Achtung: Hier gibt es was auf die Ohren!

Erich Kunzel & Cincinnati Pops Orchestra - "MEGA MOVIES" - gehört und genossen

von Peter Bilsing

MEGA MOVIES

Achtung: Hier gibt es was auf die Ohren !

 
Filmmusikfreunde aufgemerkt: Die mittlerweile unter „Freaks“ bereits als legendär geltende CD „Mega Movies“ (TELARC, aufgenommen 1999) mit den Filmmusikadaptionen von einigen der größten und auch populärsten Hollywoodstreifen der letzten Jahrzehnte, eingespielt von Erich Kunzel & seinem fabulösen „Cincinnati Pops Orchestra“, liegt jetzt als SACD Hybrid Scheibe im Mehrkanalton vor. Das Ergebnis bewegt Wände.


Defibrillator bereithalten!

Der aufgedruckte Hinweis: „Warning! Mega Sound Effects“ klingt zwar arg reißerisch, sollte aber (entsprechendes Mehrkanal-Equipment inklusive einem saftigen Verstärker respektive Subwoofer vorausgesetzt) nicht unterschätzt werden, denn die einigen Stücken vorangestellten SFX-Spezialton-Effekte (mit exzessiven Frequenzmodulationen bis hinunter auf 5 Herz!) können in der Tat nicht nur bei sensiblen Menschen zum sofortigen schockbedingten Herzstillstand führen, sondern - schlimmer noch ! – Ihre langjährig wohlbehüteten (unterdimensionierten) Lautsprecher blitzartig zerstören. Daneben sind die Subsonic-Effekte des einstigen Katastrophenstreifens „Erdbeben“ schon fast im Kammertonbereich anzusiedeln. Diese SFX-Tracks sind zu Recht mit separaten Warnzeichen versehen! Cave Canem!

Also, verehrte Freunde von Megasounds, bevor Ihr diese SACD einlegt, haltet bitte nicht nur einen Defibrillator bereit, sondern quält schon einmal die einschlägigen Kataloge nach neuer adäquater Lautsprecher-Hardware. Und – nebenbei bemerkt – diese Prachtscheibe auf Zimmerlautstärke abhören zu wollen, entspräche ungefähr der Lebensfreude, mit einem Ferrari im ersten Gang über die Nordschleife des Nürburgringes düsen zu wollen. Also: Leise anhören gilt nicht! Hier ist Kino-Original-Sound- und Lautstärke angesagt.

Sind die äußeren Rahmenbedingungen geklärt (Beruhigungsspitze liegt bereit, Kleinkinder, frisch Operierte, Bluthochdruck- und Schlaganfallgefährdete sowie  die gesamte Nachbarschaft sind evakuiert?) und ihre Anlage arbeitet im vierstelligen Wattbereich (Die Subwoofer-Öffnungen sind freigeräumt), dann kann´ s richtig losgehen. Jetzt geht die Post ab mit einer „Filmmusikpolonaise“ im Breitwandsound, bei der nicht nur der alte Kitt aus dem Fensterrahmen und die Löcher aus dem sprichwörtlichen Käse fliegen, während das Dach ihres gemütlichen Eigenheims abhebt, sondern Sie werden staunen, wie tatsächlich Ihre „Augen Ohren machen“ werden – hier trifft dieser blöde Werbeslogan wirklich zu. 


Vergeßt Wagner, Holst, Strauß und Mahler

Freunde großsinfonischer Dichtkunst vergesst mal kurzfristig Wagner (Siegfrieds Trauermarsch, den Walkürenritt oder das Lohengrin-Vorspiel zum 3.Ak), Eure „Via Appia“ (Pini Di Roma, Respighi), Holst´s „Mars“ (Die Planeten), das Straußsche „Elektra“-Finale oder den allseits geliebten Gustav Mahler, und versenkt Euch in die geradezu rauschhaften Edelklänge dieser Musik. Solch edles Blech und -zigfach geteiltes Streicher-Brio boten bisher eigentlich nur die alten Berliner Sinfoniker unter dem Klangdämon Herbert von Karajan. O.k., manches ist etwas dick aufgetragen, manches bisserl kitschig, aber ein gutes hundert perfekte Musiker müssen halt auch mal so richtig „die Sau rauslassen“ dürfen. Das ist Herz, Schmerz á la Hollywood im seidenen Klangrausch der Wiener Philharmoniker – alle Achtung! und meine Hochachtung für dieses „Cincinnati Pops Orchestra“ – Jungs, Euch würde ich gerne mal mit Schostakowitsch erleben, ehrlich!

