Lucio Silla
Dramma per musica in drei Akten Libretto von Giovanni de Gamerra - Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung: Andreas Stoehr – Inszenierung: Christoph Loy - Bühne und Kostüme: Herbert Murauer – Regiemitarbeit: Thomas Wilhelm – Lichtdesign: Reinhardt Traub – Chor: Gerhard Michalski Solisten Lucio Silla: Bruce Rankin – Giunia: Simone Kermes – Cecilio: Mariselle Martinez –Lucio: Cinna Kerstin Avemo – Celia: Romana Noack – Aufidio: Mirko Roschkowski Mozarts italienische Enttäuschung Mozart war gerade einmal 16 Jahre alt und befand sich auf seiner zweiten Italien-Reise, als er im Herbst 1772 auf einen Auftrag aus Mailand hin den Lucio Silla komponierte. Ein allzu großer Erfolg war die Uraufführung am 26.12.1772 allerdings nicht, jedenfalls zerschlugen sich Mozarts Hoffnungen, in Italien eine feste Anstellung zu finden. Gelegen hat dies, auch wenn es paradox anmutet, womöglich an der hohen Qualität des Werkes, das zwar dem Schema der opera seria folgt, aber bereits unverkennbar individualistische Züge zeigt: Mozarts Gespür für Figurenzeichnung könnte das adelige Publikum, das in den Jahren zuvor an den konventionelleren Werken Mitridate und Ascanio in Alba Gefallen gefunden hatte, allzu sehr irritiert haben. Mozart verließ Mailand enttäuscht – und kehrte nie wieder nach Italien zurück.
Oper mit Modellcharakter Hört man Lucio Silla heute, so sind die Eindrücke ambivalent. Auf der einen Seite ist das großartige Musik, die über das halbwissenschaftliche Interesse an der Entwicklung des Genies Mozart hinaus die gelegentliche Aufführung allemal wert ist; auf der anderen Seite ist aber der riesige Abstand zum Figaro oder Don Giovanni unüberhörbar. Es wird an dieser Produktion frappierend deutlich, in welchem Maß Mozart einige Jahre später das gängige Opernschema gesprengt und mit der Konvention gespielt hat. Das Erfassen von Gefühlsregungen in Sekundenbruchteilen, das brillante Wechselspiel von Text und Musik – davon ist Lucio Silla noch weit entfernt. Aber es zeichnen sich Modelle ab, die Mozart später aufgreifen wird, inhaltlich wie musikalisch. So lehnt Giunia das Liebesbegehren des Diktators Silla mit musikalischen Floskeln ab, die entfernt bereits an Konstanzes Widerstand gegen den Bassa Selim in der Entführung aus dem Serail gemahnen, und die düstere Friedhofsszene, in der Giunia auf ihren Liebhaber Cecilio trifft, weist mit fahlen Klängen auf den Don Giovanni hin. Geduldsproben und unterkühlte Regie
Beifall für Simone Kermes Dabei scheint insbesondere Simone Kermes als Giunia, der musikalisch vielschichtigsten Figur der Oper, wild entschlossen, eben nicht nur seelenloses Konzert, sondern lebendiges Theater zu bieten. Mit allen Ausdrucksmitteln stürzt sie sich in die fast schon absurden technischen Schwierigkeiten der Partie, was hier und da zu einer manierierten Gestaltung führt, aber durch die Intensität wie die Virtuosität des Singens das Premierenpublikum wiederholt zu langen (und berechtigten) Beifallsstürmen hinriß. Zurückhaltender, aber mit schön abgedunkelter und tragfähiger Stimme und ebenfalls sehr überzeugend singt Mariselle Martinez den Cecilio, Gegenspieler des Silla. Beide haben die Partien schon in Kopenhagen (die dortige Oper ist Koproduzent) gesungen, wo diese Produktion bereits zu sehen war. Tapfer schlägt sich Bruce Rankin in der Titelpartie, ein eleganter Patriarch mit silbergrauem Haar. Die Stimme besitzt die erforderliche Geläufigkeit, ist allerdings flach und konturlos und unschön gestemmt in den Spitzentönen. Die schönere, aber ungelenkere Tenorstimme hat Mirko Roschkowski in der relativ kleinen Partie des Aufidio (ein Freund und Gehilfe des Tyrannen). Kerstin Avemo als zwielichtiger Lucio Cinna (vorgeblich ein Freund Sillas, der aber die Revolte anzettelt und dann doch nicht ausführt) ist knabenhaft in Aussehen und Stimme – hier wollte der Regisseur wohl den kleinen, noch kindhaften Bruder andeuten. Das macht die Sängerin perfekt, brilliert auch stimmlich, aber um den Preis, daß die Partie sehr leicht besetzt ist. Akkurat musiziert - halbwegs gelungen
Der Schlußchor kommt vom Band. Das glückliche Ende verweigert Loy – man muß wohl sagen: natürlich. (Es käme wohl einer szenischen Revolution gleich, den Librettisten einmal beim Wort zu nehmen – obwohl das Publikum zuvor auch manchen textlichen Unsinn zu schlucken hat, wie etwa bei den endlosen Erklärungen der Protagonisten, warum der Tyrannenmord unterbleibt. Wie angenehm knapp und doch viel plausibler wird Pamina später den Mord an Sarastro verweigern.) Daher muß Aufidio den das Stück beschließenden Huldigungschor per Stereoanlage auflegen. Szenische Wirkung hat das, immerhin, nachdem das auf wenige, betont theatralisch dargestellte Gesten reduzierte Spiel zuvor eindeutig Kopfsache war. Bei allem Respekt: Eine Herzensangelegenheit wird Lucio Silla durch diese Produktion nicht. Weitere Informationen unter: www.rheinoper.de |