Atomträume oder der „Ballermann vom Niederrhein“

Ein Dokumentarfilm-Exposé

von Wolfgang Dresler/Bec

Collage: TACKER Film

Nachdem wir kürzlich eine Besprechung des Buches „Fallout“ veröffentlicht haben, wurden wir auf ein themenbezogenes Dokumentarfilm-Exposé über den Schnellen Brüter in Kalkar am Niederrhein aufmerksam. Der Film wurde nie realisiert, weil der WDR sich aus dem Projekt zurückzog. Über die Gründe darf spekuliert werden. Wir möchten Ihnen das Exposé aus dem Jahr 2004 dennoch oder aber gerade deshalb vorstellen.
 
 
Atomträume oder der „Ballermann vom Niederrhein“
 
Die Geschichte des schnellen Brüters in Kalkar - Dokumentarfilm-Exposé
von Wolfgang Dresler TACKER FILM GmbH
 
 
Willkommen im Wunderland
Der ehemalige „Schnelle Brüter“ in Kalkar ist das einzige Kernkraftwerk der Welt, das in einen Freizeitpark umgewandelt wurde. Wo sich früher Demonstranten und Polizei erbittert gegenüberstanden, wo Milliarden Steuergelder in den Sand verbuddelt wurden hat die moderne Spaßgesellschaft jetzt einen neuen Zeitvertreib-Tempel: Das „Kernwasser-Wunderland.“ Die Geschichte des Schnellen Brüters ist voller Skandale und Merkwürdigkeiten. Geschichten von zerplatzen Zukunftsträumen, unverantwortlichen Wissenschaftlern und ahnungslosen Politikern. Ganz abgesehen von den vielen menschlichen Schicksalen, die mit dem Brüter verbunden sind.
 
Es sieht aus, als hätte man sich in die billigen Filmkulissen eines B-Pictures verirrt. Ein betrunkener Cowboy und ein blöd glotzender Sheriff hängen vor einem Western Saloon herum. Nebenan bewacht eine ägyptische Sphinx den Eingang der Hotelhalle. Eigentlich paßt nichts so richtig zusammen. Die „ägyptische Halle“ ist voll gestopft mit Styropor -Pharaonen und pseudo-ägyptischer Kunst. Mitten in der Halle steht eine gigantische alte Dampfmaschine, ein ehemaliger Schiffsmotor: Wunderland – Besitzer Henny van de Most ist leidenschaftlicher Dampfmaschinen-Sammler. In Vitrinen lauern allerlei Souvenirs, die ganz unbekümmert mit der atomaren Vergangenheit des Ortes spielen: Kleine Schnapsflachen namens „Reaktor-Geist“ und „Kernwasser“ oder drollige „Kernie“-Stoffpuppen, dem Maskottchen des Wunderlandes. Im Freizeitpark rund um den ehemaligen Kühlturm kann man sich auf Karussells, Wildwasserbahnen, Achterbahn und 33 weiteren Attraktionen austoben. In „Kernies Familienpark“ gilt die „All-inclusive Formel“, d.h. nicht nur die Fahrgeschäfte, auch Getränke, Eis und Pommes sind bereits im Eintrittspreis enthalten. Man kann essen und trinken soviel man will. Manchen Kindern bekommt das nicht: Bei der nächsten Karussellfahrt wird der mit Pommes überfüllte Magen schwungvoll wieder entleert. Auch der Sport- und Spieltrieb der Erwachsenen wird bedient: Der Kühlturm dient als Kletterwand, auf Kart- und Quadbahnen kann man den kleinen Schumi rauslassen. Oder man vergnügt sich mit Tennis, Volleyball und Boccia direkt am Rhein. Mehrere Hotels mit insgesamt 1000 Betten und sechs Restaurants sind in die ehemaligen Reaktorbauten eingezogen. Trotz aller Kitsch-Dekorationen erinnern wuchtige Mauern und schwere Stahltüren immer noch an den ursprünglichen Bestimmungszweck der Bauten. Wer sich für die Vorgeschichte des Brüters interessiert, kann Führungen durch die Reste des Reaktors buchen. Oft sind es ehemalige Mitarbeiter des Brüters, die heute die Touristen führen. Um die 500.000 Besucher zieht der Spaßpark jährlich an, etwa die Hälfte von ihnen sind Holländer.
 
