Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (9)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (9)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub,
daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 

Das Sterben
 
Daß er dem Wein ausgesprochen freundlich zusprach, wen wundert das bei einem Weinhändlersohn. Außerdem: sollten die diversen Theorien, welche die Disposition für Sucht in den Genen vorgegeben sehen, stimmen, dann hatte er mit der im Delirium verstorbenen Oma und dem nachts in Bonn krakeelenden Vater ja einiges zu bieten. Zwei Flaschen Weiß und eine Flasche Rot, täglich, dreißig Jahre lang, um nur einen Durchschnittswert zu nennen, war ungefähr die Strecke. Allerdings: Wein hatte damals höchstens 8 Umdrehungen, also da müssen wir schon ganz erheblich reduzieren.
       Daß die aber den Wein mit Blei ‚klopffest’ gemacht haben, das ging über den Wissenshorizont der Trinker. Naja, Frostschutzmittel sind auch nicht das Feinste und obendrein nicht ungiftig - oder Bananenschmodder, Wasser und getrocknetes Ochsenblut, aus dem Vino Ferrari in den 1960er Jahren roten Vino da tavola (in den Drahtkästen und in 1 ½ Liter Flaschen!) gemacht hatte (aber: auch wenn es ekelig ist, giftig war es nicht!). Es scheint wohl so zu sein, daß das Blei im Wein, die Menge an diversen ‚Kaltgetränken’, wie mein Freund Willi gerne sagt, die er sich eingeschenkt hat und wahrscheinlich eine colitis ulcerosa, eine chronische Dickdarm-Entzündung (immerhin beklagte er sich seit 1792 Wegeler gegenüber über ständigen Durchfall und immer wieder über Bauchschmerzen) dazu geführt haben, daß er schließlich starb. Die verheerenden Therapien der Ärzte aus entgegengesetzten Schulen – der eine beinah homöopathisch orientiert, Dr. Wawruch, der verschrieb Planzenextrakte, der andere ein Anhänger einer Reiztheorie, die besagte, daß man Kranke erregen muß, Dr. Malfatti, der verschrieb dem Sterbenden Punschgefrorenes und Beethoven war selig darüber, weshalb es ihm auch ein paar Tage lang besser ging, aber dann...aber dann... – unterstützten den Verfall nach Kräften bis zum Tod am 26. März 1827 um 17 Uhr 45 – zwei Tage nachdem er ins Koma gefallen war.    
       Und wenn wir schon vom Tod Ludwigs sprechen, dann auch richtig. Alexander Weelock Thayer Thayer, der sorgfältigste aller Beethoven-Biographen, schreibt über den letzten Tag, an dem Beethoven noch am Leben war:
„Gegen 1 Uhr kam der Wein und der Trank aus Mainz durch Breunings Vermittlung bei ihm an. Schindler stellte die Flaschen auf den Tisch vor dem Bett. Beethoven sah sie und sagte: »Schade, Schade, zu spät!« Das waren seine letzten Worte. Nur löffelweise wurde ihm bis zum Tode der Wein noch eingegeben; er verfiel in Agonie und konnte kein Wort mehr hervorbringen. Gegen Abend, schreibt Schindler, verlor er das Bewußtsein und der Todeskampf begann; derselbe dauerte noch die beiden folgenden Tage. Gerhard von Breuning berichtet:
»Am folgenden und zweitfolgenden Tag lag der gewaltige Mann unter weit hörbarem Röcheln bewußtlos in voller Auflösung begriffen. Sein kräftiger Körper, seine ungeschwächten Lungen kämpften riesenhaft mit dem hereinbrechenden Tode. Der Anblick war ein schrecklicher. Wußte man gleichwohl, daß der Arme nun nicht mehr leide, so war die Erscheinung doch grauenhaft, zu sehen, daß der Edle nunmehr den zersetzenden Mächten unwiderruflich verfallen, aller geistige Verkehr mit ihm aufgehoben war. Bereits am 25. März war zu erwarten, daß er während der folgenden Nacht enden würde; dennoch fanden wir ihn am 26. noch am Leben, – wo möglich noch heftiger röchelnd als Tags zuvor.« –
       Am Nachmittage dieses Tages erhob sich das heftige Gewitter, von dem schon Ferdinand Hiller erzählt – währenddessen Beethovens Ende eintrat. Wir folgen hier im wesentlichen Anselm Hüttenbrenner, der schon einige Tage in Wien war, und Thayer teils mündlich, teils brieflich über diese letzten Augenblicke berichtete.
»Als ich am 26. März 1827,« schreibt er, »gegen 3 Uhr Nachmittag in Beethovens Schlafzimmer trat, fand ich da den Herrn Hofrat Breuning, dessen Sohn und die Frau v. Beethoven, Gattin des Johann v. Beethoven, Gutsbesitzers und Apothekers aus Linz, dann meinen Freund Joseph Teltscher, Portraitmaler. Ich glaube daß auch Herr Professor Schindler anwesend war.«
Gerhard von Breuning nennt auch noch den Bruder Johann und die Wirtschafterin Sali als anwesend, Schindler einen Krankenwärter aus Wawruchs Klinik. Es ist aber nicht festzustellen, ob alle diese Personen fortgesetzt oder nur vorübergehend dort waren. Nach Hüttenbrenners mündlicher Erzählung begann der Maler Teltscher das Antlitz des sterbenden Beethoven zu zeichnen. Das verletzte Breunings Gefühl und er machte ihm Vorstellungen darüber, worauf jener seine Papiere einsteckte und wegging. Dann gingen Breuning und Schindler, zum Teil von dem langen Todeskampfe angegriffen, weg, um eine geeignete Grabstätte zu suchen; auch Gerhard v. Breuning ging später weg, nach Hause. Die Fortsetzung geben wir nach Hüttenbrenners Brief an Thayer.

