Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (8)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (8)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub,
daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 

Frauen (2)
 
Beethoven war wirklich ständig mehr oder weniger verliebt unterwegs. Vielleicht ging es ihm so wie vielen Männern: sobald ihn eine Frau, zumal eine schöne, auch nur ein bißchen tiefer angelächelt oder auch nur angeschaut hat, war er erst mal hin und weg. Ich könnte mir das deshalb ganz gut vorstellen, weil er ja nicht zu den Machos gehörte, die mit allen Wassern, gesellschaftlich und erotisch, gewaschen gewesen wären und die Damenherzen mit ihrer geschliffenen Galanterie à la Casanova hätten erobern können. Ludwig war eher ein Rohdiamant, der eroberungswilligen Frauen gestaltungsfähig erschien, wenn man ihn nur zähmen kann.

Außerdem, was Johannes Heesters sang (Text: Hans Fritz Beckmann, Musik: Friedrich Schröder), galt auch damals schon:


 (...)

Weil er ja nun viel unterwegs war in Adelshäusern und an jeder Ecke Frauen herumstanden, die ihm lauschen wollten, Verheiratete, Unverheiratete, solche mit gutem Ruf und solche mit etwas lockererem Ruf, war die Versuchung für einen Pianisten und Komponisten groß. Andererseits waren das alles Mädels, die in starken gesellschaftlichen Zwängen lebten, eine Alma Mahler-Werfel war da nicht dazwischen. Also:
Er verliebte sich, mal mehr, mal weniger, er widmete Sonaten, er gab Unterricht, naja,: die ein oder andere Stunde, allerdings gab er das ungern, kann man ja auch verstehen: ein Kuß dauert 10 Sekunden, eine Unterrichtsstunde 40 – 50 Minuten, also da ist das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr ungünstig, wenn man wegen eines Kusses unterrichten soll. Nein, Scherz beiseite: das war schon eine geschlossene Gesellschaft, in der er sich damals bewegte, da war keine Libertinage. Was den jungen Mann aber nicht hinderte, kräftigst sich immer wieder in Frauen zu verlieben, bei denen es keine, aber auch absolut keine Hoffnung auf ‚Erfolg’ hätte geben können. Entweder weil sie verheiratet waren oder sonstwie in festen Händen. Das war das Problem bei Teresa Malfatti, bei Giulietta Guicciardi hinter der halb Wien her war und bei Josephine Brunsvik, später verehelichte Deym. Bei aller Liebe: da war nix zu machen und beim „Phinchen“, der er wahrscheinlich den Brief an die Unsterbliche Geliebte geschrieben hat (s. oben), war er zwar in Liebe entbrannt, mußte sich aber dann eingestehen, daß er sich da wohl vertan hat. Solche Avancen, wie er dachte, hat sie ihm nie gemacht.
Oder sie waren ihm nicht standesgemäß genug. Da war er empfindlich. 1801 schreibt er über „ein liebes, zauberisches Mädchen..., die mich liebt und die ich liebe... und es ist das erste Mal, daß ich fühle, daß Heiraten glücklich machen könnte...leider ist sie nicht von meinem Stande“.
 
Er hat sich insgeheim wohl auch ganz gerne bewundern lassen von den Mädels, darüber erzählt köstlich sein Freund Ferdinand Ries in den „Biographischen Notizen“:
„Beethoven sah Frauenzimmer sehr gerne, besonders schöne, jugendliche Gesichter, und gewöhnlich, wenn wir an einem etwas reizenden Mädchen vorbeigingen, drehte er sich um, sah es mit seinem Glase nochmals scharf an und lachte oder grinzte, wenn er sich von mir bemerkt fand. Er war sehr häufig verliebt, aber meistens nur auf kurze Dauer. Da ich ihn einmal mit der Eroberung einer schönen Dame neckte, gestand er, DIE habe ihn am stärksten und längsten gefesselt – nämlich sieben volle Monate.
Eines Abends kam ich zu ihm nach Baden, um meine Lectionen fortzusetzen. Dort fand ich eine schöne junge Dame bei ihm auf dem Sopha sitzen. Da es mir schien, als käme ich ungelegen, so wollte ich gleich mich entfernen, allein Beethoven hielt mich zurück und sagte: „Spielen Sie nur einstweilen!“
Er und die Dame blieben hinter mir sitzen. Ich hatte schon sehr lange gespielt, als Beethoven auf einmal rief:
„Ries! Spielen Sie etwas Verliebtes!“.
Kurz nachher: „etwas Melancholisches!“ Dann: „etwas Leidenschaftliches!“ u.s.w. - Aus dem, was ich hörte, konnte ich schließen, daß er wohl die Dame in etwas beleidigt haben müsse und es nun durch Launen gut machen wolle. Endlich sprang er auf und schrie: „Das sind ja lauter Sachen von mir!“. Ich hatte nämlich immer Sätze aus seinen eigenen Werken nur durch einige kurze Übergänge aneinander gereiht, vorgetragen, was ihm aber Freude gemacht zu haben schien. Die Dame ging alsbald fort, und Beethoven wußte zu meinem großen Erstaunen nicht, wer sie war. Ich hörte nun, daß sie kurz vor mir hereingekommen sei, um Beethoven kennen zu lernen. Wir folgten ihr bald nach, um ihre Wohnung, und dadurch später ihren Stand zu erforschen. Von Weitem sahen wir sie noch (es war mondhell), allein plötzlich war sie verschwunden. Wir spazierten nachher unter mannigfaltigen Gesprächen wohl noch anderthalb Stunden in dem angrenzenden schönen Tal. Beim Weggehen sagte Beethoven jedoch: „Ich muß herausfinden, wer sie ist, und Sie müssen helfen“. Lange Zeit nachher begegnete ich ihr in Wien und entdeckte nun, daß es die Geliebte eines ausländischen Prinzen war. Ich teilte meine Nachricht Beethoven mit, habe aber nie, weder von ihm, noch von sonst jemand etwas Weiteres über sie gehört.“
 