Kernies Kneipenstraße
Scheinbar endlose Gänge, schummrige Beleuchtung, umherirrende Gäste: wir sind in der unterirdischen Kneipenstraße. Gegröle, Musik und Geräusche von Kegelbahnen, Bowling und Spielautomaten. Vor allem Kegelclubs, Fußball- und Schützenvereine lockt das garantiert kulturfreie Freizeitangebot des Wunderlands. Die meisten lassen ihre Ehepartner zuhause - man will schließlich was erleben. Auch in der Kneipenstadt gilt die „All-inclusive-Formel“: Man kann trinken bis zum umfallen, alle Getränke sind im Eintrittspreis enthalten. Die Gäste schlendern von Kneipe zu Kneipe, irgendwie scheinen hier alle auf der Wanderschaft zu sein, begleitet vom stündlich stärker werdenden Geruch von Schweiß und verschüttetem Bier. Im Westernsaloon kann man mit Spielzeugpistolen auf lebensgroße Cowboypuppen feuern, die ihrerseits - wie witzig - mit Wasserpistolen zurückschießen. Ob Schiffsbar, Weinkeller, Tanzcafe oder Irish Pub: die All-inclusive-Formel macht die Kneipenstraße zu einer einzigen unterirdischen Abfüllstation. Ein hauseigener Security Service patrouilliert regelmäßig durch die Gänge und zieht volltrunkene Randalierer aus dem Verkehr. Daß sie sich in einem ehemaligen Kernkraftwerk befinden, stört die meisten Gäste nicht. „Wir suchen hier Entspannung vom Stress der Großstadt. Tanzen, nette Frauen kennenlernen...“, berlinert ein sichtbar angetrunkener Gast, Mitglied eines hauptstädtischen Fußballvereins. Doch die Träume im Wunderland bleiben unerfüllt. Nach Mitternacht torkeln die Berliner Kicker immer noch ohne Anhang laut lallend durch die Gänge. Nachts um zwei schließt die Kneipenstraße. Wankende Gestalten nähern sich der Garderobe im Erdgeschoß. „Ich bin froh, daß ich nicht da unten arbeiten muß. Mir reicht es schon, wenn hier einige nachts um zwei ihre Schlüssel nicht mehr finden können.“ sagt die Garderobiere. Auch sie hat früher gegen den Brüter demonstriert. Daß sie einmal auf dem Brütergelände arbeiten würde, wäre ihr damals im Traum nicht eingefallen.


Atomträume
In den 50er Jahren gedeiht eine besonders naive Zukunftsgläubigkeit und Technikbegeisterung. Atomkraft scheint - für friedliche Zecke eingesetzt - ein Allheilmittel zu sein. Alte Wochenschau-Beiträge und populäre „Wissenschaftsfilme“ schwärmen von der „Gnade des Atomzeitalters“. (Filmbeispiele siehe Video-Exposé).  Anfang der 60er Jahre suchen Physiker des Kernforschungszentrums Karlsruhe nach einer neuen Aufgabe. Es gelingt ihnen, Politiker in Bonn zu überzeugen, daß die zukünftige Energieversorgung nur mit Atomenergie und diese wiederum nur mit „Schnellen Brütern“ funktionieren kann. Projektleiter Wolf Häfele will beweisen, daß „ein nukleares perpetuum mobile“ möglich ist. Die Karlsruher Physiker bekommen den Auftrag zum Bau eines Versuchsreaktors. Von 1960 – 1971 wird in Karlsruhe der neue Reaktortyp entwickelt und getestet. „Der schnelle Brüter“ soll mehr spaltbares Material erzeugen als er verbraucht. Neben der Stromerzeugung soll er noch Brennelemente für andere Kernkraftwerke „erbrüten“. Statt Wasser wird Natrium als Kühlmittel verwendet. Natrium gilt wegen seiner hohen Reaktionsfähigkeit als eines der größten Sicherheitsprobleme des Brüters. Es muß hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt werden. Bei einer Panne im Kühlsystem kann der Brüter explodieren, warnen Kritiker. Natrium brennt spontan, wenn es mit Luft in Berührung kommt. Ein kleines Leck im Kühlkreislauf des Reaktors hätte sofort einen Brand zur Folge. Da der Schnelle Brüter „schnelle Neutronen“ verwendet, ist er viel unstabiler und bedeutend schwieriger zu kontrollieren als ein thermischer Reaktor. Alles geschieht sehr viel schneller, auch ein „unkontrolliertes Durchgehen“. „Der Unterschied zwischen Bombe und Brüter beträgt 0,2 %.“, so bringt es ein holländischer Physiker auf den Punkt. Wie der Brüter im Falle eines Störfalles reagieren wird, kann niemand sicher voraussagen. „Kann der Brüter explodieren?“ fragt die renommierte Fachzeitschrift „Bild der Wissenschaft“ in ihrer November-Ausgabe 1982. Sie kommt zu dem Ergebnis: Er kann. Ein weiteres Gefährdungs-Potential bedeutet das verwendete Plutonium. Es sei nur an den Fall Karen Silkwood erinnert. Doch noch sind wir in den technik- und zukunftsgläubigen 60er Jahren. Zunächst ist Weisweiler bei Aachen ist als Standort für den neuen Brüter vorgesehen. Die Atomsicherheitskommission lehnt ab, weil „in der näheren Umgebung zu viele Menschen wohnen.“ Dann fällt die Wahl auf Kalkar am Niederrhein. 1971 stimmt der Rat der Stadt Kalkar dem Bau des Brüters mit überwältigender Mehrheit zu. Der Rat der Nachbarstadt Rees spricht sich einstimmig gegen den Bau aus. Ebenso die Nachbarstädte.


 Kalkar 1979 - Foto © Frank Becker

Baubeginn
Im April 1973 wird mit dem Bau begonnen, das benötigte Bauland wird enteignet. 1979 soll das Kraftwerk fertig sein. Schon im ersten Jahr kommt es zu Demonstrationen von Atomkraftgegnern. Sie werden den Bau über all die Jahre begleiten und den Namen Kalkar bundesweit bekannt machen. Um die Anlage vor Demonstranten zu schützen, wird das Brütergelände mit einem Wassergraben und Betonzaun umgeben. Allein die Schutzanlage kostet 10 Millionen Mark. Bei Demonstrationen müssen bis zu 30 Brüter-Mitarbeiter auf dem Gelände bleiben, um die Anlage zu verteidigen. Wasserwerfer werden zur Abwehr eingesetzt. Auf dem Brütergelände wird sogar ein Gefängnis gebaut, um mögliche Eindringlinge festzusetzen. Die Gefährlichkeit und die Kosten des Brüters sorgen zunehmend für Diskussionen. Doch alle Parteien stehen zur Brütertechnologie. Nur ab und zu dringen warnende Worte von Abweichlern an die Öffentlichkeit. 1974 errechnet der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl-Hans Kern Gesamtkosten für den Schnellen Brüter von mehr als 10 Milliarden Mark (statt wie behauptet 940 Millionen) und fordert den Abbruch des Baus. Er bleibt mit seiner Forderung allein. Eilig stellt die SPD klar, daß sie hinter der Brütertechnologie steht.
 
Lauschangriff auf Bürger T.
Der Bau des Brüters geht in voran. Einer der renommiertesten Brüter-Experten, Prof. Dr. Klaus Traube leitet das Projekt. Doch dann kommt die Zeit der RAF. Traube gerät in Verdacht: Er ist einige Male mit dem RAF Terroristen Klein zusammen getroffen. Der Verfassungsschutz fürchtet, Traube könnte den Terroristen Material für Atombomben liefern. Der größte Abhör-Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik ist die Folge: Der BND verwanzt Traubes Wohnung und belauscht ihn wochenlang ohne gerichtliche Genehmigung. Als der Fall bekannt wird, weitet sich die Affäre zu einer Regierungskrise aus. Am Ende stellt sich alles als falsch heraus. Traubes Bekanntschaft mit Klein war zufällig, Traube war kein Sympathisant der RAF. Doch seinen Job in Kalkar ist er los.
 