       »In den letzten Lebensaugenblicken Beethovens war außer der Frau v. Beethoven und mir Niemand im Sterbezimmer anwesend. Nachdem Beethoven von 3 Uhr Nachmittag an, da ich zu ihm kam, bis nach 5 Uhr röchelnd im Todeskampf bewußtlos dagelegen war, fuhr ein von einem heftigen Donnerschlag begleiteter Blitz hernieder, und erleuchtete grell das Sterbezimmer (vor Beethovens Wohnhause lag Schnee). – Nach diesem unerwarteten Naturereignisse, das mich gewaltig frappirte, öffnete Beethoven die Augen, erhob die rechte Hand, und blickte mit geballter Faust mehrere Secunden lang in die Höhe mit sehr ernster drohender Miene, als wollte er sagen: ›Ich trotze euch feindlichen Mächten! Weichet von mir! Gott ist mit mir!‹ – Auch hatte es den Anschein, als wolle er wie ein kühner Feldherr seinen zagenden Truppen zurufen: ›Muth, Soldaten! Vorwärts! Vertraut auf mich! Der Sieg ist uns gewiß!‹ Als er die erhobene Hand wieder aufs Bett niedersinken ließ, schlossen sich seine Augen zur Hälfte. Meine rechte Hand lag unter seinem Haupte, meine Linke ruhte auf seiner Brust. Kein Athemzug, kein Herzschlag mehr! Des großen Tonmeisters Genius entfloh aus dieser Trugwelt ins Reich der Wahrheit! – Ich drückte dem Entschlafenen die halbgeöffneten Augen zu, küßte dieselben, dann auch Stirn, Mund und Hände. – Frau v. Beethoven schnitt auf mein Ersuchen eine Haarlocke vom Haupt des Dahingeschiedenen, und übergab sie mir zum heiligen Angedenken an Beethovens letzte Stunde. Darauf eilte ich tief bewegt in die Stadt, theilte dem Herrn Tobias Haslinger die Nachricht von Beethovens Tode mit, und kehrte nach einigen Stunden in meine Heimath Steiermark zurück. –«
       Wie das dann mit der Beerdigung, mit der beeindruckenden Grabrede von Franz Grillparzer war, das können Sie woanders nachlesen, das steht quasi ja überall. Was aber nicht überall steht, ist, daß die Diener am 28. März Beethoven einen Großteil Locken abgeschnitten hatten (hatte sicher hohen Marktwert) und daß der Bruder vom Ludwig, Johann, brüllend (die Leiche war noch da) durch die Wohnung stürmte, weil er die Aktien suchte, die Beethoven in einem Geheimfach versteckt hatte. Der gierige Bruder aber fand sie nicht. Und das freut uns doch, oder?
 

Folgen Sie, verehrte Leserin, geschätzter Leser, am nächsten Sonntag
dem esten Teil einer abschließenden Kadenz zu Beethovens Leben und Musik.

 © 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker