Ganz normale Tage im August

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker

Ganz normale Tage im August
 
(Bitte laut lesen)
 
Es gibt Tage, da starrt man auf den Wecker und wartet bis er einen wecken will, obwohl man wegen der Hitze gar nicht einschlafen konnte. Ich kenne eine Frau, die hat ihre Wohnung auf 40 Grad eingeheizt, damit ihr Hund sich schon mal auf ganz normale Sommertage einstellen kann. Wo sollen wir denn hin? Wo kann man denn noch sein? Da fährt man lieber an den Lippesee und wundert sich, daß die Kampfjets immer noch so laut sind und so tief durch den Himmel donnern, daß der Hund am liebsten wegrennen will und ich auch. Es gibt Tage, wo man dauernd diese Frau trifft, die ihrem Hund die Angst vor Kampfjets austrieb, indem sie ihn drei Tage mit dem Geräuschen von Kampfjets, gefunden im Internet, beschallt hat. Da fährt man doch lieber nach Hause und traut sich kaum aus dem Autofenster zu schauen, weil einem überall die Wahlplakate der AfD auflauern, auf denen ihr Kandidat einem entgegenstrahlt und Bürgermeister werden will. Ich meine, ich will auch Comedystar werden, aber wie soll das klappen, wenn keiner über einen lachen will? Sind wir denn hier in Legoland? Kann man einem wegfahrenden Bus hinterherlaufen, wenn man gar nicht einsteigen will? Da geht man lieber einkaufen im Südring und kommt kaum über die Straße, weil die Tuning-Szene schon auf einen wartet, um einem ihre röhrenden  Autos vorzuführen und das bei 37 Grad im Schatten. Und dann trifft man wieder diese Frau, die ihrem Hund den Krach der Tuning-Szene ausgetrieben hat, indem sie ihn drei Tage lang mit deren Sounds beschallt hat, während man selbst vom Johann Sebastian Bach träumt und auf einen Engel hofft, der einen durch dieses Jammertal führt und einen abstellt an einer einsamen Quelle, wo man in Ruhe einen Schluck Wasser trinken kann. Wäre es nicht möglich, daß alle, die einen dauernd nerven, einfach mal sagen, wir bleiben zu Hause? Das die Kampfjetpiloten sagen, wir nerven jetzt nicht mehr rum, die Straßenkünstler sind beschäftigt, die fürchten sich in Coronazeiten, da müssen wir nicht dazu noch unseren Senf geben. Wäre es nicht möglich, daß die Leute von  der AfD sagen, wir haben in den letzten Jahren genug genervt, wir bleiben zu Hause und denken nach? Daß sie sagen, wir hängen  neue Plakate auf, auf denen steht: „Wir entschuldigen uns und wählen grün“? Könnte sich nicht auch die Tuning-Szene zurücknehmen, zusammen mit den Bandidos und den Geländefahrradfahrern und wie ein griechischer Chor an der Straße stehen und singen: „Nicht mehr nerven ist so wichtig. „Ruhe-lassen“ ist so richtig. Sagt uns einfach doch Bescheid, wenn ihr wieder seid bereit. Wir sind da um euch zu nerven. Euren Widerstand zu schärfen. Ohne uns geht’s euch zu gut, darum spart euch auf die Wut.“ Ich würde auch so gerne andere nicht mehr nerven, aber wo soll man denn hin? Wo kann man denn noch sein? Die Einsamkeit ist ein Truppenübungsplatz. Ich traf jetzt wieder diese Frau, die hat die Hundehütte ihres Hundes mit lauter Wahlplakaten tapeziert, der kann jetzt an einem Wahlplakat vorüber gehen ohne zu knurren.  
 
 
© 2020 Erwin Grosche