„Jetzt schlägt's Dreizehn“

Etwas zur Bedeutung einer merkwürdigen Zahl und zu ihrem Sitz im Leben sowie mit einem Ausblick auf Richard Wagner

von Heinz Rölleke

Prof. Dr. Heinz Rölleke - Foto © Frank Becker

„Jetzt schlägt's Dreizehn“
 
Etwas zur Bedeutung einer merkwürdigen Zahl und zu ihrem Sitz im Leben
sowie mit einem Ausblick auf Richard Wagner
 
Von Heinz Rölleke
 
 
Der 13. Tag eines jeden Monats - besonders wenn er auf einen Freitag fällt - gilt bei vielen Menschen als Unglückstag, an dem man Schlimmes erwarten kann und an dem man sich vor allen Dingen hüten muß. Diese Angst nimmt zuweilen die Form einer Krankheit an. Die von ihr dauernd oder zeitweise Befallenen nennt man Triskaidekaphobiker nach den altgriechischen Worten τρειςκαιδεκα (dreizehn) und φοβος (Furcht). Diese Angst sitzt zu tief, als daß sie durch nüchterne Statistiken gemildert werden könnte: Es ist seit langem nachgewiesen, daß sich an Freitagen, die auf einen 13. fallen, sogar weniger Unglücksfälle und dergleichen nachzuweisen sind als den an anderen 'unverdächtigen' Daten. Worin mag diese urtümlich anmutende Angst begründet sein, der offenbar durch keine noch so realistischen und an sich überzeugenden Gegenbeweise beizukommen ist?
 
       Man muß wohl in die sehr frühe Sprachgeschichte zurückgehen, um Vermutungen aufstellen zu können. Es gab in uralten Zeiten eine Zählweise nach dem Vierersystem, so daß man zunächst mit den Zahlen von 1 bis 4, später von 5 bis 8 sowie in einem nächsten Schritt von 9 bis 12 beziehungsweise von 13 bis 16 operiert hat. Unsere modernen indoeuropäischen Sprachen geben davon weiterhin Zeugnis, obwohl sich seit langem das dekadischen System weitgehend durchgesetzt hat. Viele Deutschsprachige wissen mit dem alten Wort „Dutzend“ immer noch etwas anzufangen. Und in England sind nach wie vor viele Bezeichnungen aus dem alten Duodezimalsystem und dessen Zielzahl „12“ in Gebrauch. Bei der Bezeichnung von Geldwerten, Gewichten, Distanzen und Getränken ist vor allem die ältere Generation dem Duodezimalsystem noch stark verhaftet, obwohl es 1971 offiziell und gesetzlich durch das Dezimalsystem abgelöst wurde und man den Gebrauch der alten Bezeichnungen zuweilen sogar unter Strafe stellte. 1 Apothekerpound besteht aus 12 Feinunzen; 12 Pennies ergeben 1 Shilling und so weiter. Man erfreut sich auch nach wie vor an der in der Tat bequemeren Teilbarkeit der „12“ in 2, 3, 4 und 6 Gruppen, wie sie etwa bei Gewichten oder auch Erbverteilungen zur Anwendung gelangt: 12 Äpfel kann man fast beliebig und immer stimmig in 6 (à 2 Stück), 4 (à 3 Stück), 3 (à 4 Stück) und 2 (à 6 Stück) oder 6 Beutel (à 2 Stück) aufteilen, während man 10 Äpfel nach dem Dezimalsystem nur in 5 (à 2 Stück) oder 2 Beutel (à 5 Stück) unterteilen kann.
 
       Daß in indogermanischen Zeiten die „Acht“ eine Grenzzahl war, zeigt sich an den über die Sprachgrenzen hinweg verwandten Bezeichnungen der neu eingeführten Zahl „Neun“, deren Stammsilbe (wie noch im heutigen Deutsch) stets mit einem „N“ wie lateinisch „novum“ (das Neue) beginnen: altindisch „Nava“, altgriechisch „εννεα“ (en-Nea), lateinisch „Novem“, italienisch „Nove“, französisch „Neuf“, englisch und niederdeutsch „Nine“, gotisch und althochdeutsch „Niun“. All diese Zahlenbezeichnungen lassen sich auf eine rekonstruierbare indoeuropäische Form „*Navan“ o.ä. zurückführen. Die Bezeichnung muß also vor der Aufspaltung der indoeuropäischen Sprache in einzelne Sprachfamilien geläufig gewesen sein, wie das für die „Drei“ als Komposita schon seit Jacob Grimms Zeiten bewiesen ist.
 
