Dat söte Länneken

Andreas H. Apelt / Cornelia Klauß (Hg.) – „Hiddensee – die Insel der Anderen“

von Frank Becker

Dat söte Länneken
 
Hiddensee für Liebhaber
 
Hiddensee, eine schmale Insel im Bodden, westlich vor Rügen, ursprünglich von Bauern und Fischern bewohnt, entwickelte sich vor allem im frühen 20. Jahrhundert und später zu DDR-Zeiten zu einem Erholungs- und  Zufluchtsort für Künstler, Intellektuelle und Aussteiger. Joachim Ringelnatz, Asta Nielsen, Käthe Kruse und Heinrich George urlaubten dort, und Gerhart Hauptmann war Dauergast, nahm sogar Wohnung auf der Insel.
Über das 16,8 km lange und an seiner breitesten Stelle 3,7 km breite Eiland, das „Söte Länneken“ sind allerlei Bücher geschrieben worden, oft die Idylle der Insel romantisch verklärend. Der über die Jahrzehnte, zum Glück auch nach der deutschen Wiedervereinigung   bewahrte Charakter Hiddensees als autofreie Insel hat wie auch die Beharrlichkeit der Einwohner verhindert, daß dort eine Schicki-Micki-Welt à la Sylt entstand. Ein Segen!
 
Andreas H. Apelt und Cornelia Klauß haben für ihr Buch „Hiddensee – die Insel der Anderen“ die Erinnerungen von Zeitzeugen aus fünf Jahrzehnten zusammengetragen, Menschen, die Hiddensee vor allem während der DDR-Jahre erlebt und geliebt haben. „Daß die Insel Sperrgebiet war, änderte daran nichts. Denn schon der Versuch, Hiddensee gegenüber unangemeldeten Personen abzuschirmen, provozierte jene, die keine Lust auf FDGB-Urlaub und Bevormundung hatten, sondern sich ihr Recht auf freies Reisen in einem unfreien Land nicht nehmen ließen. Fortan kultivierte die Insel das Lebensgefühl der Unangepaßten“, heißt es im Klappentext. Wer nach Hiddensee kam – und das war wegen der staatlich gelenkten Reisen nicht ganz einfach, fand dort sein ganz persönliches kleines Paradies, eine Freiheit, die trotz strenger Kontrollen besonders war und die es anderswo im Lande nicht gab. Nicht selten wurde Hiddensee nach 1961 auch als Sprungbrett für Fluchtversuche aus der DDR übers Meer nach Dänemark oder in die Hoheitsgewässer der BRD genutzt. Nicht immer ging das gut. Klaus Müller erzählt davon. Ekkehart Rudolph eröffnet den Reigen der Erinnerungen mit einem anderen Blick, indem er von den revolutionären FKKlern auf Hiddensee berichtet, den „Steißvögeln“ und ihrer gegen die Verwaltung hartnäckig errungenen Freiheit, nackt sein zu dürfen.
Geschichten von eisigen Wintern und Schneekatastrophen, von Solidarität und von Kultur – denn es gab eine Menge Kultur auf Hiddensee -, von Überwachung und Hochzeiten, vom Alltag und von Ferien zeichnen ein realistisches Bild der Insel, die heute noch ein Traumziel ist. Viele einzigartige Dokumente und Fotos, darunter viele des großen Fotografen Fritz Kühn, machen die Erzählungen und Erinnerungen im reinsten Wortsinn „anschaulich“. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Andreas H. Apelt / Cornelia Klauß (Hg.) – „Hiddensee – die Insel der Anderen“
Geschichten von Zeitzeugen, mit Text- und Bild-Beiträgen von Andreas H. Apelt, Andreas Arendt, Erich Arendt, Udo Bartsch, Karsten Bartel, Karl Ebbinghaus, Ronald Galenza, Ingo Gediga, Harald Hauswald, Tim Herden, Thomas Irmer, Fayd Jungnickel, Judith Kern, Konrad Klauß, Tilo Köhler, Jens-Uwe Korsowsky, Fritz Kühn, Klaus Müller, Kati Obermann, Page Pijorr, Thomas Ranft, Ekkehart Rudolph, Roland Stelzer, Ilona Tensing, Holger Teschke, Rainer Wasse.
 
© 2016 Mitteldeutscher Verlag (2. Auflage), 192 Seiten, Broschur, 17 x 24 cm, mit zahlreichen Farb- und s/w-Abbildungen - ISBN: 978-3-89812-876-6
Erschienen: 2012 (1. Auflage)
19,95 €
 
Weitere Informationen: http://mdv.mitteldeutscherverlag.de