Und mit diesen zarten Andeutungen seiner ständigen Liebesbereitschaft kommen wir zu dem, was man gerne so umschreibt:
„Aus dem Hirn schwitzen kannst Du es Dir ja doch nicht!“, wobei mir da ein wundervoller Wiener Dichter einfällt: Peter Altenberg. Er war der Meister kleiner impressionistischer Gebilde, sozusagen literarische Farbtupfe der allerfeinsten Abteilung und schrieb in einer Zeit, in der man dafür offen war: Vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Im praktischen Leben war er ein Bohémien, der sich fast nur in Kaffeehäusern aufhielt, auch in anrüchigen. Die Professionellen, die ihn kannten, liebten ihn heiß und innig, erzählten ihm alle ihre Geschichten und Herzschmerzen, er war ihr Vertrauter. So saß er wieder mal im Café Rabe am Graben in Wien, als eine Neue hereinkam und sich an ihm versuchte, weil sie nicht wußte, wer er war. Und drängt, und flüstert, und schmeichelt, bis sie schließlich den Satz sagt: „Komm, aus dem Hirn schwitzen kannst Du es Dir ja doch nicht!“ woraufhin der Dichter antwortete: „Ich schon“, bezahlte und ging!
 
Also wie war es denn bei Beethoven, wenn das triviale Leben, „Der Köchper“, wie man im Rheinland sagte und sagt, seine Rechte fordert? Es hat ja lange gedauert, weit über 150 Jahre, bis man überhaupt auf den Gedanken kam, daß unser Ludwig in dieser Hinsicht ein Schlingel war. Gehen andere diskret da schon mal ins Eros-Center, naja, diskret ist so eine Sache, es ist schon peinlich, wenn du beim Verlassen einem Bekannten begegnest, der Dich grüßt und fragt: „Na, wie war et denn, Herr Martens?“, gehen andere also schon mal zu diskreten Adressen (das hat es ja gegeben, seit es Menschen gibt, bißchen doof war das höchstens beim Neandertaler, der in Mettmann bei Düsseldorf drei Höhlen bewohnte und zwei Meter weiter war eine kleinere, vierte, wo die Dame aus Düsseldorf ihr Fell hatte, sie kam ja jeden Mittwoch nachmittags hoch, um hier ihre Dienste anzubieten), so ließ sich Beethoven dabei helfen. Geahnt hat man es ja schon lange, aber man wußte nicht: von wem hat er sich helfen lassen und wie? Und wie ist so ein ‚billet doux’ formuliert gewesen? Hat er einfach geschrieben: „Et is wieder soweit, ich bruch en Frau!“ oder wie oder was? Immer wieder haben sich die Forscher die Köpfe zerbrochen und die Briefe, Zettel, Notizen, Tagebücher etc durchwühlt um dem Ludwig auf die Schliche zu kommen. Und siehe da, im Bonner Beethovenhaus ist man fündig geworden. Zwar nur „mit aller Wahrscheinlichkeit“, weil Beethoven ja nie klar geschrieben hat, daß ihm der Baron Zmeskall jetzt ein Mädchen zu besorgen habe: Nikolaus Zmeskall von Domanovecz.

Folgen Sie, verehrte Leserin, geschätzter Leser, Beethovens Spuren
am kommenden Sonntag an dieser Stelle weiter.


 © 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker