Märchenhaftes Neukirchen-Vluyn

Das Märchen-Festival zog über 6.000 Gäste in die niederrheinische Stadt

von Andreas Rehnolt

Chef-Juror Prof. Dr. Heinz Rölleke
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www.marco-polo-film.de
Neukirchen-Vluyn war wieder
zwei Tage märchenhaft


Beim diesjährigen Märchen-Festival in der niederrheinischen Stadt lauschten über 6.000 kleine und große Fans den Erzählerinnen und Erzählern


Neukirchen-Vluyn - "Beim Märchen-Erzählen können sich Kinder und Eltern auf eine Sache konzentrieren, sie können die Handlung miterleben, miteinsteigen in die Geschichte und dabei ihre eigene Phantasiewelt erleben." Nadine Brachten vom veranstaltenden Neukirchener Erziehungsverein war am Wochenende selbst total begeistert von der Stimmung auf dem diesjährigen Märchen-Festival in der niederrheinischen Stadt. Zwei Tage lang drehte sich auf acht Bühnen rund um die Alte Mühle alles um alte und neue Märchen. Über 6.000 kleine und große Fans lauschten den Geschichten von 16 Erzählerinnen und Erzählern, die aus der Schweiz, aus Österreich, den Niederlanden und aus Deutschland angereist waren.

"Mir ist beim Zuhören und beim Betrachten der kleinen Märchenfreunde wieder bewußt geworden, wie schön Vorlesen und Erzählen sein kann", meinte Karoline Walter, die mit ihren beiden Enkelkindern aus Bonn angereist war. Die fünfjährige Patricia lauschte völlig hingerissen dem Märchen "Das Hühnchen mit dem Füßchen, das aus Gold ist", das von Helden auf der Wanderschaft handelte und von Marianne Vier auf der Mühlenwiese erzählt wurde. Der vier Jahre alte Lucas aus Oberhausen saß unterdessen mit seiner Mutter am Dorfplatz und hörte mit großen Augen und aufgerissenem Mund, wie Cordula Carla Gerndt das Märchen "Kalif Storch" von Wilhelm Hauff zum Besten gab. Suse Weiße, die schon seit 1996 Geschichten für Kinder und Erwachsene erzählt, unterhielt bei der vierten Ausgabe des Märchen-Festivals mit rauhen Geschichten des Nordens und mit skurrilen und ernsten Märchen der Brüder Grimm.

Die neue Lust an alten Geschichten

Die 44-jährige, die nach eigenen Worten "in Potsdam, Berlin und aller Welt" in Sachen Märchen unterwegs ist, hat die Liebe dazu schon während der Erzählungen der Mutter ihres Vaters entdeckt. "Wenn Märchen erzählt und nicht nur vorgelesen werden, dann kann man die Kinder aktiv mit einbeziehen", schwärmte am Sonntagmorgen eine Lehrerin aus Münster, die sich in Neukirchen-Vluyn bei den Profis Anregungen für einen Märchennachmittag nach den Ferien an ihrer Schule holte. "Eltern entdecken hier zuweilen ihre Kinder ganz neu und bekommen wieder Lust, ihnen Geschichten zu erzählen und den Fernseher oder Computer mal ausgeschaltet zu lassen", erklärte Nadine Brachten, die beim Neukirchener Erziehungsverein als Referentin derzeit auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit aktiv ist.

"Märchen begeistern und verzaubern immer noch", betonte auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die seit dem ersten Märchenfestival die Schirmherrin der Veranstaltung ist. "Die Zuhörer, ob kleine, kleinste oder große sind aufmerksam, interessiert und total begeisterungsfähig", schwärmte auch Heinz Rölleke, Deutschlands "Märchenexperte Nummer eins", der die fachliche Leitung des Festivals und der Jury-Arbeit übernommen hatte. Denn eine sachkundige Jury wollte am Ende des Festivals Sieger in den beiden Disziplinen "beste Mimik" und "beste Dramatik" küren. Der emeritierte Literaturprofessor der Bergischen Universität ist davon überzeugt, das Märchen "auch als Lebenshilfe" für Kinder und Erwachsene eine große Bedeutung haben.

Grimm, Andersen, Odysseus & Co.

Die Erzählerinnen und Erzähler brachten an den beiden Tagen nicht nur traditionelle Volksmärchen der Brüder Grimm, von Christian Andersen oder Wilhelm Hauff zu Gehör, sondern präsentierten auch zahlreiche eigene Geschichten aus dem Tierreich, der Welt der Könige oder der Ritter, Feen und Kobolde. Für Angela Corah Bischoff "sind Märchen Nahrung für die Seele". Sie erzählte am Wochenende von "Hexen und anderen charmanten Frauen" und von Zwergen, Trollen und "Naturgeisterallerlei". Für die professionelle Märchentante ist es nach eigenen Worten "wunderbar, beim Erzählen die strahlenden Augen der Zuhörer zu sehen." Raymond den Boestert aus den Niederlanden erzählte in Neukirchen-Vluyn von "Odysseus, Sisyphos & Co." und Marianne Vier gab unter anderem ein "Märchen vom Schön- und Häßlichsein" zum Besten.

Veranstalter und Erzählerinnen und Erzähler gaben sich am Sonntag davon überzeugt, daß auch das diesjährige Märchen-Festival den Besuchern wieder viele Anstöße gegeben hat, sich mit dem freien Fabulieren stärker zu befassen. "Das aufmerksame Zuhören, das Eintauchen in die wundervolle Welt der Phantasie kommen in unserer hektischen Zeit mit ihren vielen "Events" und Terminen doch viel zu kurz", meinte Nadine Brachten. Schon jetzt steht fest, daß es am 4. und 5. Juli 2009 das nächste Festival der Märchen- und Geschichtenerzähler im idyllischen Park rund um die Alte Mühle in Neukirchen-Vluyn geben wird. Mit der dann fünften Ausgabe steht sogar ein erstes kleines Jubiläum des bedeutendsten deutschen Freiluft-Festivals für Märchen an.

Internet: www.maerchen-festival.de

Redaktion: Frank Becker