Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (3)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (3)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub, daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 

E bißje Famillisch muß sein
 
Er kam in eine Familie, die was Besonderes war: Opa kam aus Mechelen in Belgien, war ein braver Musiker in kurfürstlichen Diensten am Hof in Bonn, Baß und Dirigent, und besserte sein Einkommen durch Weinhandel auf. Er selbst war wohl einigermaßen ausgeglichen, sein Fräuchen allerdings hatte die rheinische Krankheit: Schabau. Das heißt Schnaps und war das Volksgetränk für die einfachen Leute. Die konnten sich keinen Wein leisten, außerdem lehnten sie ihn ab, weil die Wirkung zu lange auf sich warten ließ. Schnaps war billig und zielführend, also vom Preis-Wirkungs-Verhältnis wesentlich effektiver als der teure Wein. Selbst Heinrich Böll schrieb noch, daß man bis Bad Godesberg, von Süden kommend, Wein trinke, ab Bonn aber Schnaps, also Schabau.
       Übrigens hat man in der Zeit auch Säuglingen einen schnapsgetränkten Schnuller in den Schnabel gesteckt, damit sie ruhig blieben. Eine bewährte Methode: in Südtirol sagte man noch in den 1950er Jahren, die „Unterlandler“ (das ist die Gegend „Überetsch“ südlich von Bozen, wo der wunderbare Wein herkommt) seien deshalb so dumm, weil sie in Leps getränkte Schnuller „zuzeln“ mußten, während die Eltern beim ‚Wimmen’ waren, bei der Lese. Leps ist nicht Most, sondern ein eigens hergestellter „Wein“, der aus dem gemacht wurde, was von den Trauben nach dem Einstampfen und Entsaften für den ‚richtigen’ Wein im Bottich übriggeblieben ist. Er schmeckt grauenhaft, hat weniger Alkohol als richtiger Wein und dient deshalb als erfrischender Quasi-Wein bei der Feldarbeit zur Stärkung – und um die Monotonie dieser Arbeit etwas geschmeidiger zu machen. Und genau da durften die Babys nicht stören, also hat man ihren Schnuller in Leps getunkt und Ruhe war!
       Maria Josepha van Beethoven, geborene Poll, Ludwigs Oma, war – und das sollte man würdigen - eine der ersten großen bekennenden Alkoholikerinnen des Rheinlandes. Gottfried Fischer (der Bäckermeister und Kindheitsfreund vom Ludwig - wir kommen noch auf ihn zu sprechen) schreibt:
„seine Ehegemahlin eine stille gute Frau, die aber dem Trunck so stark ergeben war, womit er (der Opa vom Ludwig) so vill heimliche Leiden ertragen hat, daß er nachher zuletzt auf den Gedanken gekommen war, daß er sie nach Köln in Pangsion gethan“. Sie ist also im Schabaustübchen der Geschlossenen in Köln gestorben, für damals ein eher seltenes Familienereignis. Gerüchten zufolge soll sie die Urheberin der Hymne: „Einer geht noch, einer geht noch rein“ gewesen sein, aber mündliche Überlieferungen aus diesem Dunstkreis stehen immer auf unsicheren Beinen. 1775 ist sie im Glas geblieben (eine typische südtirolerische Redensart: wenn einer, der kein Weinverächter war, gestorben ist, ist er „im Glasl“ geblieben). Uns Ludwig hat sie kaum oder gar nicht gekannt, als sie starb, war er grad mal 5 Jahre alt. Den Opa, der 1773 gestorben war, hat er zwar auch kaum gekannt, hat ihn aber hoch geehrt: sein Porträt in Öl hat er bis zum Schluß immer mitgenommen und in seinen Wohnungen prominent ausgestellt, es ist bis heute gut erhalten - klar, Öl konserviert – und hängt im historischen Museum der Stadt Wien. Kann man hingehen und gucken, aber wirklich lohnen tut sich’s nicht. Gut gepinselt, ja, aber inhaltlich eher so, wie man mit dem Handy knipst: draufhalten, drücken und fertig. Er hält ein Notenblatt in der Hand, der Porträtist hatte da aber ein Schärfeproblem: der Pinsel war so unscharf eingestellt, daß man nicht erkennen kann, was das denn für Noten sind, die er da in der Hand hält. Ludwig hätte es vielleicht gewußt, hat uns aber nix darüber überlassen. Vielleicht sind das ein, zwei Zeilen aus einem Karnevalsschlager, wir wissen nämlich, daß der alte Ludwig auch dazu verpflichtet war, die Sitzungen vom Festausschuss Bonner Karneval und die Prunksitzungen der Bonner Karnevalsgesellschaft „Mures Albae e.V. – Wieß Müüs e.V.“ musikalisch zu untermalen. Vielleicht hat von daher auch „uns“ Ludwig das Karnevals-Gen bekommen: vom Opa und von der Oma. Einige Kompositionen legen nahe, daß er sein Leben lang an Karnevalsliedern hing und sie immer wieder in seiner Musik unterbrachte. Den Wienern konnte er damit nicht kommen, die mögen den Rhein heute noch nicht, sie haben ja die Donau. Also versteckte er immer wieder geliebte rheinische Themen hinter seinen Kompositionen. Der Beginn der Sonate für Violine und Klavier op. 24 Nr.5 in F-Dur, der Frühlingssonate, ist so ein Fall. Singen Sie ab Takt 1 parallel dazu: „Einmal am Rhein, und dann zu zweit alleine sein“, Sie werden sehen: ich habe Recht! Was muß dieser Mann für ein Heimweh gehabt haben!


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 © 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker