„Bilder einer Ausstellung“

Fauré Quartett mit Rachmaninow, Schumann und Mussorgsky auf Schloß Morsbroich

von Johannes Vesper

„Bilder einer Ausstellung“
 
Fauré Quartett mit Rachmaninow, Schumann
und Mussorgsky auf Schloß Morsbroich
 
Seit 1995 spielt das inzwischen weltbekannte Fauré Quartett zusammen und hat den gesamten Kanon der Literatur für Klavierquartett in den 25 Jahren seines Bestehens durchgearbeitet. Damit geben sich aber Dirk Mommertz (Klavier), Erika Geldsetzer (Violine) Sascha Fröbling (Viola) und Konstantin Heidrich (Violoncello) nicht zufrieden und brechen aus der bekannten Klavierquartettliteratur immer wieder aus, spielen mit der NDR-Bigband, spielen in New Yorker Jazz-Clubs, begeistern Kinder und Jugendliche mit Popsongs (Album 2009) und erhalten Auszeichnungen wie z.B. zweimal den Echo Klassik Preis. Ihre Alben bei der Deutschen Grammophon mit Werken von Mozart, Brahms, Mendelssohn, Richard Strauß, Mahler gehören zum Besten, was Kammermusikeinspielungen zu bieten haben. Dazu geben sie Meisterkurse und spielen bei ihren Welttourneen, ihren Auftritten in den großen Musikstädten aber auch auf Rügen alles, was es an Kammermusik für ein Klavierquartett gibt. Die Leidenschaft für diese Gattung führt inzwischen zur Erweiterung der Literatur für das Ensemble. Im WDR 3 hat Dirk Mommertz kürzlich darüber berichtet. Er nahm sich der Études tableaux, den „Bildetüden“ (eigenartige Bezeichnung) aus op. 33 und 39 von Sergei W. Rachmaninow (1873-1943) an. Dabei handelt es sich um eine Melange aus virtuos-effektvoller Konzertetüde mit einer Art Tondichtung für Klavier.
 
Am 13.02.2020 wurde das Konzert des Quartetts auf Schloß Morsbroich/Leverkusen damit eröffnet. Gleich zu Beginn stürmte höchst bedrohlich con fuoco, chromatisch, abgerissen das Verhängnis los („Rotkäppchen und der Wolf“). Beschaulich ruhig hört das Ohr in op. 39,3 über „das Meer und die Möwen“, welches Stück wie auch der Trauermarsch (op. 39.7) und die anderen Stücke Rachmaninows lyrische Melancholie ahnen läßt. Im seelenvollen, stets hoch kultivierten Zusammenspiel zwischen Streichern und Klavier erwies sich diese Bearbeitung als eine großartige Erweiterung des Repertoires. Als Hauptstück vor der Pause war das hochromantische Klavierquartett Es-Dur op. 47 von Robert Schumann (1810-1856) zu hören. Nach ruhiger, träumerischer, philosophischer (?) Einleitung geht es los: Herrliche Streicherkantilenen, „sempre con molto sentimente“ im Wechsel gemeinsam mit klarem, virtuosem Klavier prägen den schnellen 1. Satz. Die Dreiviertel, mit denen als Auftakt sozusagen das Hauptthema beginnt, charakterisieren den Satz und sind im reichen thematischen Material immer wieder zu hören. Der schnelle 2. Satz, obwohl mit Scherzo überschrieben, mutet in Moll und mit brillant hämmernder Motorik eher an wie ein dunkler Sommernachtstraum. Musikalischer Höhepunkt ist zweifellos der 3. Satz (Andante), in welchem zunächst das Cello ein wunderbares Thema anstimmt. Violine und Viola übernehmen und variieren es, bevor es vor der Coda wieder vom Cello in zartem Piano ein letztes Mal gesungen wird. Der virtuose 4. Satz versetzte mit seiner Lebendigkeit, Souveränität und zupackender Frische der Interpretation die Zuhörer in Glück und Trance. Lange Stille, bevor der Applaus ausbrach.
 
Nach der Pause erklangen „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky (1838-1881), die, ursprünglich ja für Klavier gedacht, Dirk Mommertz ebenfalls für das Ensemble eingerichtet hat. Mit Flageolett, angedeuteten Glissandi und Vierteltönen, Kratzen hinterm Steg, temperamentvoll, energiegeladen, bisweilen ruppig, mit erstaunlicher Amplitude der Dynamik und stellenweise überraschender Agogik, entfaltet sich diese Musik und braucht im Hinblick auf differenzierte Klangfarben und Wirkung den Vergleich mit der Ravelschen Orchesterfassung nicht zu scheuen. Unter vollem körperlichem Einsatz der Musiker ging das Werk mit dem „großen Tor von Kiew“ nahezu sinfonisch zu Ende. Starker Applaus und Bravi gaben Anlaß zu zwei Zugaben. Der argentinische Komponist Eduardo Huber hatte seinen „Faurétango“ für das Fauré Quartett komponiert und ihm gewidmet. Vital sprangen bei dieser edlen Cafehaus-Tanzmusik, verstärkt durch Stampfen mit hochhackigen roten Pumps aufs Parkett, südamerikanisches Temperament bzw. die musikalischen Funken auf das begeisterte Publikum und deren Fußspitzen über. Tosender Applaus. Mit dem Andante aus dem Klavierquartett op. 60 c-moll von Johannes Brahms als zweite Zugabe ging dieser hoch anspruchsvolle Kammermusikabend zu Ende - und die Zuhörer nachdenklich in die dunkle Nacht hinaus. Am Ausgang verkauften und signierten die Musiker einige ihrer Einspielungen, glücklicherweise auch „Pictures at an Exhibition (Berlin Classic) (https://berlin-classics-music.com/), auf der diese vorzüglichen Bearbeitungen für Klavierquartett in vorzüglicher Qualität zu finden sind.
 
Wer mag, kann am 21.02.2020, 20.00 Uhr in Potsdam (Nikolai-Saal) ein musikalisches Vergnügen der Sonderlasse erleben: „Luck be a Lady", Annette Dasch & Fauré Quartett. Ein Abend rund ums Glück mit Arien, Liedern und Songs von Kurt Weill, Claude Debussy, Richard Strauss, Franz Lehár u.a.
 
Johannes Vesper