200 Jahre Friedrich Engels – Denker, Macher, Wuppertaler

Auftakt im Wuppertaler Opernhaus

von Johannes Vesper

Friedrich Engels (ganz links) - Foto © Johannes Vesper

200 Jahre Friedrich Engels – Denker, Macher, Wuppertaler
 
Auftakt im Wuppertaler Opernhaus
 
Schon bei der Anfahrt über die Friedrich-Enges-Allee fielen die Lichtinstallationen im Engelspark auf: Rote, später blaue Bäume, der riesige chinesische Engels, weiß angestrahlt und im Park der Schriftzug Engels in weißen Neonröhren vor einer großen Erd(?)kugel), die fließend farblich changiert. Und auf dem Opernhaus wechselten ständig die Projektionen: „Ein Gespenst geht um in Europa“, Briefmarken von Marx und Engels, stampfende Textilmaschinen und vieles andere. Von 19:30 bis 22 Uhr war dieses eindrucksvolle Fassadenschauspiel zu beobachten.
 
Aber um 19:30 Uhr begann im bis auf den letzten Platz besetzten Opernhaus der Festakt zur Eröffnung des Engelsjahres. Auf der Bühne saß das vollbesetzte Sinfonieorchester und begann mit der Ouvertüre zu Cherubinis „Médée“. Die in Elberfeld geborene und aus Funk und Fernsehen bekannte Bettina Tietjen durfte den Abend in Barmen moderieren. Oberbürgermeister Andreas Mucke begrüßte alle wichtigen Anwesenden, von der Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW Frau Isabel Pfeiffer-Poensgen bis zum chinesischen Generalkonsul Feng Hayang und den Sponsoren aus Wuppertal, ohne die der Auftakt kaum so hätte stattfinden können. Der Projektchor der Oper Wuppertal (Einstudierung Markus Baisch) brachte im Anschluß die Revolutionsszene aus der Oper Regina von Albert Lortzing, der auch das Libretto geschrieben hat: Es sangen Heiko Trinsinger, Bariton und Mark Bowman-Hester, Tenor. Bewaffnete Arbeiter, die sich „ihr Recht verschaffen, wenn nicht mit Worten dann mit Waffen“ ihre Fabrik in Brand setzen - solche Szenen sind in der Oper selten zu sehen, passen aber wie die „Weber“ aus Peterswaldau zum romantisch-politischen Freiheitskampf von Marx und Engels in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Der Schiffer in der „Lore-Ley“ Heinrich Heines von 1824, also ca. 20 Jahre zuvor, geht noch nicht an seinen ökonomischen Verhältnissen und Arbeitsbedingungen zu Grunde. Hier herrscht noch reine Romantik vor allem in dem einfach schönen, vierstimmigen a-capella-Satz Friedrich Silchers.
 

Foto © Johannes Vesper

Friedrich Engels´ Sarkasmus, wie er in ihn in der Elberfelder Rede von 1845 seinen männlichen Zeitgenossen im Zweibrücker Hof (?) zugemutet hatte, brachten Julia Meier, Philippine Pachl und Julia Wolff in verteilten Rollen glänzend über die Bühnenrampe. Das „Meine Herren“ der Damen, unisono drohend dem Publikum entgegengeschleudert, verfehlte seine Wirkung nicht. Und mit der „Eisengießerei“ von Alexander Mossolow (1900-1973) brachte das Orchester unter der souveränen Stabführung Johannes Pells die lärmende Monotonie eines Stahlwerkes schier auf die Ohren. Da werden Blechbläser zu Werkssirenen und riesige Maschinen stampfen im Takt der russischen Industrialisierung. 
Als Martin Petschan dann, mit Brille aufmerksam das Publikum fixierend, den ernsten Text „Maschinenwinter“ von Dietmar Dath vortrug, kam die ganze Abstrusität der Verschlechterung der Lebensverhältnisse durch Maschinen und moderne Produktionsverhältnisse unter ständigem Ausstoß von Schmutz und gesundheitsschädlichen Gasen literarisch-polemisch greifbar zur Geltung. „Der kreative Computerdienstleister fristet das Dasein eines biblischen Tagelöhners; die High-Tech-Ärztin schreibt Gutachten über die Almosenberechtigung kranker Unterstützungsempfänger“. Das ist weiß Gott keine Comedy, aber sicher lesenswert und zeitgemäß, konnte man doch vor einigen Tagen der Presse entnehmen, daß Thyssenkrupp den Aktionären bessere Zeiten versprochen hat, indem man 6.000 Arbeitsplätze abbauen will.
 

Foto © Johannes Vesper

Zwischen Hanns Eislers „Lied vom Klassenfeind“ (Text Bertolt Brecht) und einem Medley aus Arbeiterliedern (Julia Meier, Philippine Pachl, Konstantin Rickert und Stefan Walz, stimmgewaltig und an der Gitarre) lasen Thomas Braus und Stefan Walz noch aus dem Briefwechsel zwischen Marx und Engels. Menschlich, amüsant, frech und geschmacklos faszinieren die Briefe dieser großen gesellschaftlichen Protagonisten des 19. Jahrhunderts noch heute. Zu allerletzt dann - in der Heimatstadt von Friedrich Engels schreckt man vor nichts zurück - spielte das Sinfonieorchester das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung, „Die Internationale“ (Arr. Alexander Sojka ), ursprünglich 1888 von Paul Degeyter komponiert.
Starker Applaus des durchweg begeisterten und arbeiterfreien Publikums, das anschließend mit einem Glas Sekt den Abend beschloß. Wer schon vorher nach Hause ging, konnte in der dunklen Nacht die letzten Minuten des Lichtkunstwerkes von Gregor Eisenmann bewundern. Die fünf Großformat-Projektoren, 1800 LED und 60 Scheinwerfer wurden um 22.00 Uhr ausgeschaltet.
 
Johannes Vesper