       Die nächste Grenzzahl ist die „Zwölf“, womit wir zum Thema kommen. Daß mit der „Dreizehn“ ein sozusagen neu erschlossener Zahlenbereich beginnt, läßt sich wieder mit einigen europäischen Sprachen belegen, in denen die Bezeichnungen „Zwölf“ noch allgemein einsilbig, die Zahlen ab „Dreizehn“ aber als Komposita wie noch im gegenwärtigen Deutsch gebildet sind: englisch und niederdeutsch „twelf“ und „thir-teen“; die altgriechische Sprache fügt ab der 13 ein και (und) zwischen die nun zusammengesetzten Bezeichnungen ein: δω-δεκα (zwölf), aber τρεις-και-δεκα (dreizehn). Eindeutig später sind die Neubildungen in den romanischen Sprachen anzusetzen, die sich bei der Art der Wortbildungen zwischen „Zwölf“ und „Dreizehn“ nicht unterscheiden: italienisch „dodici“ und „tredici“, französisch „douze“ und „treize“. Im Französischen ist die unterschiedliche Bildung der Bezeichnungen erst bei der nächsten Grenzzahl „sechzehn“ zu erkennen: „seize“ und „dix-sept“ (wie das Französische auch an anderen Stellen der Zahlenreihe aus der europäischen Gewohnheit ausschert und unter Einfluß des uralten keltischen Vigesimalsystems „80“ als „quatre vingt“ und „90“ als „quatre-vingt-dix“ bildet, also 4 mal 20 bzw. 4 x 20 + 10; das alte Siechenhaus in Paris verfügte über 80 Betten und erhielt daher für lange Zeit den schließlich unhinterfragten Titel „Quatre Vingt“).
 
       Die „Dreizehn“ geht über die bis dato übliche Grenzzahl „Zwölf“ hinaus, sozusagen in unbekanntes Gebiete. Solches war nicht vertraut und galt partiell als gefährlich. So wurde wohl die ominöse Zahl mit „Unglück“ in Verbindung gebracht. Im Italienischen stellte man schon früh fest, daß Dreizehn die Unglückszahl sei: „il tredici dicone le donnucole, esser numero di malagurie.“
 
       Nach Einführung des Dezimalsystems übernahm die „Elf“ - in allerdings enger begrenztem Umfang - diese Rolle der „Dreizehn“, da sie ihrerseits über die neue Grenzzahl „Zehn“ und damit auch über die Anzahl der Finger, an denen man zu zählen pflegte, sowie vor allem die Zehn Gebote Gottes hinausging, so daß man sie auf Sünder bezog, die im Mittelalter als Narren galten: Das närrische Treiben im Karneval sollte ursprünglich die törichte Sündhaftigkeit des Menschen in Gestalt des Narren vorführen – noch gegenwärtig spielt die „Elf“ in den Karnevalsbräuchen diese, wenn auch inzwischen unverständlich gewordene Rolle bei der Festlegung des Beginns der 'Fünften Jahreszeit' auf den 11.11.,11:11 Uhr oder das im Brauchtum immer bedeutender gewordene stärker Gremium eines Elferrats. Übrigens war für den Tragiker Heinrich von Kleist die „Elf“ in seinem Leben wie in seinen Werken die Unglückszahl schlechthin.
 
       Das für den mit der Zahl „Dreizehn“ verknüpften Volksglauben zuständige „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ bietet leider keinen Artikel „Dreizehn“, verweist im Register aber immerhin auf 24 Stellen, in dem die ominöse Zahl in anderen Zusammenhängen erscheint. Hier können nur einige wenige der überaus zahlreichen Usancen in Erinnerung gerufen werden, die sich in manchen Teilen der Welt noch bis heute gehalten haben. Man scheute schon seit dem Mittelalter eine Tischgesellschaft von 13 Personen, so daß man gegebenenfalls einen 14. Gast dazu bat, weil man fest überzeugt war, daß andernfalls einer aus dem Dreizehnerkreis noch im Lauf der nächsten zwölf Monate sterben müsse. Vielleicht geht dieser Aberglaube auf Auslegungen der biblischen Abendmahlsszene zurück, die in der dreizehnten Person am Tisch entweder Christus oder den Apostel Judas Iskariot sahen: Beide kamen fast unmittelbar nach dem Mahl zu Tode. Schon im mittelalterlichen Spielmannsepos „König Rother“ konnte man lesen, daß immer von dreizehn Personen eine „feige“ (nach altem Wortsinn: todverfallen) sei. In Verdis Oper „Ein Maskenball“ stirbt der bei einem Attentat verwundete Gouverneur, nachdem er sich mit einem 13. „Addio“ von der Welt verabschiedet hat. Hoffmann von Fallersleben konnte noch auf allgemeines Verständnis rechnen, als er die Verse schrieb: „Wo einmal dreizehn sind bei Tische, / stirbt einer von den dreizehn bald.“
 
