Die Welt eines Neo-Romantikers

Rudi Hurzlmeier – „Hurzlmeiermalerei“

von Frank Becker

Titel:  „Selbst im Raumgleiter“
Halluzinationen
 
Rudi Hurzlmeier
Die Welt eines Neo-Romantikers
 
Dramatische Gebirgslandschaften, Schaurige Schauspiele, prächtige Pferde, üppige Weiber, Unterwasserwelten, Adaptionen der Malerei der Romantik und des Impressionismus, aber auch Besuch bei Zeitgenossen, Stilleben, Dramen, Alpträume und Nachtmahre, Bärenspäße und Tierleben – Das Werk des Malers, Cartoonisten, Satirikers und Kunstkritikers Rudi Hurzlmeier (*1952) ist vielfältig. So vielfältig, daß eine komprimierte Zusammenfassung nur eine Annäherung sein kann. In der verdienstvollen Kunstmann-Band der Reihe „Meister der komischen Kunst“ ist vor neun Jahren, wenn auch schmal, zumindest schon einmal eine Annäherung gelungen, die staunenswerte Vielfalt seiner Cartoons, Witze, Comics und Ölbilder, die ihn so besonders macht, anzureißen. Es sind vor allem seine überbordende Phantasie, die häufig die Trennlinie zur Boshaftigkeit überschreitende Satire und die über vielen Arbeiten liegende tiefe Melancholie. Rudi Hurzlmeier karikiert damals z.B. Georg Christoph Lichtenberg - und könnte selbst einer von dessen Art sein. Er treibt Scherz mit Vincent van Gogh (Der Hosendieb), ironisiert das Motiv von Francois Bouchers „Ruhendes Mädchen“ (1752) für sein „Mädchen am Meer“ (auch unter dem Titel „Little Mermaid“) oder setzt das Lady Godiva-Motiv für seine „Lesereise“ um - und zeigt damit gleichzeitig seine Lust am Schauen, an der Üppigkeit und die Liebe zum Öl. Der, nämlich der Ölmalerei Hurzlmeiers, ihrer detailverliebten, beunruhigenden Bilder- und Alptraum-Welt widmet der Verlag Antje Kunstmann – Lappan (2014) und Holzbaum (2016) haben vorgelegt - einen noch opulenteren neuen Bildband, der heute in die Läden kommt.
 

Mädchen am Meer © Rudi Hurzlmeier


Thanksgiving © Rudi Hurzlmeier

Hurzlmeiers Werk, in das er in einem eloquenten Vorwort höchstselbst einführt, weist ihn als einen Seelenverwandten in der Nachfolge des großen Robert Crumb aus, was Wunder, daß Hurzlmeiers „Thanksgiving“ deftig mit Crumbs Motiven spielt. Das Spiel mit Bekanntem findet sich (s.o.) auch in „Little Mermaid“ nach Francois Bouchers marzipansüßem „Ruhendem Mädchen“, während das saftige Gemälde „Lesereise“ (s.o.) die Adaption der Lady-Godiva-Legende von John Collier bis Kirsi Salonen und dem Bare Witch Project  aufgreift und „Sunset Boulevard“ eine tiefe Verneigung vor der Romantik Caspar David Friedrichs ist. Mit Arno Schmidt teilt er die Liebe zu Karl May und dem „edlen Wilden“ (Winnetou I und II). Der Beispiele weitere finden sich im Buch und im Gesamtwerk. Den Künstler selbst sehen wir nur selten im Selbstportrait („Selbst im Raumgleiter“ schmückt immerhin den Titel) - das hat er Rembrandt überlassen.
Aber auch Motiv-Übernahmen der zeitgenössischen Fotografie finden sich, als Beispiel sei die „Perlentaucherin“ genannt, die sich auf das fotografische Werk von Alina Gross beruft.
 

Sumpf © Rudi Hurzlmeier


  Die  Lesereise - Sumpf © Rudi Hurzlmeier

Rudi Hurzlmeier, von der akademischen Malerei gelegentlich geschmäht, geringschätzig als Cartoonist abgefertigt, zeigt auch nun wieder, wo der Pickel hängt und der Yeti den Most holt. Harsch vollzieht er den Bruch mit der herkömmlichen alpinen Genremalerei, sagt dem Genre-Kitsch den Kampf an, denken wir nur an „Service-Station“ und „Scheußliche Gegend“, zeigt die Wahrheit, öffnet neue Horizonte.
Seit Caspar David Friedrich und Arnold Böcklin ist kaum ein Maler so intim, zugleich so ehrlich mit der Natur gewesen. Mit feinem Pinselstrich, der ihn auf olympische Höhen der Kunst hebt, läßt Hurzlmeier die Majestät der Bergwelt auch tagespolitisch brennend aktuell neue Dimensionen gewinnen, offenbart er Verstecktes, entlarvt Vermeintliches, zeigt der reinen Wahrheit verpflichtet auch bisher vor der Öffentlichkeit Verborgenes.
 

La vie en rose © Rudi Hurzlmeier

Zwar gibt Rudi Hurzlmeier in seinem erwähnten Vorwort einige Hinweise auf die Symbolik seiner beliebtesten Sujets, doch bleiben Gurken und Kolibris, Lurche und Leus, Kürbisse und Möpse, Pferde und Affen, Berge, Nandus und Mohren weiterhin kryptisch. Erfreulich ist Hurzlmeiers deutliche Hingabe zur Erotik. Die zärtliche „Handarbeitsstunde“, dazu mit allen Attributen der Weiblichkeit in schwellender Üppigkeit ausgestattete Akte wie „Die Büchse der Pandora“, „Halluzination“, „Nach drei Kirschlikör“ u.a.m. schier auffordernden Charakters und gelegentlich – beinahe verschämt – erscheinende männliche Geschlechtsteile (z.B. in „Restaurierung einer Heiligenfigur“) sowie phallische Objekte lassen daran kaum einen Zweifel aufkommen.

 
Senftankstelle © Rudi Hurzlmeier

Lassen wir über der nackten Sinnenlust aber bitte nicht den Biß, die Idylle, den leisen Horror, das Drama und die Abgründe außer acht, über welche die Hurzlmeirschen Sujets in Fülle verfügen. Bei aller leichten Heiterkeit liegt über vielen Motiven auch eine tiefe Melancholie.
Rudi Hurzlmeier hat für sein ergötzliches Werk, das wir Ihnen hier mit einigen unserer Favoriten nur in Auszügen vorstellen können, unsere Auszeichnung redlich verdient, die ihm hiermit verliehen wird: den Musenkuß.
 
 
Die Büchse der Pandora © Rudi Hurzlmeier

Seit dem 11. September und noch bis zum 1. November
zeigt das Kunsthaus Fürstenfeldbruck die Ausstellung „Hurzlmeiermalerei“.
Informationen dazu unter www.kunsthaus-ffb.de .
 
Rudi Hurzlmeier – „Hurzlmeiermalerei“
© 2020 Verlag Antje Kunstmann, 217 Seiten, Gebunden, 24 x 30 cm – ISBN: 978-3-95614-400-4
25,- €
 

Van Gockel, Der Hosendieb © Rudi Hurzlmeier


Halluzination © Rudi Hurzlmeier

Weitere Informationen: www.kunstmann.de