Schicksale

„Wundersame Frauen“ - Theodor Fontane, Gabriele Radecke (Hrsg.), Robert Rauh (Hrsg.)

von Sabine Kaufmann

Schicksale
 
Frauenporträts aus Fontanes „Wanderungen“
 
Daß die Charakterbilder von Männern, Fürsten, Generälen, Baumeistern und Malern Theodor Fontanes (1809-1898) Opus magnum „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (erschienen zwischen 1862 und 1889) beherrschen, ist bekannt. Wohl aber hat er in diesem großen Werk über Berlin, seine ländliche Umgebung und seine herausragenden Menschen auch einige besonders interessante Frauen skizziert. Denen widmet sich in Auswahl nun ein handlicher Band aus dem Manesse Verlag, zusammengestellt und kommentiert von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Mit einer Schauspielerin, wie sonst, eröffnen sie den Reigen markanter Frauenfiguren, exzerpiert aus den Wanderungen. Schließlich war Fontane Theaterkritiker, und seine Verehrung für die berühmte Schweizer Schauspielerin Élisa Rachel Félix (1821-1858), die er 1850 bei ihrem Gastspiel in Berlin erlebt hatte. In den Wanderungen allerdings beschreibt er einen historischen Auftritt der Mimin vor König Friedrich Wilhelm und dem russischen Kaiserpaar auf der Pfaueninsel in Berlin am 15. Juli 1852, von dem bis heute eine Statuette der Künstlerin am Ort dieses legendären Auftritts zeugt. Wie nachhaltig Rachel Fontane beeindruckt hat, läßt sich auch daran erkennen, daß er noch zwanzig Jahre später, 14 Jahre nach ihrem Tod, die große Münchner Schauspielerin Klara Ziegler mit ihr vergleicht.
       Verweilen wir für eine weitere Frau, weder von Adel noch Gesellschaft, auf der Pfaueninsel. Fontane war von einer energischen Dame höchst beeindruckt, die dort gegen amtliches Verbot durch Ausnutzen einer Gesetzeslücke ein anerkanntes und beliebtes Café-Haus führte: Elisabeth Friedrich (1788-1873), Gattin des Maschinenmeisters daselbst. Ihr Kniff war, daß sie den Kaffee und sicher auch die Schokolade nicht verkaufte, sondern sie verschenkte! Ganz offenbar ist sie damit gut über die Runden gekommen und hat nebenbei aus Gegengeschenken eine der bemerkenswertesten Porzellansammlungen Preußens zusammengetragen.
       Das dramatische Schicksal der Mätresse des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II., Julie von Voß (1736-1767), ist noch heute bewegend, sieht man den Zwang von Stand, Moral und Etikette. Die Liebe – die wahre und die literarische – spielt auch in den Kapiteln über die süße Sabine Cusig und die schöne Blondine Louise von Wreech eine Rolle, schließlich gelten sie als die Geliebten des 20jährigen Kronprinzen Friedrich nach dessen Flucht vom Hof und der Hinrichtung seines Freundes Katte. Ein pikantes Kapitel.
Nicht fehlen darf hier die „Königin der Herzen“, Luise von Preußen (1776-1810), deren von Karl-Friedrich Schinkel entworfenes Denkmal in Gransee Fontane ein eigenes Kapitel wert ist. Bewegend erzählt er von ihrem frühen Tod und dem Trost, den das Denkmal dem Volk schenkte. Es lohnt sich, in den kurzen Original-Texten Theodor Fontanes und den kundigen Erläuterungen dazu diese und etliche weitere bemerkenswerte Frauen aus den Wanderungen kennenzulernen. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
„Wundersame Frauen“ - Theodor Fontane, Gabriele Radecke (Hrsg.), Robert Rauh (Hrsg.)
Weibliche Lebensbilder aus den «Wanderungen durch die Mark Brandenburg»
© 2018 Manesse Verlag, gebunden mit Schutzumschlag, 186 Seiten, 12,5 x 20 cm, 9 s/w Abbildungen, Lesebändchen  -  ISBN: 978-3-7175-2500-4
18,- €
 
Weitere Informationen:  www.randomhouse.de