  Kalkar 1979 - Foto © Frank Becker

Demonstrationen
Alle Jahre wieder wird Kalkar von Demonstrationen der Kernkraftgegner heimgesucht. Nur selten mischen sich Einheimische unter die Protestler. Die Bürger von Kalkar sind mehrheitlich katholisch und gutgläubig. Man protestiert nicht. Außerdem bringt der Bau des Brüters Vorteile. Für Häuslebauer zum Beispiel. Von der Brüter Baustelle werden immer wieder wertvolle Baumaterialen zum Bau privater Wohnhäuser in Kalkar „abgezweigt“ – vielleicht auch, um die Anwohner ruhig zu stellen. Die Proteste gegen den Schnellen Brüter bleiben meist friedlich. Trotzdem wird mit horrend teueren Polizeieinsätzen versucht, Demonstranten schon vor der Stadtgrenze abzufangen und nach gefährlichen Gegenständen zu durchsuchen. „Sie haben hier ein Seil in der Hand?“ fragt ein Fernsehreporter einen Polizisten. „Das habe ich beschlagnahmt. Auch von Seilen kann eine Gefahr ausgehen“, erläutert der Polizeimeister dem verdutzten WDR Journalisten. Nach dieser aufschlußreichen Aussage freuen sich Polizist und Reporter gemeinsam über das friedliche Bild der radelnden Demonstranten. Willibald Kunisch von den Grünen treibt es noch heute die Zornesröte ins Gesicht, wenn er sich an die damaligen Polizei-Schikanen erinnert: „Man hat vor Wut gekocht. Man hätt´ sie erschlagen können!“ Der CDU-Ortsvorsteher von Kalkar-Hönnepel (Brüter-Befürworter) sagt heute: „die Ängste vor den Demonstranten waren unbegründet.“
 

  Kalkar 1979, nach der großen Demonstration - Foto © Frank Becker

Strahlende Zukunft?
Im Bundestag sieht sich der Bundesforschungsminister zunehmend kritischen Fragen ausgesetzt. Und was macht ein Minister dann? Richtig, er setzt eine Kommission ein. Und besonders klug: Er beauftragt Wissenschaftler pro und contra Kernenergie zu einer gemeinsamen Studie über das Risiko des Schnellen Brüters. Aber eine gemeinsame Studie kommt nicht zustande. Die Wissenschaftler werden sich nicht einig und veröffentlichen zwei getrennte Studien. Die erste Studie kommt zu dem Schluß, daß bei einem Störfall „im schlimmsten Fall 14.000 Menschen an der Folge radioaktiver Strahlung sterben werden.“ Die zweite Studie errechnet bis zu 2,7 Millionen Strahlentote. Politische Konsequenzen haben beide Studien nicht. Atomphysiker Professor Klaus Traube, ehemaliger Leiter des Projektes „Schneller Brüter“, fordert 1982 das Ende Brüterbaues. „Es gibt keine Perspektive für einen wirtschaftlichen Einsatz von Brütern. Es wird höchste Zeit, den Bau in Kalkar abzubrechen.“ Doch einem, der schon Terroristen traf, schenkt man kein Gehör. Schon Ende der siebziger Jahre hatte US-Präsident Jimmy Carter alle Brüterprojekte in den USA gestoppt. Begründung: zu teuer, zu gefährlich und wegen der Risiken einer Weiterverbreitung atomwaffentauglichen Plutoniums nicht zu verantworten. Trotz aller Kritik und der ständig steigenden Kosten beschließt die Bundesregierung im April 1983 die Fertigstellung und Inbetriebnahme des schnellen Brüters.
 
Bauernopfer
Bauer Maas, ein Nachbar des Brütergeländes, ist seit Jahren die Galionsfigur des Widerstandes. Doch er scheitert wiederholt vor Gericht. Seine Klagen gegen den Brüter werden abgewiesen. Nach Überzeugung der Gerichte ist das Kernkraftwerk hinreichend sicher gebaut. 1985 gibt Maas auf. Er verkauft sein Land an die Kraftwerksunion und zieht weg. Sein Hof ist heute verfallen.
 
Die Wende
Nach der Tschernobyl Katastrophe vom 26.4.1986 deutet sich ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung und der Politik an. Atomkraft scheint nicht mehr beherrschbar.
 