       Hotels vermieden es schon früh, ein Gästezimmer mit „13“ zu kennzeichnen; Man sprang wie in modernen Hochhausfahrstühlen einfach von der „12“ auf die „14“; Straßen- und U-Bahnen verzichteten zunächst kategorisch auf eine Linie „13“; noch bei der Einführung der ICE-Züge in jüngerer Zeit gab es keinen Waggon mit der Nummer „13“, in Flugzeugen fehlt die Zahl bei der Kennzeichnung der Sitzreihen teilweise bis heute. So spielen abergläubische Vorstellungen auch für manche Neuerfindungen im 20. Jahrhundert eine Rolle, das heißt sie blühen und gedeihen noch immer. Nachdem bei den neu aufkommenden Autorennen ungewöhnlich viele Rennfahrer mit der Startnummer „13“ tödlich verunglückt waren, wurde diese Nummer seit 1925 nicht mehr vergeben.
 
       Im Märchen begegnet die „Dreizehn“ an einigen markanten Stellen: So bringt die dreizehnte Weise Frau dem „Dornröschen“ wie auch das Öffnen der dreizehnten Himmelstür dem „Marienkind“ Unglück.
 
       In der Bibel begegnet die Zahl „13“ auffallend selten. Petrus Bungus, der 1599 die umfassendste Zusammenstellung aller biblischen Zahlen und deren Ausdeutungen zusammenstellte, fiel zur Zahl „13“ so gut wie nichts ein. Er handelte sie in Verbindung mit der ergiebigeren „14“ auf einer halben Seite ab, während er etwa für die Zahl „3“ hundert eng bedruckte Seiten brauchte. Nur eine einzige Stelle aus dem Alten Testament kam in die Tradition. In der „Genesis“ (1. Mose 17.25) heißt es, Abraham habe seinen Sohn Ismael, als dieser 13 Jahre alt wurde, beschnitten. Daraus wurde später die Regel entwickelt, daß jüdische Kinder ab dem Alter von13 Jahren am Gottesdienst der Erwachsenen teilnehmen dürfen. Die protestantischen Kirchen legten infolgedessen das Alter der Konfirmanden auf 13 Jahre fest. Im Neuen Testament schrieb man das wunderbare Auftreten des Jesusknaben im Tempel von Jerusalem ausdrücklich dem Zwölfjährigen zu, da sein Aufenthalt im Tempel als Dreizehnjähriger dem Wunder wohl etwas von seinem Glanz genommen hätte:
 
            „Und seine Eltern gingen alle Jahre gen Jerusalem auf das Osterfest. Und           
           da er zwölf Jahre alt war, […] blieb das Kind Jesus zu Jerusalem. […].     
           Und es begab sich, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel sitzen          
           mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte“ (Luk. 2.41-46).
 
       In die Legendenbildung um das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenland (Matth. 2.1-12) fand die „13“ Eingang: Sie seien 13 Tage nach der Geburt des Göttlichen Kindes bei der Krippe eingetroffen, und das bedeute, daß sie ihre Reise nach dem Gesetz der 10 Gebote Gottes angetreten und dabei symbolisch die ganze Menschheit als Repräsentanten der damals bekannten drei Erdteile Asien, Afrika und Europa zur Krippe geführt hätten.
 
       Wilhelm Raabe erzählt in seinem Roman „Die Leute aus dem Walde“ (1863) daß der Robert in seiner Jugend mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Und seither ist das städtische „Zentralpolizeihaus“ ein wichtiger Mosaikstein in seinem weiteren Leben. Im Roman wird nicht weniger als 26 Mal ausdrücklich „das Büro Nummer dreizehn“ berufen. Hier fungiert die „13“ als Unglückszahl. Denn die Sonntage dürfen der Polizeischreiber und sein Schützling auf dem heimischen Sofa verbringen, fern vom „Büro Nummer dreizehn“ und den mit ihm verbundenen Pressionen (Kapitel 12). Die ominöse Zahl „13“ durchzieht den ganzen frühen Roman Raabes als gewichtiges und unübersehbares Leitmotiv.
 
