Fasching, Leipzig, Rübenzucker

DDR-Plakate - Ein Kalender 2021

von Frank Becker

Fasching, Leipzig, Rübenzucker
 
Plakatwerbung in der DDR
 
Als die DDR noch jung, voller Elan und voll der Überzeugung war, mit ihrer Planwirtschaft dem konkurrierenden westdeutschen Staat zu zeigen, wo Bartel den Most holt, mußte natürlich auch an eine florierende Wirtschaft gedacht werden. Die kurbelt man, wie im Kapitalismus, da gelte die gleichen Regeln, mit Werbung, mit Plakaten an. Die Berliner Akademie der Künste hat den graphischen wie historischen Wert solcher DDR-Werbung erkannt und nach dem Ende der DDR eine Plakat-Sammlung angelegt, aus der die Kalender-Redaktion des Weingarten-Verlags auch für das kommende Jahr wieder eine Auswahl getroffen hat.
 
Zwölf Motive aus den 50er Jahren wurden ausgesucht und von Matthias Biskupek kommentiert. Man lernt, daß damals nicht explizit für bestimmte Marken geworben wurde, sondern daß der Konsum schlechthin Ziel der Reklame war, zumal aus Quellen wie den staatlichen Handels-Orgaisationen wie Konsum und HO. Die Privatwirtschaft galt als unsozialistisch und die Landwirtschaft wurde sehr bald in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) organisiert. Die in dem hier vorgestellten großformatigen Kalender gezeigten Plakatmotive sind zum einen von hohem künstlerischen Rang, der sich vom graphischen Stil der damaligen bundesrepublikanischen Werbegraphik nicht unterschied, zum anderen zeichnen sie ein hochinteressantes Bild der Gesellschaft, die man im Ostteil Deutschlands – eine Mauer gab es damals noch nicht und auch die verminten Todesstreifen zwischen Deutschland und Deutschland wurden erst später angelegt – aufzubauen versuchte.
Die Messestadt Leipzig mit stilisierten Westautos vor dem Rathaus warb für sich, Verkehrssicherheit, Schulbeginn und Weihnachten standen im Fokus, und Fasching war kein Fremdwort. Pausengymnastik in Staatsbetrieben zu bewerben war übrigens die schlechteste Idee des FDGB nicht.
 

Daß neben hochwertiger Mode-Werbung von HO und HO-Stalinallee (das muß vor 1961 gewesen sein) auch die Planwirtschaft entlarvende Plakate gedruckt wurden zeigt, daß der sozialistische Staat in eine Schieflage geriet. Die Werbung für Erntehilfe von Zuckerrüben weist auf den Mangel an Zucker hin, und die Übernahme von Nikita Chruschtschows Appell, zur Behebung des Fleischmangels Mais als Futterpflanze (Mais ist Wurst am Stiel) anzupflanzen, spricht auch für diesen Mangel.
Der DDR-Nostalgie-Kalender 2021 mit Plakaten aus der Kunstsammlung der Akademie der Künste Berlin dreht für jene die dabei waren und für alle, die sich für die jüngere deutsche Geschichte interessieren, mit ein bißchen Wehmut, aber auch mit leisem Schmunzeln zwölfmal die Zeit zurück. Er ist jetzt überall zu haben.


 

DDR-Plakate 2021
Monatskalender – Texte von Matthias Biskupek
© 2020 Weingarten Verlag, 12 Monatsblätter Format 55  x 46 cm - ISBN 978-3-8400-8007-4
16,99 €
Weitere Informationen: www.weingarten-kalender.de