Beethoven zum Jubiläumsjahr

Das 1. Sinfoniekonzert der Saison in der Historischen Stadthalle Wuppertals

von Johannes Vesper

Foto: Johannes Vesper

Beethoven zum Jubiläumsjahr:
 
Das 1. Sinfoniekonzert in der Historischen Stadthalle Wuppertals
 
Von Johannes Vesper
 
Nach wochenlanger Unsicherheit, wie mit dem Abonnement umzugehen wäre, trafen sich Sinfonieorchester und sein Publikum endlich zum 1. Sinfoniekonzert der 158. Wuppertaler Saison, überschrieben mit „Held der Welt“. Warum? Stets wollte Ludwig van Beethoven (1770-1827) mit seiner Musik „Feuer aus dem Geist schlagen“ und seine 3. Sinfonie, die Eroica, hatte er einem Helden, vielleicht Napoleon gewidmet. Wie auch immer. Sie stand jetzt nach dem Violinkonzert D-Dur op. 61 auf dem endgültigen Konzertprogramm.
 
Die ursprünglich für März geplante Aufführung fiel Corona Maßnahmen zum Opfer. Yusuke Hayashi, Konzertmeister hier seit 2017, hat sich viele Jahre mit diesem Konzert beschäftigt. Das Tempo wurde von großen Geigern durchaus ganz unterschiedlich genommen, denn Metronomangaben hat Beethoven erst später geliefert. Mit vier leisen Paukenschlägen zu Beginn liegt das bewegte Tempo dann fest. Zunächst scheint die orchestrale Einleitung auf eine Sinfonie hinauszulaufen. Aber dann steigt mit solistischen Oktavgängen ruhig und intensiv die Geige auf, singt, schwebt lyrisch-melodisch über dem Orchester, greift, die musikalische Entwicklung eher begleitend, das Themenmaterial auf. Yusuke Hayashi spielt den Part mit spannungsreicher Agogik und seelenvollem stets feinem Ton voll aus. Weniger virtuos-dramatisch als gesanglich -poetisch handelt es sich eher um ein Orchesterwerk mit obligater Violine als um ein Solostück im klassischen Sinne. Im Larghetto des 2. Satzes umspielt die Violine zart und innig das zunächst im Pianissimo vorgestellte Thema. Stürmisch und munter beginnt das schnelle Rondo des letzten Satzes und das Temperament des Solisten springt bald auf das Orchester über. Im höchst sensiblen Zusammenspiel mit dem aufmerksamen Orchester unter Thomas Ringborg gestaltete der Konzertmeister technisch versiert und mit großem Ausdruck das Werk. Das Publikum dankte ihm mit Bravi, Bravissimi, woraufhin er mit dem 1. Satz aus Eugène Ysaÿe (1858-1931) spannungsreicher G-Dur Solosonate das Publikum erneut begeisterte.
 
Warum die scheidende Generalmusikdirektorin Julia Jones zur Saisoneröffnung nicht selbst dirigiert hat, bleibt ihr Geheimnis. Heute stand Thomas Ringborg - gerne erinnert man sich an sein Dirigat hier im Januar 2018- am Pult. Die Pause fiel wegen Corona aus, obwohl die Salzburger Festspiele als virologisch-epidemiologisches Massenexperiment keine signifikante Gefährdung der Konzertbesucher ergeben hatten. Das Publikum ertrug es trotz einer Konzertdauer von zwei Stunden heroisch in Erwartung der 3. Sinfonie Beethovens, bei deren Uraufführung es Zuhörer gegeben haben soll, die bezahlen wollten, damit man nur ja aufhöre. Nicht so in Wuppertal. Nach den zwei Fortissimo Orchesterschlägen zu Beginn sangen die Celli sonor los mit dem berühmten gebrochen Es-Dur Dreiklang, der nach vier Takten mit einem überraschenden Cis aus der Tonart ausbricht. Nach gewaltigen Entwicklungen und synkopalen kurzen Orchesterakkorden türmt sich am Ende die große Coda mächtig auf. Beim ergreifenden Trauermarsch des 2. Satzes, des wohl bedeutendsten Klageliedes der Musikliteratur, schien das Publikum stark berührt und man hätte die berühmte Stecknadel bei zu seltenem Piano fallen hören können. Im flinken 3. Satz (Presto) drängen die Orchesterstimmen gespenstig, nicht immer in letzter Brillanz voran, bis die Stimmung sich plötzlich bei friedlich-bukolischem Jagdhornklang ändert. Auf die Reduktion der Streicher wie des Publikums und die dadurch bedingte leichte Überakustik werden sich Bläser wie die stets selbstbewußte Pauke zukünftig einstellen müssen. Auch die nach Vorstellungen der Berufsgenossenschaft geänderte Sitzordnung verändert den Klang. Im Schlußsatz wirbelt nach Pizzicato, Variationen und Fuge alles abwechslungsreich durcheinander bis hin zur Anmutung eines türkischen Marschs in Moll. Nach Generalpause und Adagio Intermezzo geht es mit herrlich klarem Blech schwungvoll dem Schluß entgegen. Erneut großer Applaus des begeisterten Publikums, welches nach Anweisung in den sonnigen Sonntag entlassen wurde.