       In der Trivialliteratur wird zu allen Zeiten die „13“ meist undifferenziert als Unglückszahl bewertet. Dafür nur ein Beispiel aus den früher überaus beliebten Werken des Heidedichters Hermann Löns („Das Osterfeuer“):
 
            „Und die Dreizehn, die hohe Geheimniszahl,
            Unglücks- und Angstnummer wurd' sie mit einemmal.“
 
       Ein ganz besonderes und gewiß singuläres Verhältnis „Dreizehn“ entwickelte Richard Wagner. Er wollte für seine Person und sein Werk die ominöse Zahl anscheinend von ihrem Negativnimbus befreien. Es schien ihm schon früh aufgefallen und als bedeutsam erschienen zu sein, daß in seinem Name der Buchstabe „R“ nur an erster und an letzter Stelle begegnet, vor allem aber daß die Anzahl der Buchstaben seines Namens genau „13“ war. Wahrscheinlich in Kenntnis der Tatsache, daß das Alphabet in vielen Sprachen 24 Buchstaben aufzählt (deshalb wurden die beiden Homerischen Epen „Ilias“ und „Odyssee“ in jeweils 24 Gesänge unterteilt) und man diesen in vielen Sprachen die Buchstaben des Alphabets zuordnete (A = 1, Omega oder Z = 24), verfuhr er wie schon Johann Sebastian Bach, der sich die Zahl 14 zeitlebens im Besonderen zuordnete, weil die Summe der Teiler seines Namens diese ergab (B = 2; A = 1; C = 3; H = 8: 2+1+3+8 = 14). Hinzu kam die Beobachtung seines Geburtsjahres 1813, denn die Quersumme dieser Zahl ergibt wieder 13 (1+8+1+3 = 13). Er sah lebenslänglich die Zahl „13“ als seinen Glücksbringer an, so daß er viele seiner Opernkompositionen an einem 13. verschiedener Monate begann oder beschloß, was er feierlich in seinen Manuskripten festhielt: „Tannhäuser“, begonnen am 13.7.1843, „Der fliegende Holländer“, vollendet am 13.9.1834, „Parsifal“, seine letzte Oper, am 13.1.1882. So ist es nicht verwunderlich, daß er geradezu obsessiv darauf bestand, die Eröffnung seines Bayreuther Hauses an dem für die übliche Opernsaison ungünstigen Datum, auf den 13.8.1876, mit der Uraufführung seiner „Nibelungen“-Tetralogie festzulegen, wie es noch heute eine wuchtige Tafel am Eingang des Festspielhauses unübersehbar verkündet, den gewöhnlich alljährlich unter der Sommerhitze leidenden Festspielbesuchern die Bedeutung dieses Tages in Erinnerung rufend. Daß seine letzte Oper „Parsifal“ nennenswerte Rollen für genau 13 Sänger bietet (Amfortas, Titurel, Gurnemanz, Parsifal, Klingsor, Kundry und 6 Blumenmädchen) könnte Zufall sein, erst recht, daß Wagner mit „Parsifal“ unvorhersehbar seine 13. und letzte Oper vollendete („Die Feen“, „Liebesverbot“, „Rienzi“ und die 10 immer wieder in Bayreuth aufgeführten Werke „Holländer“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“, 4 Abende „Ring“, „Tristan“, „Meistersinger“ und eben „Parsifal“). An der Frage, ob sein Todesdatum Zufall oder Schicksal ist, scheiden sich die Geister; immerhin konnte er selbst dieses so wenig beeinflussen wie das Datum seines Geburtsjahres und die Anzahl der Buchstaben seines Namens: Die Zahlen des 13. (!) Februar 1883 ergeben die Quersumme „26“ - und so verdoppelt sein Sterbetag die Leitzahl seiner Geburt und seines Lebens.
 
       „Jetzt schlägt's (schlägt die Glocke) aber dreizehn.“ Diese bedeutungsvollste unter den gefährlichen Zahlen hat unter den nach dem Duodezimalsystem die „Zwölf“ anzeigenden Glockenschlägen keinen Platz. Die weit verbreitete Redensart will sagen, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht oder gar der Teufel seine Hand im Spiel hat, denn ein altes Sprichwort sagt: „Dreizehn ist des Teufels Dutzend.“ Von solch drastischen Vorstellungen hat sich die Moderne zwar allmählich entfernt; dennoch ist der Zahl „Dreizehn“ die Ominosität wohl nie zu nehmen.
 
 
© Heinz Rölleke für die Musenblätter 2020