Beethoven und Mozart: Innere Schönheiten des Universums

Lisa Jacobs und das Sinfonieorchester Wuppertal

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

Beethoven und Mozart: Innere Schönheiten des Universums

Lisa Jacobs und das Sinfonieorchester Wuppertal

Von Johannes Vesper
 
Zu „Fidelio“, der einzigen Oper Ludwig van Beethovens (1770-1827), gab es immerhin vier Ouvertüren. Mit der letzten eröffnete jetzt das Sinfonieorchester Wuppertal sein 2. Abonnementskonzert (158. Saison). Sie scheint im Vergleich zur 2. oder 3. Leonoren-Ouvertüre, die die Revolution und Liebe der Oper nicht vorwegzunehmen, sondern stimmt mit punktiertem Trompeten-Motiv einer fallenden Quart und dem drängenden 1. Thema im Wechsel mit lyrischen Passagen auf das Drama ein. Im Konzert war Fidelio nach knapp 10 Minuten vorbei. Erst zehn Jahre nach der Uraufführung auf dem „tanzenden“ Wiener Kongreß (1814/15) feierte Beethoven im Kärntnertortheater mit seiner Oper richtig große Erfolge. Spätestens damit wurde er zum europäischen Ereignis, hatte er doch, damals unbehelligt von Corona, vor fünftausend Besuchern (!) auch schon sein Konzertstück „Wellingtons Sieg…“ dirigiert. In der Historischen Stadthalle Wuppertal durften jetzt immerhin 150 maskierte Personen zuhören.
 

Foto © Johannes Vesper

Fünf seiner acht Violinkonzerte schrieb Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) im Alter von 19 Jahren für den eigenen Gebrauch als Konzertmeister am Salzburger Hof. Obwohl geübter Geiger, war er jedoch „… kein großer Liebhaber von Schwierigkeiten", aber ein Liebling seines Publikums, welches den „schönen reinen Ton lobte und es ging wie Öl“. Tatsächlich gelten auch heute noch Reinheit und Sauberkeit dieses Konzertes als Qualitätskriterien für Geiger, die sich auf eine Violinstelle im Sinfonieorchester bewerben. Musikalisch nicht von der Tiefe und Hintergründigkeit der späteren Klavierkonzerte, bezaubert aber das 5. Violinkonzert A-Dur (KV 219) durch Galanterie und Eleganz. Zu Beginn nach den langsam aufsteigenden gebrochenen Akkorden des 1. Themas, verschafft sich die Violine mit freier Adagiopassage Gehör. Dann aber legte die Geigerin mit mozartischer, tänzerischer Energie und fliegenden Haaren los in engelsgleiche Höhen und klangvolle Tiefen. „Mozarts Musik ist so rein und schön, daß ich sie als die innere Schönheit des Universums selbst ansehe“. schrieb Albert Einstein, der auf seiner Geige mit Namen Lina gerne gespielt hat. Lisa Jacobs aber spielt auf einer Ruggieri des Jahres 1683. In ständigem Kontakt mit dem Orchester, beglückte sie die Zuhörer mit feinem Ton, emotionalem, virtuosem Spiel und konnte in den Kadenzen ihre ganze geigerische Persönlichkeit zeigen. Als 17jährige hatte sie ihr Debüt mit dem Concertgebouw Orchester unter Riccardo Chailly gegeben. Neben ihrer internationalen Konzerttätigkeit unterrichtet Sie am Königlichen Konservatorium von Gent. Als Zugabe spielte sie für das begeisterte Publikum die höchst anspruchsvolle „Ballade“ (3. Sonate für Solovioline) von Eugène Ysaÿe wunderbar.
 

Foto © Johannes Vesper

Zuletzt gab es Beethovens 4. Sinfonie (B-Dur Werk 60) aus seinem produktivstem Jahr 1806. Mit der kleinsten Besetzung seiner neun Sinfonien behandelt Beethoven hier die Fülle der musikalischen Ideen und Motive heiterer und lockerer, eher improvisatorisch, alles andere als heroisch oder schicksalhaft. Robert Schumann sprach von „edler Simplizität“. Tatsächlich aber glaubt man bei dem lebensvollen, eleganten, synkopisch-pochenden Allegro vivace des 1. Satzes schon Mendelssohn zu erahnen. Leider spielte das Blech heute nicht in der bekannten Hochform. Im Adagio es 2. Satzes macht das auftaktartige punktierte Quartmotiv, das den Satz insgesamt prägt, schon vor dem gegenläufigen lyrischen Thema auf sich aufmerksam. Und der 3. Satz entpuppt sich mit Taktverschleierung und Überraschungen als echtes Scherzo. Es litt unter dem auch hier mächtigen, stellenweise wolkigen, überhaupt nicht schlanken Orchesterklang (nur Überakustik?). Unter dem eleganten, kapellmeisterlich-musikantischen Dirigat von Julia Jones wurden mit dem buffoartigen, sehr flinken Finale alle Instrumente gefordert und die Seelen des Publikums durchpustet, welches sich mit großem Applaus bedankte.