Besser als die Originale

Ich möchte nur einen kurzen inhaltlichen Querschnitt angeben (ausgezeichnet und sehr differenziert hat Michael Bolthaus, www.cinemusic.de; hier die Historie von Orchester und Dirigent, wie auch diverse weitere CDs besprochen) und verweise hier auf meine persönlichen Highlights, die da waren:
Die fabelhafte Solotrompete im „Sand Volcano“ der MUMIE-Ouvertüre (Track 1), das bezirzende Stradivari-Accompagnato in der im Flamenco-Stil gehaltenen ZORRO-Ouvertüre (Track 2) – achten Sie mal auf die glasklaren Kastagnetten-Klänge, wenn das Streicherfortissimo abebbt! Wie schön ist doch Jerry Goldsmith´ Klangsuite (Track 4) zu AIR FORCE ONE im Vergleich zu der filmischen Mittelmäßigkeit dieses simpel gestrickten Actionstreifens; und was für eine herrlicher Schlussapotheose bieten die Musiker. Das ist einfach Klasse gespielt und m.E. erheblich besser als der Originalsound.
Track 5: THE ROCK – sicherlich gibt es zur Zeit keinen besseren Komponisten in Hollywood als Hans Zimmer. CONTACT (Track 7) ist mehr etwas für die Freunde sanfterer Tristan-Klänge, insbesondere die Holzbläser spielen überwältigend schön, eine geradezu zärtlich angehauchte Liebeserklärung.
MIGHTY JOE YOUNG (Track 8) bringt auch etwas für die Choralgemeinde, leider blieben die Herrschaften auf der Disc unbenannt. Dass die STARWARS-Fanfare (Track 10) mittlerweile so bekannt ist wie die dem Straußschen Zarathustra-Auftakt entlehnte, tut ihr auch in der hundertsten Einspielung keinen Abbruch; auch hier würde ich bessere Qualität als in der filmischen Originaleinspielung attestieren.
L.A CONFIDENTIAL (Track 11) dagegen ist im berückenden Bigband-Sound gehalten, während beim PRINCE OF EGYPT (Track 12) – achten Sie auf die imponierenden Hörner! – dem Sentiment wieder sehr stimmungsvoll breiter Raum gegeben wird. „Lawrence of Arabia“ lässt grüßen.
Beim Track 14, den X-FILES, zeigt sich, über was für ein prächtiges Percussion-Ensemble die „Cincinnatis“ verfügen, während bei BUGs LIFE (Track 14), einem fetziges Jazz-Kaleidoskop von Cotton-Club-Music über Dixiesounds à la Satchmo bis hin zu einer Hommage an Benny Goodman, praktisch alles antönt.
Freunde barocker Klänge kommen bei ELISABETH (Track 15) auf ihre Kosten – ein kammermusikalisches Lamento mit fein eingestreuten Harfenklängen.
Ebenso bezaubernd schön ist die Musik zu SHAKESPEARE IN LOVE (Track 19) von Stephen Warbeck. Spätestens hier werden auch Ihre Nachbarn wieder zu Freunden und nehmen die Klagen wg. „ruhestörenden Lärms“ und „Körperverletzung“ zurück. Selbstredend dürfen am Ende die echten „Knaller“ nicht fehlen: ARMAGEDDON (heroisch); GODZILLA (mörderisch) und TITANIC (ans Herz gehend tränenreich). Mein Gott, wie schön kann gut gespielte Filmmusik sein!

74 Minuten Hollywood á la bonheur

Am Ende haben uns 74 Minuten gigantischer Hollywoodsound derartig die Sinne vernebelt, daß der Griff nach den Originalfilmen unvermeidbar erscheint; die erneute Betrachtung der Originalversion – diesmal unter mehr filmmusikalischen Aspekten – ist zwangsweise angesagt.

Fazit: Eine exemplarische Filmmusikscheibe, bei der nicht nur die ungeheuerliche Qualität des „Cincinnati Pops (Sinfonie!!!)Orchesters“ und das perfektes Arrangement von Erich Kunzel beeindrucken, sondern wo auch in jeder Note das brillante Können der ganz großen Filmmusik-Kompositeure (Goldsmith, Horner, Zimmer, Williams, Newman, Hirschfelder, Arnold, Warbeck und Rabin) erlebbar wird. Für Filmmusikfans unverzichtbar! Für Neueinsteiger kann es keine bessere Motivation zurzeit geben. Außerdem ein Test, wie gut Ihre gut-nachbarschaftlichen Bande wirklich sind.

P.S. SACD - Glossar
 Dieser Silberling ist ein Hybrid Layer. Er enthält neben der HD-Schicht auch eine CD-Schicht, die für jeden herkömmliche CD-Spieler lesbar, das heißt abspielbar ist; auch das „nur-Stereo-Klangerlebnis“ ist schon enorm.
Perfekten Raumklang bietet allerdings nur die Mehrkanal-Abtastung dieser SACD (Super Audio Compact Disc). Dabei arbeite der Abtaster mit einer Samplingrate von 2,8224 MHz (!) d.h. 64-mal soviel, wie bei einer konventionellen CD mit 44,2 kHz.
(Interessant: der Konkurrenz-Standard einer DVD-Audio, die mit jedem DVD-Player abspielbar ist, arbeitet mit 96 kHz). Eine SACD hat mehr als die 6-fache Speicherkapazität einer CD und ist daher zu Recht etwas teurer. (ab 20 Euro)

Mittlerweile kann allerdings fast jeder etwas bessere DVD-Player (Preisklasse ab 200 Euro) diese SACD-Norm wiedergeben. Es lohnt sich also nicht nur für Audiophile beim Neukauf auf diese Kompatibilität unbedingt zu achten.

Weitere Informationen unter: www.telarc.com