Brüter ist fertig!
Im Juli 1986 verkündet die Herstellerfirma Interatom stolz die Fertigstellung des Brüters. Mit siebenjähriger Verspätung könnte der Brüter jetzt endlich ans Netz gehen. Doch der Landtag von NRW beschließt mit den Stimmen der SPD Mehrheitsfraktion (die jahrelang für den Bau des Brüters war) eine Kurskorrektur in der Energiepolitik. Die Schnelle-Brüter-Technologie wird abgelehnt. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Jochimsen (SPD) untersagt im April 1987 die Einbringung von Atombrennstäben. Kein Kernkraftgegner hätte es zu träumen gewagt: Der Brüter steht still. Nur ab und zu wird mal an der Turbine gedreht, damit sie nicht einrostet. Man weiß ja nie. Viereinhalb Jahre läuft die Anlage im Probebetrieb – ohne Strom zu produzieren. Und so macht der Brüter das Gegenteil von dem, wofür er bestimmt war: Er wird zum größten Stromverbraucher des Niederrheins. „Da hat das RWE sich auch noch mal eine goldene Nase dran verdient“, knurrt ein ehemaliger Ingenieur des Brüters.
 
Aus der Traum
Die Politik braucht noch einmal fünf Jahre, um zu entscheiden, was aus dem teuersten Nichtsnutz-Klotz der BRD werden soll. Von 1986 bis 1991 kostet der Unterhalt des Schnellen Brüters 35 Millionen Mark – jährlich. Vier Bundeskanzler und sechs Bundesforschungsminister hat der Brüter überlebt. Zuletzt ist Heinz Riesenhuber (CDU) für den Brüter zuständig. „Ich habe das Projekt in einem hundsmiserablen Zustand vorgefunden“, erinnert er sich. Am 21. März 1991 verkündet Riesenhuber das „Aus“ für den schnellen Brüter. Die Kosten für den Abriss werden auf 500 Millionen Mark geschätzt. 1995 kauft der holländische Unternehmer Henny van der Most das Brütergelände für rund 7 Millionen Mark und gründet den Freizeitpark „Kernwasser-Wunderland“. Im Brüter schlummern Millionenwerte an Material. Allein mit den hier verlegten Kabeln ließe sich der Erdball zweimal umrunden. Und der verbaute Beton hätte auch für eine Autobahn von Nürnberg bis München gereicht. Alles wird jetzt mit Schneidbrennern zerschnitten und kommt in kleinen Stücken ans Tageslicht. Der ehemalige Schrotthändler van de Most weiß, wie man so etwas zu Geld macht. Angeblich hat er den Kaufpreis durch Materialverkäufe längst wieder hereingeholt.
 

  Kalkar 1979, nach der großen Demonstration - Foto © Frank Becker

Die Ehemaligen
Der Abriss ist für einen ehemaligen Ingenieur „die schlimmste Zeit meines Lebens, hier die Säge wieder anzusetzen und das zu zerstören, was wir hier aufgebaut haben.“ Noch drei Jahre lang wird er für den Abriss verantwortlich sein. Besonders heikel: Es müssen 1000 Tonnen Natrium wieder aus der Anlage herausgeholt werden. Eine höchst gefährliche Aktion. „Ich habe nächtelang nicht geschlafen.“ Für die Ingenieure, die für den Bau nach Kalkar und Umgebung gezogen sind, war der Brüter ihr Lebenswerk. Und die meisten trauern ihm heute noch nach. Das „Wunderland“ betreten sie nur ungern und mit „mächtigem Magengrimmen.“ Doch sie sind in Kalkar heimisch geworden. Einige der Ehemaligen treffen sich im Sommer am Wassergraben des Brüters. Dann lassen sie ihre selbstgebastelten Modellbauschiffchen zu Wasser. Eigentlich sind sie zufrieden. „Das einzige was uns fehlt, ist der Brüter“ sagt einer. Das Abenteuer „Schneller Brüter“ hat – inklusive der Forschungskosten - ca. 10 Milliarden Mark verschlungen. Es war die teuerste nicht-militärische Investition der Bundesrepublik. Prof. Klaus Traube, der ehemaliger „Chefplaner“ des Schnellen Brüters, ist heute erklärter Kernkraftgegner und energiepolitischer Sprecher des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. BUND. Die Brüter Technologie spielt heute weltweit keine Rolle mehr.
 
Zu diesem Exposé gehört ein Video-Exposé, 22 Minuten
 
Im Dezember 2009 (also im allgemeinen Bewußtsein der Katastrophe von Tschernobyl und 16 Monate vor dem GAU von Fukushima) führte der Filmemacher Wolfgang Dresler ein aufschlußreiches Interview mit dem Atomwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Traube, dessen Video-Aufzeichnung Sie – hier sehen können.
 
© TACKER FILM GmbH Tel. 0221 / 25 60 67 - info@tackerfilm.de
 
Redaktion: Frank Becker