Das Wesentliche auf den Punkt gebracht

Jazz à la Flute – „Essenza“

von Frank Becker

Secret Love
 
Das Wesentliche auf den Punkt gebracht
 
Once I had a secret love“, wer kennt nicht die schmalzige Ballade von Sammy Fain und Paul Francis Webster, die 1953 durch den Film „Calamity Jane“ und das Fräuleinwunder Doris Day mit blonder Stimme zum Welthit wurde. Ein Ohrwurm, den zahllose Sängerinnen und Sänger - Tom Lord listet 452 Versionen auf – seither interpretiert haben. Doch erst Billy Stewart setzte dem Song mit seiner Version 1966 die musikalische Krone auf, unerreicht bis heute. Aber jüngst habe ich eine weitere Fassung gehört, die mich überzeugt: Isabelle Bodenseh spielt sie zitatenreich auf der Querflöte, begleitet von Lorenzo Petrocca auf dem Album „Essenza“ des Duos „Jazz à la Flute“, das darüber hinaus neuen weitere wunderbare Titel zu bieten hat.
          
Atemberaubend ist auch John Coltranes „Lonnie´s Lament“, das dem italienischen Albumtitel folgend essentiell aufs Wesentliche heruntergebrochen ist. Die großen Namen und Titel gehen uns nicht aus, denn gleich danach mißt sich Isabelle Bodenseh mit Stan Getz, dessen Interpretation von Chick Coreas „Captain Marvel“ bisher unangefochten war. Nun nicht mehr. Seelenvoll erklingt der Dauerbrenner „Time after Time“ von Lule Styne, der auch nicht von wenigen Weltkünstlern zuvor übernommen wurde. Isabelle Bodenseh besteht auch diesen Vergleich. Wie ein kleines Wunder klingt der alt Gassenhauer „Tico Tico“ von Zequinha de Abreu im neuen Gewand und Domenico Modugnos „Tu si 'na cosa grande“ verliert rhythmisch zwitschernd sein Dramatik.

Wie schon erwähnt, trifft man viele „alte Bekannte“ – und muß mitunter zweimal hinhören, um sie mit dem Namen begrüßen zu können. Das trifft auch auf Bill Evans´ „Waltz For Debbie“ zu, der unerhört sanft mit leicht spanischem Einschlag den fließenden Übergang zum Titelstück gibt, Lorenzo Petroccas „Essenza“ – elegant brasilianisch jazzig und Ohrenweide. Ihre große Kunst des Überblasens, die sie vielleicht ein wenig von Herbie Mann gelernt hat, zeit Isabelle Bodenseh erneut im Schlußstück „Bird´s Work“ von Dizzy Gillespie, das dem Altmeister durchaus zur Ehre gereicht – und dem Duo ebenfalls.
Sollte ich Frau Bodenseh irgendwann begegnen, werde ich sie zum Tea for Two einladen, denn das gefällt ihr offensichtlich. Eine wunderbare Platte, die viel anders ist als andere und unser Prädikat verdient, den Musenkuß.
 
Jazz à la Flute – „Essenza“
© 2020 GLM Music
Isabelle Bodenseh (fl) – Lorenzo Petrocca (g)
 
Titel:
1. Incompatibilidade de genios - 2. Secret Love - 3. Lonnie's Lament - 4. Captain Marvel - 5. Time After Time - 6. Tico tico no fuba - 7. Tu si 'na cosa grande - 8. Waltz for Debby - 9. Essenza - 10. Birks' Works
Gesamtzeit:  52:18
 
Weitere Informationen:  www.glm.de  - https://www.isabellebodenseh.de/