u.v.a.m.
Gesamtlaufzeit: 4 Stunden, 30 Minuten + 42 Minuten Hintergründe zum Dreh
 
Weitere Informationen: www.edel.com